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Glossar

ECTFE - Ethylen-Chlortrifluorethylen (Kel-F®)

chem-Formel-ECTFE-1Ethylen-Chlortrifluorethylen

andere Bezeichnungen:  Ethylen-Trifluorchlorethylen; Ethylen-Chlortrifluorethylen-Copolymer; Poly(Ethen-Co-Chlortrifluorethen)

Kurzzeichen:  ECTFE

CAS-Nr.: 25101-45-5

 

Wichtige Handelsnamen und Markeneigner

HALAR®ECTFE - Solvay Solexis SpA

 

Geschichtliches

Der Kunststoff Ethylen-Chlortrifluorethylen (ECTFE) ist eins der Resultate systematischer Fluorcarbonchemie-Forschung, die bereits in den 1920er Jahren begann und deren erstes technisch verwertbares Produkt das 1938 von dem Amerikaner Roy J. Punklett (1910-1994) entwickelte Polytetrafluorethylen (PTFE) war. In der Folgezeit brachte die chemische Industrie weitere Polymere auf der Basis von Fluorcarbonen hervor. Ethylen-Chortrifluorethylen (ECTFE) ist eine Entwicklung von Solvay. Das Produkt kam erst 1970 auf den Markt und ist trotz seiner günstigen chemischen und technischen Eigenschaften ein bislang nur selten eingesetzter Kunststoff geblieben.
Der Ursprung des heute weltweit operierenden Solvay-Konzerns, die Solvay International Chemical Group mit ihrer Kunststoffsparte, geht auf den belgischen Chemiker und Unternehmer Ernest Gaston Joseph Solvay (1838-1922) zurück, der 1863 in der wallonischen Kleinstadt Couillet die chemische Fabrik Solvay & Cie gründete. Hier realisierte er sein 1861 der Öffentlichkeit vorgestelltes Ammoniak-Soda-Verfahren zur wirtschaftlichen Gewinnung von Soda (Natriumcarbonat), einem der unverzichtbaren Ausgangsstoffe für die Glasherstellung. Das später nach ihm benannte und bis heute in nahezu ursprünglicher Weise noch immer angewandte Solvay-Verfahren löste das bis dahin gängige, zweistufige Leblanc-Verfahren für die Sodagewinnung ab.

 

Allgemeine Beschreibung

ECTFE ist ein linear aufgebautes, sogenanntes Block-Copolymer. Es setzt sich aus den beiden, jeweils zu Kettensegmenten verbundenen Molekülblöcken der Ausgangskomponenten Ethylen H2C=CH2 (Ethen) und Chlortrifluorethylen (Chlortrifluorethen) (Cl)FC=CF2 zusammen. Die allgemein gebräuchliche Stoffbezeichnung Ethylen-Chlortrifluorethylen statt Poly(ethen-co-chlortrifluorethen) wie auch das davon abgeleitete technische Kürzel ECTFE sind allerdings chemisch nicht korrekt. 

Üblicherweise enthält Poly(Ethen-Co-Chlortrifluorethen) beide Ausgangsmonomere Ethylen und Chlortifluoretylen in gleichen molaren Mengen, so dass, wie im Formelbild des Copolymeren angedeutet, m = n ist:

chem-Formel-ECTFE-2

Aber auch andere Produktvarianten, bei denen m ≠ n ist, werden realisiert. 

 

Verarbeitung und Verwendung

ECTFE ist ein thermoplastischer, schlagzäher Werkstoff, der schmilzt, ohne sich dabei zu zersetzen. Der hochwertige Industriewerkstoff ist frei von Zusatzstoffen, wie Weichmachern und Füllstoffen. Er laugt daher auch nicht aus und ist physiologisch unbedenklich. Zudem ist er im hohen Maße UV- und witterungsbeständig, widersteht auch hochenergetischer (radioaktiver) Strahlung und altert nicht.
ECTFE ist ein hervorragender Beschichtungswerkstoff für Metalloberflächen. ECTFE-Beschichtungen sind glatt, porenfrei und abriebfest und gegenüber Chemikalien außerordentlich beständig. Gleiches gilt auch für ECTFE-Folien. Hinzu kommt eine gegenüber vielen anderen Beschichtungsstoffen erheblich geringere Permeabilität für korrosionsfördernde Gase, wie Sauerstoff, Chlorwasserstoff und Chlor. Damit ist ECTFE ein nahezu idealer Werkstoff für dauerhaft stabile Schutzüberzüge im Elektro-, Maschinen-, Behälter- und Chemieanlagenbau sowie für kerntechnische Ausrüstungen. Ebenso ist ECTFE auch hervorragend zur Auskleidung von Rohren in Anlagen zur Förderung von bioaktiven Lösungen und anderen flüssigen Medien in Bereichen der Pharma- und Lebensmittelindustrie und für Reinstgas- und Reinstwasser-Leitungen in der Medizintechnik und Halbleiterindustrie geeignet.
Schließlich kann ECTFE anstelle von Glas vorteilhaft zur Fertigung von leichten, bioinerten Laborartikeln und Behältnissen für Arbeiten mit medizinischen und genaktiven Proben und Materialien eingesetzt werden. Gängig sind bruchsichere Lagerflaschen, Laborbecher (Becher-Gläser), Petrischalen, Uhr- und Abdeck-“Gläschen“ und andere viel gebrauchte Labor-Hilfsmittel. Wegen der guten chemischen Beständigkeit von ECTFE sowie seiner beträchtlichen Temperatur- und Strahlungsstabilität können solche Artikel ebenso wie auch ECTFE-beschichtete Rohre und Oberflächen sowohl mit üblichen chemischen Mitteln, wie Wasserstoffperoxid oder Peressigsäure, als auch mit Wasserdampf bei +121 °C oder mittels UV-Strahlung sterilisiert werden.

 

Chemische Eigenschaften

Ethylen-Chlortrifluorethylen (ECTFE) steht chemisch dem Ethylen-Tetrafluorethylen (ETFE) sehr nahe. Es unterscheidet sich von ihm lediglich durch die Substitution eines der drei Fluoratome durch Chlor, wie mit nachstehendem Schema andeutet sein soll:

chem-Formel-ECTFE-3

ECTFE ist, wie auch ETFE, gegenüber Alkoholen, aromatischen Kohlenwasserstoffen, Fetten und Ölen, Laugen und Säuren beständig. Lediglich freie Halogene greifen ECTFE reaktiv an. Alkalimetalle zerstören ECTFE wie auch alle anderen, halogenhaltigen Kunststoffe durch spontane chemische Halogenbindung vollständig. Der Sauerstoffindex LOI (limiting oxygen index) ist für ECTFE noch erheblich größer, als für ETFE, die beide in Luft nicht entflammbar sind. 
Deutlicher werden durch die Fluor-Chlor-Substitution die physikalischen Eigenschaften beeinflusst, weil Chlor einen wesentlich größeren Atomradius aufweist, als Fluor und daher die Molekülstruktur aufweitet. Die Folgen davon sind beispielsweise die merklich niedrigere Schmelztemperatur von ECTFE gegenüber ETFE und seine geringere Härte.

 

Handelsform

ECTFE wird als hochreines Schmelzgranulat oder als Pulver für die Weiterverarbeitung durch typische Kunststoff-Verarbeitungsverfahren, wie Rotationsformen oder Spritzgießen gehandelt.

 

Technische Daten  
allgemeine Eigenschaften  
Farbe weiß
spez. Gewicht  1,70 bis 1,74 g / cm3 (DIN 53479)
UV-Durchlässigkeit  
< 300 nm > 90 %
<200 nm > 99 %
Feuchtigkeitsaufnahme 
(+23 °C; 50% rel. Feuchte) 
4 x 10-2 % (DIN 53175)
   
thermische Eigenschaften   
Schmelzpunkt  +220 °C bis +227 °C 
thermischer Arbeitsbereich -75 °C bis +150 °C
max. Dauereinsatztemperatur +140 °C
linearer Wärmeausdehnungskoeffizient 8 x 10-5 / °C
Sauerstoffindex (LOI) > 52 %
Einstufung nach UL 94 V-0 (ISO 9772/9773)
   
elektrische Eigenschaften  
Dieelektrizitätskonstante (1 MHz) 2,3 bis 2,6 (DIN 53483)
Verlustfaktor (1 MHz) 1,5 x 10-2
elektrische Durchschlagfestigkeit 14,5 kV / mm
spez. Durchgangswiderstand > 1013 Ω / cm
spez. Oberflächen-Widerstand > 1014 Ω / cm-2
   
mechanische Eigenschaften  
Kugeldruck-Härte 65 MPa (DIN 53456)
Shore-Härte D 55 (ASTM D 2240)
Elastzitätsmodul 1,5 x 103 MPa (DIN 53457)
Zugfestigkeit 48 MPa (DIN 53455)
Bruchdehnung > 50 % (DIN 53455)
dynamischer Reibungskoeffizient 0,35 - 0,45 (ISO 7148-2)
   
chemische Beständigkeit   
Benzin und andere aliphatische Kohlenwasserstoffe beständig
Benzol, Xylol und andere aromatische Kohlenwasserstoffe beständig
Phenole  beständig
halogenierte Lösungsmittel beständig 
Ester, Ketone beständig
Natron- und Kalilauge beständig
Ammoniaklösung und aliphatische Amine  beständig
Mineralsäuren  beständig
organische Säuren beständig
Wasserstoffperoxid  beständig
Heißwasser  beständig
UV-Strahlung beständig
Halogene  unbeständig
freie Alkalimetalle völlige Zersetzung

 

Weiterführende Literatur

(1) H. Fitz in: W. Keim (Hrsg.) Kunststoffe. Synthese, Herstellungsverfahren, Apparaturen (4.5: Fluorpolymere), WILEY-VCH Verlag [2006], ISBN 978-3-5276-0836-2

(2) J. G. Drobny, Techology of Fluoropolymers, CRC Press [2009], ISBN 978-1-4200-6817-2

(3) S. Ebnesajjid, Fluoroplastics, Vol. 2: Melt Processible Fluoropolymers, Elsevier Inc. [2014], ISBN 978-1-4557-3197-8

(4) S. Koltzenburg, M. Maskus, O. Nuyken, Block- und Pfropfpolymere. In: Polymere - Synthese, Eigenschaften und Anwendungen. Springer Verlag [2014], ISBN 978-3-642-34772-6