Glossar
PA 11 - Polyamid 11
Polyamid 11 andere Bezeichnungen: Poly-Undecanolactam, Nylon 11 Kurzzeichen: PA11 CAS-Nr.: 25035-04-5 |
Wichtige Handelsnamen und Markeneigner RILSAN® PA11 - Arkema Group |
Geschichtliches In den 1960er Jahren begann in den Vereinigten Staaten, wohl unter dem Eindruck des Vietnamkrieges, ein breit angelegtes Forschungsprogramm mit dem Ziel, Rohstoffe aus Importen möglichst durch einheimische Rohstoffe zu ersetzen. Im Zuge dieses Programms wurde auch das sog. Castor-Oil (im deutschen Sprachraum Rizinusöl) untersucht, das aus dem Samen des ursprünglich aus Äthiopien oder Indien stammenden, bis zu 13 m hohen Wunderbaums (Ricinus communis) gewonnen wird. Als Strauch ist das Wolfsmilchgewächs auch in den Südstaaten der USA heimisch. Obwohl Rizinusöl erhebliche Mengen an Trigyceriden langkettiger Carbonsäuren (Fette) und Proteine enthält, ist es wegen seines Gehaltes an Rizin, einem hochtoxischen Lectin, für Speisezwecke ungeeignet. Es wurde jedoch schon seit dem Altertum als vielseitiges Heilmittel in der Volksmedizin verwendet und später auch für technische Zwecke, als Brennöl und Farbstoffbindemittel sowie zur Herstellung von Schmierstoffen, Seifen und Kosmetika. Seine Bedeutung dafür hat Rizinusöl inzwischen verloren. Heute ist es ein wichtiger, nachwachsender Rohstoff für die Kunststoffindustrie zur Herstellung von Polyamid 11. |
Allgemeine Beschreibung Polyamid 11 ist ein sehr leichter, teilkristalliner und linear aufgebauter thermoplastischer Kunststoff. Er gehört zu den Homopolymeren, die nur aus einer Monomerkomponente bestehen. Solchen Polyamiden liegen aliphatische ω-Aminosäuren oder ihre Lactame, die durch Wasserabspaltung sich bildenden intramolekularen Säureamide, zugrunde. Die eindeutige Unterscheidung der Vielzahl aller möglichen Polyamide erfolgt durch eine technische Nomenklatur. Sie gibt im Verbund mit dem Kürzel PA für Polyamid (DIN EN ISO 1043-1) die Zahl der Kohlenstoffatome der jeweils zugrunde liegenden ω-Aminosäure an. Polyamid 11, dem die ω-Amino-Undecylsäure H2N-[CH2]10-COOH mit insgesamt 11 Kohlenstoffatomen im Molekül zugrunde liegt, ist daher mit PA 11 eindeutig ausgewiesen. |
Verarbeitung Polyamid 11 (PA 11) ist als Granulat verfügbar, das nach Aufschmelzen zu Halbzeugen weiterverarbeitet wird. |
Verwendung PA 11 ist physiologisch unbedenklich und gewebefreundlich. Es ist bei +121 °C autoklavierbar. Ferner kann PA 11 mit Ethylenoxid chemisch und mittels Gamma-Strahlung strahlensterilisiert werden. Dieser besonderen Eigenschaften halber ist ein wichtiges Anwendungsgebiet des Kunststoffs der Medizinbereich. Schlagfeste Schlauch- und Rohrmaterialien aus Polyamid 11 sind für hydraulische Bremssysteme zugelassen (DIN 73378/74324); wegen ihrer insgesamt hervorragenden mechanischen Stabilität und chemischen Widerstandsfähigkeit werden sie auch für die Tiefsee-Ölförderung eingesetzt. |
Chemische Eigenschaften Grundbaustein aller Polyamide ist die sog. Peptidbindung:
Sie bildet sich bei der Reaktion einer Aminogruppe mit einer Carboxylgrppe unter Wasseraustritt (Kondensationsreaktion)
Die Peptidbindung ist auch Grundbaustein aller natürlichen Eiweißkörper. Eiweiße werden deshalb auch als Peptide bezeichnet. Aminosäuren mit endständigen Aminogruppen H2N-(CH2)x-COOH, ω-Aminosäuren, reagieren miteinander unter Ausbildung der Peptidbindung, zu Homopolymeren. Ausgangsstoff für PA 11 ist Rizinusöl, das aus den bohnenähnlichen Früchten des Wunderbaums gepresst wird. Es enthält neben anderen Stoffen hauptsächlich das Triglycerid der 12-Hydroxy-9-octadecensäure (Rizinolsäure) H3C(CH2)5-CH(OH)-CH2-CH=CH-(CH2)7-COOH. Diese Omega-9-Hydroxyfettsäure ist über die Doppelbindung und die Hydroylgruppe in der Position 12 chemisch leicht angreifbar, so dass über einen mehrstufigen, chemischen Prozess, der zum Schutz der Carboxylgruppe über den Methylester der Rizinolsäure führt, zu 11-Amino-n-UndecansäureH2N-[CH2]10-COOH (ω-Amino-Undecylsäure) umgesetzt werden kann. Die ω-Amino-Undecylsäure polymerisiert, analog anderer ω-Amino-Carbonsäuren, zu seinem Homopolymeren, dem Polyamid 11 (PA 11). |
Handelsformen PA 11 wird vorwiegend als knick- und stoßfestes Schlauch- und Rohrmaterial angeboten. |
Technische Daten | |
allgemeine Eigenschaften | |
Dichte | 1,04 g / cm3 (ISO 1183) |
Farbe | opak, einfärbbar |
Wasseraufnahme | |
+23 °C, 50 % rel. Luftfeuchte | 0,9 % (ISO 62) |
Sättigung | 1,9 % (ISO 62) |
Sauerstoffindex (LOI) | 22 % (ISO 4589-1/2) |
Brandklasse | V-2 |
thermische Eigenschaften | |
Wärmeleitfähigkeit | 0,33W / K · m (DIN 52 612) |
Schmelztemperatur | +178 bis +184 °C (ISO 11 253) |
Zersetzungstemperatur | +350 °C |
Wärmeformstabilität | |
(0,45 MPa) | +150 °C (ISO 75 HDT/B) |
(1,8 MPa) | +55 °C (ISO 75 HDT/A) |
lin. Wärmeausdehungskoeffizient | 7,2 · 10-5 / K (ISO 11 359) |
max. Einsatztemperatur | |
ständig | +100 °C |
kurzzeitig | +150 °C |
min. Einsatztemperatur | -55 °C |
elektrische Eigenschaften | |
Dielektrizitätskonstante (100 Hz) | 4,0 (IEC 60 250) |
Dielektrizitätskonstante (1 MHz) | 3,0 (IEC 60 250) |
Durchschlagfestigkeit (1mm) | 10 - 40 KV / mm (IEC 60 243-1) |
spezifischer Durchgangswiderstand | 1012 Ω · m (IEC 60 093) |
Oberflächenwiderstand | 1014 Ω (IEC 60093) |
Kriechstromfestigkeit CTI | 600 (IEC 60112) |
mechanische Eigenschaften | |
Shore-Härte D | 72 - 75 (ISO 868) |
IZOD Kerbschlagfestigkeit | 96 J / m |
Streckspannung | 44 MPa (ISO 527) |
Reißdehnung | 320% (DIN 53455) |
Zug-Elastizitätsmodul | 1,5 GPa (ISO 527) |
Gleitreibungskoeffizient (p=0,05N/mm2; v= 0,6 m/s) gegen Stahl, gehärtet und geschliffen |
0,32 - 0,39 |
Gleitreibungsverschleiß (p=0,05N/mm2; v= 0,6 m/s) gegen Stahl, gehärtet und geschliffen |
0,8 μm / km |
chemische Beständigkeit | |
Schmierstoffe, Benzin | beständig |
Fette und Öle | beständig |
aliphatische Kohlenwasserstoffe | beständig |
Alkohole, Ketone | beständig |
cyclische und aromatische Kohlenwasserstoffe | beständig |
halogenierte Lösungsmittel | beständig |
organische Säuren | unbeständig |
Mineralsäuren | unbeständig |
Amine, Ammoniak | bedingt beständig |
Alkalilaugen | unbeständig |
Halogene | unbeständig |
Wasserstoffperoxid | beständig |
Heißdampf | bedingt beständig |
UV-Strahlung | bedingt beständig |
Weiterführende Literatur (1) K. Klare, Geschichte der Chemiefaserforschung, Akademie-Verlag, Berlin-O [1985] (2) A. W. Birley, B. Haworth, T. Batchelor, Physics of Plastics, Carl Hanser Verlag, München [1992], ISBN 3-446-16274-7 (3) L. Bottenbruch, R. Binsack, (Hrsg.), Polyamide, Kunststoffhandbuch Bd. 3/4, Technische Plaste, Carl Hanser Verlag, München [1998], ISBN 3-446-16486-3 (4) J. A. Brydson, Plastic Materials, 7th. Ed., Butterworth-Heinemann Ltd. Oxford [1999], ISBN 0-7506-4132-0 (5) H.-G. Elias, Makromoleküle, 6. Aufl., Verlag Whiley VCH Weinheim [2002], ISBN/EAN 978- 3-527-29959-9 (6) O. Schwarz, F. W. Ebeling (Hrsg.), Kunststoffkunde: Aufbau, Eigenschaften, Verarbeitung, Anwendung der Thermoplaste, Durolaste und Elastomere, 9. Aufl., Vogel Verlag, München [2007], ISBN 3-834-33105-8 |