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Glossar

Aramide

chem-Formel-ARAMIDE-1568e568985d91Aramide

andere Bezeichnungen:  aromatische Polyamide

Kurzzeichen:  -

CAS-Nr.: 24938-64-5; 25765-47-3

 

Wichtige Handelsnamen und Markeneigner

KEVLAR® - DuPont

NOMEX® - DuPont

TECHNORA® -Teijin Ltd.

TWARON® - Teijin Aramid BV

 

Geschichtliches

Aramide ist ein von der US-amerikanischen Federal Trade Commission (FTC) eingeführtes Kurzwort für aromatic amides, mit dem eine spezielle Gruppe von wirtschaftlich und militärtechnisch bedeutsamen Polyamiden bezeichnet wird. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften dieses High-Tech-Kunststoffs heben sich wegen des aromatischen Molekülaufbaus deutlich von denen aliphatischer Polyamide (Perlon®, Nylon®) ab.

Die Entwicklung der aromatischen Polyamide begann in den 1960er Jahren bei DuPont. Hier konnte die amerikanische Chemikerin Stephanie Louise Kwolek (*1923) im Jahre 1965 unter den Namen Kevlar® das erste industriell nutzbare Aramid vorstellen, gemäß ihrer Patentschrift ein vollaromatisches, carbocyclisches Polycarbinamid. Das US-Patent wurde 1974 unter No. 3.819.578 erteilt.

Kevlar® wird seit den 1970er Jahren von DuPont produziert. Das von DuPont ebenfalls produzierte Nomex® ist eine strukturell unterschiedliche Variante zu Kevlar® mit ähnlichen chemischen, jedoch erkennbar unterschiedlichen physikalisch-technischen Eigenschaften.

Während der 1970er Jahre entwickelte die holländische Azko Nobel (heute Teijin Aramid BV) unter dem Namen Twaron® ein mit Kevlar® vergleichbares Aramiddas seit 1986 weltweit produziert wird.

 

Allgemeine Beschreibung

Aramide sind aromatische Polyamide. Sie sind goldgelb gefärbt, hochkristallin, praktisch nicht schmelzbar und in üblichen Lösungsmitteln unlöslich. Sie zeichnen sich durch eine besonders hohe Festigkeit und Elastizität aus. Bemerkenswert ist der negative Wärmeausdehnungskoeffizient dieser Kunststoffgruppe, der beim Erwärmen ein messbares Schrumpfen bewirkt.

Gemäß der allgemein anerkannten Definition der amerikanischen Federal Trade Commission, die insbesondere der millitärtechnischen Nutzung des Kunststoffs Rechnung trägt, werden als Aramide nur solche Polyamide bezeichnet, bei denen wenigstens 85% der Amidgruppen an zwei aromatische Ringe gebunden sind. Mit dieser Definition wird ausgeschlossen, dass Mischpolymerisate mit aliphatischen Polyamiden und damit geringeren Anteilen an Aromaten, die prinzipiell in jedem Verhältnis denkbar sind, deren generellen Eigenschaften dann aber nicht mehr denen der Aramide entsprechen, zum Einsatz gelangen.

 

Verarbeitung

Aramide beginnen sich bereits vor dem Erreichen ihrer Erweichungstemperaturen, durch Verkokung zu zersetzen. Damit entfallen für die Verarbeitung von Aramiden alle thermischen Formgebungsverfahren, die formal auch nicht zu den Thermoplasten gehören.

Aramide werden als Fasern aus der Lösung gesponnen und nach sich anschließendem mechanischem Recken zu Garnen und weiter zu Geflechten (flat braids), Gewirken (wie Nomex® Delta B/DuPont) und Vliesstoffen (wie Sonatra®/DuPont) verarbeitet.

Durch Kalandrieren von Vliesstoffen und anderem nicht gewebten Material (non woven materials) werden temperaturfeste Folien und Platten hergestellt; Folien werden außerdem auch aus der Lösung gezogen.

Wegen der hohen Wasseraufnahmefähigkeit müssen Aramid-Fasern vor der Weiterverarbeitung in Warmluft bei 120 °C getrocknet werden. Alle Erzeugnisse aus Aramiden sind sehr viel leichter als Stahl, jedoch gewichtsbezogen um vieles fester. Aufgrund dessen sind zum Formschneiden herkömmliche Werkzeuge ungeeignet.

 

Verwendung

Aramid-Fasermaterialien sind, nachdem ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit festgestellt worden ist, ein nahezu idealer Ersatz für Asbest, z.B. in Bremsbelägen und für Industrie-Filtermassen, dessen Herstellung und Verwendung seit 1995 in Deutschland generell untersagt ist. Im Bereich der Elektroindustrie werden Aramid-“Papier“-Folien als thermostabiles, unbrennbares Isoliermaterial eingesetzt, z.B. im Transformatorenbau.

Die Hauptmenge der weltweit in einer Menge von etwa 55.000 t (Angabe für 2007) produzierten Aramide wird jedoch im Militärbereich verbraucht. Aramid-Gewebe wie auch Vliese werden für Einlagen in schusssicheren Westen und Kampfanzügen sowie als Thermoisolierung in Raumfahrt- und Feuerschutzanzügen verwendet. Besonders hitzestabil sind 60:40-Fasergemische aus Kevlar® und Nomex® (Advance®/Southern Mills, USA), die sogar Temperaturen von mehr als  +500 °C widerstehen sollen. Darüber hinaus werden Aramid-Fasern in Verbundwerkstoffen (Faser-Kunstsoff-Verbunde, FKV) eingesetzt, etwa für kugelsichere Fahrzeugkarossen und Flugzeugverkleidungen, für Triebwerksgehäuse, Kampfhelme und -schutzmasken sowie als gewichtsmindernder Austausch für Stahleinlagen in Reifen.

 

Chemische Eigenschaften

Grundbaustein aller Polyamide und damit auch der Aramide ist die Peptidbindung:

chem-Formel-ARAMIDE-2-Peptidbindung568e5ac9bc92f

Sie bildet sich bei der Reaktion einer Aminogruppe mit einer Carboxylgrppe unter Wasseraustritt (Kondensationsreaktion)

chem-Formel-ARAMIDE-3-Aminogruppe-Carboxylgruppe568e595529415

Die Polymerenbildung wird durch die Bifunktionalität der beiden Komponenten erreicht, einem aromatisches Diamin und einer aromatische Dicarbonsäure. Insofern ist die Synthese von Aramiden mit der von Nylon® vergleichbar (siehe dort), wo ebenfalls ein Diamin mit einer Dicarbonsäure umgesetzt wird.

Der chemische Aufbau der Aramide entspricht dem nachstehenden Formelschema:

chem-Formel-ARAMIDE-1568e568985d91

Es lässt die unterschiedlichen Verknüpfungsmöglichkeiten der aromatischen Brücken im Makromolekül offen. Die Verknüpfungen können in meta- oder para-Stellung (1,3-Stellung oder 1,4-Stellung) erfolgen, die ortho-Stellung (1,2-Stellung) ist sterisch ausgeschlossen. Bindeglieder sind, wie bei allen Polyamiden, Amidgruppen (Peptidbindungen).

Die qualitativen Unterschiede zwischen den verschiedenen Aramid-Typen resultieren hauptsächlich aus den beiden peptidischen Anknüpfungsmöglichkeiten. Bei Nomex® (Poly[m-phenylen-isophthalamid]) stehen die Peptidbindungen in 1,3-Stellung zueinander (m-Aramid), bei Keflar® (Poly[p-phenylen-terephthalamid]) in 1,4-Stellung (p-Aramid).

Bei der großtechnischen Synthese werden statt aromatischer Dicarbonsäuren die entsprechenden, reaktiveren Dicarbonsäurdichloride eingesetzt, wobei Chlorwasserstoff (HCl) freigesetzt wird.

Im folgenden Formelbild ist die Aramid-Synthese am Beispiel der Darstellung von Kevlar® schematisch gezeigt:

chem-Formel-ARAMIDE-4-Aramidsynthese568e59563f5bd
Aramide zeichnen sich generell durch geringes Wärmeleitvermögen und hohe Temperaturstabilität aus, die +400 °C und mehr erreicht, ohne zu schmelzen; für das bereits erwähnte Kevlar®-Nomex®-Fasergemisch der US-Firma Southern Mills wird sogar eine Thermostabilität von +560 °C genannt. Hinzu kommt eine außerordentliche mechanische Stabilität, wie Schlagzähigkeit und Reißfestigkeit. Diese Eigenschaften werden durch die Ausbildung starker intermolekularer Wasserstoffbrückenbindungen zwischen dem Sauerstoff der Carbonylgruppen und dem am Stickstoff gebundenen Wasserstoff bewirkt, wie im folgenden Schema für zwei Polymerenstränge angedeutet ist:

chem-Formel-ARAMIDE-4-Wasserstoffbr-cken568e5956cb8fc

Dabei stabilisieren sich die aromatischen Polymerketten gegenseitig stärker, als es aliphatische Polymerketten vermögen.

Unterschiedliche Orientierungen der Makromoleküle (Fibrillen) führen zu zwei unterschiedlichen Modifikationen mit gering unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften, wobei zwischen High Modulus und Low Modulus unterschieden wird.

High-Modulus-Qualitäten weisen etwas höhere Stoß- und Schlagfestigkeit auf, als Low-Modulus-Qualitäten, diese sind jedoch reißfester.

Aramide sind chemisch weitgehend stabil. Ihre UV- Stabilität ist jedoch gering, so dass auch Konstruktionen mit Aramid-Verbundwerkstoffen, wie sie z.B. für militärische Fahrzeugkarossen zum Einsatz kommen, durch UV-undurchlässige Decklacke geschützt werden müssen.

 

Handelsformen

Aramide fallen hauptsächlich als Fasermaterial an, das direkt in Materialverbünde eingesetzt oder für anderweitige Verwendungen zu Halbzeugen, wie thermostabile Gewirke, Vliese und Matten sowie Folien und Platten, weiterverarbeitet wird.

 

Technische Daten  
Die hier angegebenen Daten sind sämtlich nur grobe Richtwerte. Soweit Wertepaare ausgewiesen sind, geben sie die Spannen an, innerhalb derer sich die jeweiligen Werte von m- und p-Aramiden bewegen können.
allgemeine Eigenschaften  
Dichte 1,44 g / cm3 // 1,45 g / cm3
Farbe   goldgelb
Wasseraufnahme  
+23 °C, 50 % rel. Luftfeuchte ca. 3,5 %
Sättigung                                          ca. 7 %
Sauerstoffindex (LOI)  29 %  // 31 %
Brandklasse (UL 94)  V-0
   
thermische Eigenschaften  
Wärmeleitfähigkeit 0,04 W / K · m
Schmelztemperatur Zersetzung vor dem Schmelzen
Zersetzungstemperatur < +400 °C
lin. Wärmeausdehnungskoeffizient -2,3 ∙ 10-6 // -4,1 ∙ 10-6 / K
Heißschrumpfung (+190 °C/15 Minuten) -0,1 %
optimaler Einsatztemperaturbereich -70 °C bis +200 °C
   
elektrische Eigenschaften  
spezifischer Durchgangswiderstand 1017 Ω · m
Durchschlagfestigkeit 9 kV // 27 kV
Dielektrizitätskonstante (60 Hz) 1,6 // 2,9
Verlustfaktor (60 Hz) 4∙ 10 // 7 ∙103
   
mechanische Eigenschaften  
Bruchdehnung 2,8 / 4 %
Zug-Elastizitätsmodul  0,59 ∙ 102 GPa // 102 GPa
Zugfestigkeit 2,8 GPa  // 2,9 GPa
   
chemische Beständigkeit  
Schmierstoffe, Benzin beständig
Fette und Öle beständig
aliphatische Kohlenwasserstoffe beständig
cyclische Kohlenwasserstoffe beständig
aromatische Kohlenwasserstoffe beständig
Alkohole, Ketone beständig
halogenierte Lösungsmittel beständig
schwache organische Säuren beständig
konzentrierte Mineralsäuren bedingt beständig
Ammoniak, Amine beständig
konzentrierte Alkalilaugen bedingt beständig
Heißwasser beständig
UV-Strahlung unbeständig

 

Weiterführende Literatur

(1) H. Rohrens, K. Hillermeier, Aramid Fibres as Substitute for Asbestos in Seals, Packings and Compensators. In: Gummi-Fasern-Kunststoffe, Vol. 23 [1984]

(2) A. Heintze, High strength aramid fibres - their properties and applications. In: Melliard Textilberichte 67 (8) [1986]

(3) V. Rossbach, U. Bulle, G. Leumer, Quantitative analysis of aramid fiber blends (Nomex type/Kevlar type). In: Textil Praxis International, Vol. 43 [1988]

(4) M. Neitzel, P. Mitschang (Hrsg.), Handbuch Verbundwerkstoffe, Carl Hanser Verlag München [2004], ISBN 3-446-