Glossar
PI - Polyimid (Vespel®, Kapton®)
Polyimid andere Bezeichnungen: Poly-Imidharz, Vespel® Kurzzeichen: PI CAS-Nr.: 62929-02-6 |
Wichtige Handelsnamen und Markeneigner APICAL® - Kaneka Americas Holding Inc. |
Geschichtliches Polyimide umfassen eine Gruppe von heterocyclischen Polymeren, die in neuerer Zeit als Hochleistungskunststoffe erhebliche wirtschaftliche und technische Bedeutung erlangt haben. Bereits im Jahre 1908 wurde von T. M. Bogert und R. R. Renshaw ein Polyimid dargestellt (J. Am.Chem. Soc. 30, 1135 [1908]), doch kam diesem Polymeren keine praktische Bedeutung zu. Erst zu Anfang der 1950er Jahre, als in Amerika der Kunststoffboom einsetzte, rückten Polyimide in das Interesse der chemischen Industrie-Forschung. Das weltweit erste, technisch verwertbare Polyimid stellten W. M. Edwards und I. M. Robertson in Amerika bei E. I. du Pont de Nemours and Company (DuPont) vor, das 1955 patentiert wurde (US-Pat. 2.710.853 und US-Pat. 2.712.543 ). Zur gleichen Zeit nahm DuPont die Produktion dieses neuen Kunststoffs auf, der unter dem Markennamen Vespel® auf den Markt kam. Später kam für Polyimid-Folien von DuPont der Markenname Kapton® hinzu. Inzwischen ist der Markenname Vespel® zum Synonym für Polyimide geworden. Die Entwicklung des Kunststoffs wurde vor allem in Amerika von DuPont vorangetrieben und dürfte wegen der hohen Strahlenresistenz, thermischen Stabilität und mechanischen Festigkeit der Polyimide gegenüber allen anderen, bis dahin bekannten Kunststoffen durch das zu jener Zeit vorbereitete Apollo- Raumfahrtprogramm der NASA (1961-1972) maßgeblich mit befördert worden sein. Die Weltraumtauglichkeit von Polyimid wurde ausgiebig während der Apollo-Mission 11 mit dem ersten bemannten Flug zum Mond (21. - 24.7.1969) getestet. Die heute von verschiedenen anderen Herstellern angebotenen Polyimide weisen nur marginale Unterschiede zu Vespel® auf, da ihnen ähnliche Grundverbindungen und Produktionsverfahren zugrunde liegen. |
Allgemeine Beschreibung Polyimid (PI) ist ein honigbraun durchgefärbter, nicht schmelzbarer Duroplast-Kunststoff, der dauerhaft thermisch als auch extrem mechanisch belastbar ist. Die Temperaturfestigkeit wird durch aromatische Baugruppen erreicht. Polyimid ist frei von Weichmachern und ausgasungsarm, nicht brennbar und gegenüber vielen Chemikalien beständig. Polyimid-Werkteile sind außerordentlich dimensionsstabil und verschleißfest. Im Gegensatz zu vielen anderen Kunststoffen zeichnet sich Polyimid durch hohe Langzeit-Resistenz sowohl gegenüber UV- als auch radioaktiver Strahlung aus. |
Verarbeitung Da Polyimid nicht schmilzt, sind thermische Formgebungsverfahren nicht geeignet. Um den Kunststoff dennoch auf direktem Weg in bestimmte Ausformungen zu bringen, bedient man sich des technischen Kunstgriffs, die polymere, noch lösliche und lackartige Vorstufe, die sog. Polyamidsäure, in entsprechende Formen einzubringen und darin bei höheren Temperaturen aushärten, d.h. zu Ende polymerisieren zu lassen. Auf diese Weise werden PI-Schläuche und -Folien hergestellt, aber auch technische Formteile. Hauptsächlich wird Polyimid jedoch durch Presssintern (hot compression moulding) von Polyimid-Pulver, wie P-84® (Evonik), zu Halbzeugen oder Formteilen verarbeitet. Kompaktes Polyimid kann spanabhebend bearbeitet werden, wie Fräsen, Bohren, Hobeln oder Drehen. Dabei ist wegen der thermischen Stabilität des Kunststoffs das “Verschmieren“ der Werkzeuge nahezu ausgeschlossen. Polyimid lässt sich auch verkleben. Hierfür sind Kleber auf Cyanacrylatbasis sowie Zweikomponeten-Epoxydharzkleber geeignet. |
Verwendung Polyamidsäure in aprotischen Lösungsmittelformulierungen werden als Einbrennlack zum Oberflächenschutz korrosionsgefährdeter Bauteile, als Klebstoff sowie zur wasserfesten, spannungsfesten Lack-Isolierung von Spulendrähten, elektrischen Leitungen, Leiterplatten und anderen Elektrobauteilen verwendet. Aufgrund der hohen Flexibilität des Kunststoffs und seiner Dimensionsstabilität in einem weiten Temperaturbereich sind solche Überzüge auch mechanisch sehr stabil. Da die Polyamidsäure jedoch stark sauer und somit korrosiv ist, wird entweder deren Imidisierungsgrad vor der Endverarbeitung möglichst weit getrieben, so dass das Produkt noch bearbeitbar ist, oder es werden andere Kunststoffe zu sog. Blends beigemischt, die thermische Formgebungsverfahren ermöglichen (hierzu siehe u.a. Patentschriften DE 69705048 T und DE 69702867 T). Kompaktes Polyimid, meist durch Presssintern hergestellt, findet als dauerbelastbare und wartungsfreie Lager, Buchsen und Dichtungen zahlreiche Anwendungen. Da der Kunststoff kaum ausgast, sind Konstruktionselemente aus Polyimid auch für den Hochvakuumbereich exzellent geeignet. Wegen seiner guten Strahlenresistenz ist Polyimid eine preisgünstige und zudem berylliumfreie, ungiftige Alternative für Strahlenaustrittsfenster in kerntechnischen Bestahlungsanlagen und Röntgenapparaturen. In chemischen, biochemischen und medizinischen Präzisions-Analysengeräten werden langlebige Polyimid-Schlauchmaterialien, vor allem PI-Kapillarschläuche, zur kontaminationsfreien Förderung von Lösungen und Reagenzien fest verbaut. Polyimid-Fasermaterialien werden schließlich in Kohlekraftwerken sowie in Müllverbrennungs- und Heizungsanlagen als Heißgasfilter eingesetzt. |
Chemische Eigenschaften Charakteristisch für alle Polyimide ist das Strukturelement
die Imidgruppe. Bei den als Kunststoffe verwertbaren Polyimiden bildet sich die Imidgruppe bei der Umsetzung von aromatischen Tetracarbonsäure-Dianhydriden mit p-Diaminen oder 4,4‘-Diaminen und führt über eine einfache Polykondensationsreaktion zu langkettigen Makromolekülen, wie im folgenden Formelschema angedeutet:
Die übliche, großtechnische Polyimid-Synthese geht, wie im obigen Formelbild dargestellt, von 1,2,4,5-Benzol-tetracarbonsäure-dianhydrid (Pyromellitsäure-dianhydrid) aus, das mit 4,4‘ Diamino-diphenylether
als Diamin-Komponente zu Vespel®, dem Polyimid schlechthin, umgesetzt wird:
Polyimidharz (Vespel®) Unter Beibehaltung dieses Syntheseprinzips, die Poly-Kondensation eines Säure-Dianhydrids mit einem p-Diamin, sind durch Änderungen der Ausgangsprodukte zahlreiche Produktvarianten entstanden und auf den Markt gekommen. Hierzu zählt u.a. Poly-Bismaleinimid (PBMI), dessen Monomeres (BMI), das Kondensationsationsprodukt aus Maleinsäureanhydrid und p-Diaminen, über die endständigen Doppelbindungen zu homopolymeren Poly-Bismaleinimid (PBMI) polymerisiert. Wird die Polymerisation vor den intramolekularen Ringschluss zum Polyimid-Harz unterbrochen, wird die Polyamidsäure (Polyamidodicarbonsäure) gewonnen, wie im folgenden Formelbild angedeutet:
Polyamidsäure (Polyamidodicarbonsäure) Die Polyamidsäure kondensiert bei höheren Temperaturen weiter zu Polyimid-Harz. Polyimid-haltige Abfälle und -Rückstände können grundsätzlich recycelt werden, aufgrund des hohen Energiegehaltes von Polyimid ist jedoch die Verbrennung in speziellen Anlagen, die mit säurebindenden Gaswaschanlagen ausgerüstet sind, rentabler. Das Verbringen von Kunststoffen und somit auch von Polyimid-Abfällen und Polyimid-Reststoffen auf Deponien sollte vermieden werden, weil Kunststoffe nicht verrotten und ihr Langzeitverhalten in Deponiekörpern noch weitgehend unbekannt ist. |
Handelsformen In aprtotischen Lösungsmitteln gelöst wird Polyamidsäure für die Erzeugung von Polyimid-Überzügen gehandelt. Polyimid ist als Pulver verfügbar, das für die Weiterverarbeitung zu handelsüblichen Halbzeugen und technischen Formteilen verwendet wird. Ebenso sind Folien und Schläuche handelsüblich. |
Technische Daten (Vespel®) | |
allgemeine Eigenschaften | |
Dichte | 1,43 g / cm3 (ISO 1183) |
Farbe | braun, durchscheinend |
Wasseraufnahme | |
+23 °C, 50 % rel. Luftfeuchte | 0,24 % (ASTM 570) |
Sättigung in Wasser (+23 °C) | 1,0 - 1,3 % (ASTM 570) |
Sauerstoffindex (LOI) | 53 % (ASTM D 2863) |
Brandklasse (UL 94) | V-0 |
thermische Eigenschaften | |
Formbeständigkeitstemperatur | |
bei 2 MPa | ~ +360 °C (ASTM D 648) |
Wärmeleitfähigkeit | 0,35 W / m ∙ K (DIN 52612) |
Längenausdehnungskoeffizient | |
-62 °C bis +23 °C | 45 μm / m / K (ASTM D 696) |
+23 °C bis +260 °C | 54 μm / m / K (ASTM D 696) |
spez. Wärmekapazität | 1,13 kJ / K ∙ kg |
max. Einsatztemperatur | |
kurzzeitig | +400 °C |
ständig | +240 °C |
min. Einsatztemperatur | -240 °C |
elektrische Eigenschaften | |
spez. Durchgangswiderstand | 1014 - 1015 Ω ∙ m (ASTM D 257) |
spez. Oberflächenwiderstand | 1015 -1016 Ω / cm2 (ASTM D 257) |
Dielektrizitätskonstante | |
100 Hz | 3,6 (ASTM D 150) |
1 MHz | 3,55 (ASTM D 150) |
Dielektrischer Verlustfaktor | |
100 Hz | 1,8 ∙ 10-3 (ASTM D 150) |
1 MHz | 3,4 ∙ 10-3 (ASTM D 150) |
el. Durchschlagfestigkeit | 22 kV / mm (ASTM D 149) |
Kriechstromfestigkeit CTI | 112 |
mechanische Eigenschaften | |
Zugfestigkeit | 86,2 N / mm2 (ASTM D 638M) |
Bruchdehnung | +7,5 % (ASTM D 1708) |
Reibungskoeffizient (bei PV = 0,875 MPa ∙ m/s) | 0,29 |
IZOD-Kerbschlagzähigkeit | 42,7 J / m (ASTM D 256) |
IZOD-Schlagzähigkeit | 747 J / m (ASTM D 256) |
Scherfestigkeit | 89,6 MPa (ASTM D 732) |
CHARPY-Schlagzähigkeit | 3,5 kJ / m2 (ISO 179-1eA) |
chemische Beständigkeit | |
Aceton | beständig |
Methanol, Ethanol (96%) | beständig |
höhere Alkohole | beständig |
Alkalilaugen, Amine | unbeständig |
Ammoniak-Lösung und -Gas | unbeständig |
Aldehyde | beständig |
Ester, Ketone | beständig |
Benzin und andere aliphatische Kohlenwasserstoffe | beständig |
Benzol, Xylol, Toluol und andere aromatische Kohlenwasserstoffe | beständig |
Formaldehydlösung | beständig |
Hydrazin | unbeständig |
halogenierte Lösungsmittel | beständig |
konzentrierte Mineralsäuren | unbeständig |
verdünnte Mineralsäuren | bedingt beständig |
UV- und radioaktive Strahlung | beständig |
Heißwasser und Wasserdampf | bedingt beständig |
Weiterführende Literatur (1) K. L. Mittal (Ed.), Polyimides Synthesis, Characterization and Applications, Plenum Press, New York [1984] (2) M. J. M. Abade, B. Sillion (Eds.), Polyimide and other High Temperature Polymers, Elsevier, New York [1991] (3) M. K. Ghosh, K. L. Mittal (Eds.), Polyimides, Fundamentals and Applications, Marcel Dekker, New York [1996] (4) NN, VESPEL®-Konstruktionshandbuch, DuPont H-53668-2 [2002] (5) K. L. Mittal (Ed.), Polyimides and other High Temperature Polymers, CRC Press, Boca Raton [2005], ISBN 978-9-06-764422-8 |