Glossar
PVDF - Polyvinylidenfluorid (Kynar®, Solef®)
Polyvinylidenfluorid andere Bezeichnungen: Poly(1,1-difluorethen) Kurzzeichen: PVDF CAS-Nr.: 24937-79-9 |
Wichtige Handelsnamen und Markeneigner DYFLOR® PVDF - Evonik |
Geschichtliches Polyvinylidenfluorid wurde Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts von der Pennsalt Corporation, Philadelphia (PA), entwickelt. Als Pennsylvania Salt Manufacturing Company im Jahre 1850 von vier Quaekern gegründet, war die Unternehmung ursprünglich mit der Salzaufbereitung und dem Salzhandel befaßt. Bereits um die Jahrhundertwende produzierte das schnell expandierende Chemie-Unternehmen Natronlauge für die Aluminium- und Papierindustrie und begann mit der Erdölverarbeitung sowie der Produktion von Agrochemikalien. In den 1950er Jahren wandte sich das Unternehmen zielgerichtet der Fluorkohlenwasserstoff-Chemie zu, die in die Entwicklung von Polyvinylidenfluorid (PVDF) mündete. Im Jahre 1960 brachte es den neuen Kunststoff unter dem Handelsnamen KYNAR®PVDF auf den Markt. Durch Ausgliederung von Teilbereichen aus dem sich inzwischen Pennsalt Corporation nennenden Unternehmen wurde im Jahre 2004 die weltweit agierende Arkema Group gegründet, die auch Markeneigner für KYNAR®PVDF, der ersten Handelsmarke für diesen Kunststoff, wurde. |
Allgemeine Beschreibung PVDF ist ein teilkristalliner, weichmacherfreier Thermoplast-Kunststoff. Chemisch gehört er zu den Polyhalogenolefinen. Die technischen Eigenschaften des Kunststoffs unterscheiden sich deutlich von denen anderer fluorhaltiger Kunststoffe. Besonders bemerkenswert sind sowohl die piezoelektrischen Eigenschaften des Kunststoffs, die der japanischen Physiker H. Kawai 1969 entdeckt hat, als auch die von dem japanischen Physiker K. Nakamura mit Y. Wada im Jahre 1971 beschriebenen ferroelektrischen Eigenschaften. |
Verarbeitung Das bei der chemischen Großsynthese anfallende PVDF wird durch Warmverformung, hauptsächlich durch Spritzgießen und Extrudieren, sowohl zu Halbzeugen als auch zu Fertigteilen verarbeitet. Der Kunststoff ist ebenso spanabhebend bearbeitbar, etwa durch Drehen und Fräsen. Er ist schweißbar und eignet sich hervorragend zur Beschichtung von Oberflächen aller Art. Mit Adhäsionsklebstoffen ist er auch verklebbar, wobei eine Primer-Vorbehandlung zweckmäßig ist. |
Verwendung PVDF wird wegen seiner guten chemischen Beständigkeit zum Beschichten von korrosionsgefährdeten Metallteilen eingesetzt. Hierzu gehören insbesondere Rohrauskleidungen in allen Bereichen des Chemieanlagenbaus. PVDF ist auch Hauptbestandteil von witterungsbeständigen und chemikalienfesten Mehrschichten-Lacken. Wegen seiner günstigen physiologischen Eigenschaften kommt PVDF auch in der Lebensmitteltechnik und Medizintechnik zur Anwendung, sowohl als Beschichtungsmaterial für Verpackungen als auch für Schläuche und Dichtungen. PVDF-Schlauchmaterialien sind aus dem chemischen Labor- und Anlagenbetrieb nicht mehr wegzudenken. Neben gewöhnlichen Schläuchen mit einer breiten Palette von Nennweiten gehören dazu auch flexible Spiral- und Wellrohrschläuche. Eine spezielle Ausführung sind Schrumpfschläuche. Hierbei handelt es sich um Schlauchmaterialien, deren molekulare Struktur aufgeweitet ist und die sich beim Erwärmen wieder verengt. Sie werden zum Einbinden und Abdichten von Leitungen aller Art verwendet. Derartige Schrumpfschläuche werden in entsprechenden Dimensionierungen auch im Tief- und Anlagenbau zum Schutz von erdverlegten und wassergefährdeten Strom-Leitungsverbindungen eingesetzt. In biochemischen und medizinischen Laboratorien haben sich PVDF-Membranen als Filtermaterialien bewährt. Sie werden als Bakterienfilter zur Sterilfiltration von Wasser und physiologischen Lösungen verwendet, vor allem aber als inerte Trägermembranen in der medizinischen Diagnostik (Immunblots). In Lithium-Knopfzellen (CR-Zellen) wird PVDF als Binder für das Anodenmaterial, ein Gemisch aus Lithiummetall und einer den Strom leitenden Masse, verwendet. Die piezoelektrischen Eigenschaften von PVDF haben dem Kunststoff schließlich neuere Anwendungen im Bereich der Funkübertragungstechnik und Heimelektronik erschlossen, etwa für Lautsprecher und Mikrofone. |
Chemische Eigenschaften Ausgangsprodukt für die großtechnische PVDF-Synthese ist 1,1,1 Trichlorethan (CH3–CCl3), das mit Fluorwasserstoff (HF) zu 1,1 Difluorethylen (Vinylidenfluorid, CH2═CF2) umgesetzt wird. Dieses gasförmige Monomere (Siedepunkt -84 °C), das mit Luft hochexplosive Gasgemische bildet, wird in wässeriger Lösung bei höherer Temperatur und unter Druck radikalisch zu Polyvinylidenfluorid polymerisiert. Je nach den vorgewählten Bedingungen bei der Polymerisation werden unterschiedliche PVDF-Qualitäten gewonnen. Die “Asymmetrie“ des Grundmoleküls, bedingt durch die beiden nicht Fluor-substituierten Wasserstoffatome am “ersten“ der zwei Kohlenstoffatome (siehe Formelbild), ist für die spezifischen, elektrischen Eigenschaften des PVDF bestimmend. PVDF ist weichmacherfrei und physiologisch unbedenklich. Der thermoplastische Kunststoff ist nicht selbstbrennend, zersetzt sich jedoch bei höheren Temperaturen, wie Überhitzungen wie im Brandfall, unter Freisetzung giftiger und ätzender Brandgase, die Kohlenmonoxid, Fluorwasserstoff sowie niedermolekulare Fluorkohlenwasserstoffe enthalten. Aufgrund seiner hohen chemischen Stabilität verrottet PVDF nicht. Daher sind PVDF-Rest- und Abfallstoffe auf Abfalldeponien zwar nicht unmittelbar problematisch, sie sollten aber nach Möglichkeit in Recyclings einbezogen werden, weil das Langzeitverhalten von PVDF wie auch anderer fluorierter Kunststoffe unter den in Deponiekörpern herrschenden Bedingungen noch weitgehend unbekannt ist. Probleme bereitet jedoch die Aufbereitung von PVDF-beschichteten Metallen. Wegen der beim Einschmelzen freiwerdenden gasförmigen Giftstoffe sind dafür speziell ausgerüstete Anlagen nötig. |
Handelsformen Durch Heißverformung wird PVDF sowohl zu Halbzeugen in unterschiedlichsten Dimensionierungen und Formen, wie Platten, Profil- und Hohlstäben sowie Rohren und Schläuchen verarbeitet, als auch zu Serien-Formteilen. PVDF-Modifikationen enthalten Füllstoffe, wie Glasfasern, die die Verschleißfestigkeit verbessern. |
Technische Daten | |
allgemeine Eigenschaften | |
Dichte | 1,77-1,83 g/cm3 (DIN 53479) |
Farbe | weiß-opak |
Wasseraufnahme | |
in Atmosphäre +23 °C/50% rel. Feuchte | 0,01% (ISO 62) |
in Wasser +23 °C/Wassersättigung | 0,04 % (ISO 62) |
LOI-Index | 39 % |
Brandklasse UL 94 | V-0 (DIN IEC 60695-11-10) |
thermische Eigenschaften | |
Wärmeleitfähigkeit | 0,19 W/K · m |
Schmelztemperatur | +172 bis +174 °C (ISO 11357-1/3) |
Zersetzungstemperatur | > +375 °C |
Wärmeformbeständigkeit | +115 °C [1,8 MPa] (ISO 75 HDT/A) +148 °C [0,45 MPa] (ISO 75 HDT/B) |
linearer Wärmeausdehnungskoeffizient | 1,3 · 10-4 / K (ISO 11359) |
maximale Einsatztemperatur | |
kurzzeitig | +160 °C |
dauerhaft | +150 °C |
minimale Einsatztemperatur | -30 °C |
elektrische Eigenschaften | |
Dielektrizitätskonstante (50 Hz) | 8,4 (IEC 60250) |
Dielektrizitätskonstante (1 MHz) | 6,4 (IEC 60250) |
Dielektrischer Verlustfaktor (50 Hz) | 4,9 · 10-2 (IEC 60250) |
Dielektrischer Verlustfaktor (1 MHz) | 1,7 · 10-1 (IEC 60250) |
Durchschlagfestigkeit | 40 kV / mm (IEC 60243-1) |
spezifischer Durchgangswiderstand | 1014 Ω / m(IEC 60093) |
spezifischer Oberflächenwiderstand | 1014 Ω / cm2 (IEC 60093) |
Comparative Tracking Index (CTI/Kriechstromfestigkeit) | 600 (IEC 60112) |
mechanische Eigenschaften | |
Shore-Härte (D) | 78 (ISO 868) |
Kugeldruckhärte | 95 MPa(ISO 2029-1) |
Kerbschlagarbeit (+23 °C) | 8,0 kJ / m2 (ISO 180/1A) |
Charpy- Kerbschlagzähigkeit | 7,6 kJ / m2 (ISO 179/1eA) |
Zugelastizitätsmodul | 2,5 GPa (ISO 527-1/2) |
Reißdehnung | 20 % (ISO 527) |
Zugfestigkeit | 40 MPa (ISO 527) |
Streckspannung | 59 MPa (ISO 527) |
chemische Beständigkeit | |
Benzin und andere aliphatische Kohlenwasserstoffe | beständig |
Benzol, Xylol und andere aromatische Kohlenwasserstoffe | wenig beständig |
Phenole | wenig beständig |
halogenierte Lösungsmittel | beständig |
Ester, Ketone | unbeständig |
Natron- und Kalilauge | unbeständig |
Ammoniaklösung und aliphatische Amine | beständig |
Anillin | beständig |
Pyridin | unbeständig |
Mineralsäuren | beständig |
organische Säuren | beständig |
Wasserstoffperoxid | beständig |
Heißwasser | beständig |
UV-Strahlung | beständig |
Weiterführende Literatur (1) H. Kawai, Piecoelectricity of poly(vinylindene fluoride), Japanes. Journal of Applied Physics 8(7) [1969] (2) L. F. Trueb, P. Rüetschi, Batterien und Akkumulatoren - Mobile Energiequellen für heute und morgen. Springer-Verlag Berlin [1998], ISBN 3-540-62997-1 (3) Q. M Zhang, V. Bharti, G. Kavarnos, M. Schwartz (Hrsg.), Poly(vinylidenfluorid (PVDF) und seine Copolymere" in: Encyclopedia of Smart Materials, Volumes 1-2 , John Wiley & Sons [2002], ISBN 9-780-471216-27-8 (4) K. Nakamura, Y. Wada, Piezoelectricity, Pyroelectricity, and the Electrostriction Constant of Poly(vinylidenefluoride), Polymer Physics 9(1) [2009] (5) R. C. G. Naber et al., Organic Nonvolatible Memory Devices Based on Ferro-Electricity, Advanced Materials 22 (9) [2010] |