Fluor in Industrie & Alltag: Wo das Halogen zum Einsatz kommt

Ob als Fluoride zur Zahnprophylaxe, als Fluormineral in der Aluminiumproduktion, als Fluorpolymer PTFE oder als polyfluorierter Kunststoff in Rohren wie auch in Dichtungen, Schläuchen und Halbzeugen: das Element Fluor ist ein wahrer Allrounder. Kein Wunder, dass das reaktionsfreudige Halogen mannigfach verwendet und eingesetzt wird.

Was ist Fluor?

Fluor ist ein chemisches Element der 7. Hauptgruppe im Periodensystem und gehört damit zu den Halogenen. Halogene reagieren mit Metallen zu Salzen, daher die alternative Bezeichnung „Salzbildner“.

In der Natur kommen Halogene in erster Linie als einfach geladene Anionen in Salzen vor. Das wohl bekannteste Beispiel ist NaCl (Kochsalz). Die anderen Halogene sind Chlor, Brom, Iod und Astat.

Halogene sind eine Gruppe von Nichtmetallen, die untereinander ähnliche Eigenschaften aufweisen.

Reaktionsfreudige Moleküle

Aufgrund ihrer Elektronenkonfiguration, bei der nur ein Valenzelektron fehlt, um die Valenzschale zu füllen, sind sie sehr reaktionsfreudig und besitzen eine hohe Elektronegativität.

Alle Halogene liegen in ihrer elementaren Form als zweiatomige Moleküle vor (F2, Cl2, Br2, I2). Allerdings ist die Halogen-Halogen-Bindung relativ schwach und kann leicht gebrochen werden, was zur Reaktionsfreudigkeit der Moleküle dieser Klasse beiträgt.

Fluor ist das elektronegativste und reaktivste Element nicht nur innerhalb der Klasse der Halogene, sondern aller Elemente. Es hat in all seinen Verbindungen stets die Oxidationsstufe -1. Der Unterschied zwischen Fluor und Fluorid besteht in der Oxidationszahl, die beim elementaren Fluor 0 und bei Fluorid -1 ist.

Woher kommt die Bezeichnung „Fluor“?

Namentlich leitet sich Fluor von lateinisch „fluores“ für Flussspat ab, dem bergmännischen Namen für das natürlich vorkommende Mineral Fluorit (CaF2). Dieses wurde bereits im Mittelalter als „Flussmittel“ angewandt, um den Schmelzpunkt von Erzen herabzusetzen.

Fluorit (Flussspat) kommt natürlich in verschiedenen Farbvariationen vor, u.a. violett, blau, grün, gelb, rot und farblos
Fluorit (Flussspat) kommt natürlich in verschiedenen Farbvariationen vor, u.a. violett, blau, grün, gelb, rot und farblos

Eigenschaften und Toxizität des Elements Fluor

Elementares Fluor ist ein farbloses beziehungsweise blass-gelbes Gas, das stark ätzend und hochgiftig ist. Auch die Salze des Fluors, die Fluoride, sind oft giftig. Hier hängt die Giftigkeit von der Wasserlöslichkeit ab, weshalb unlösliche Fluoride deutlich weniger toxisch sind.

Besonders erwähnenswert im Hinblick auf die Toxizität ist Fluorwasserstoff (HF), das in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar ist und sauer reagiert. Die wässrige Lösung ist als Fluorwasserstoffsäure und „Flusssäure“ bekannt und kann starke Verätzungen verursachen.

Eine über die Haut entstandene Vergiftung mit Flusssäure verursacht tiefgehende Nekrosen und schlecht heilende Geschwüre, die Haut stellt bei der Aufnahme kein Hindernis dar. Als Erste- Hilfe-Maßnahme bei Hautkontakt gilt eine schnelle Behandlung mit Calciumgluconat-Gel. Bei einer Aufnahme in den Organismus kommt es zur erheblichen Beeinflussung biochemischer Stoffwechselvorgänge durch Enzymhemmung. Chronische Schäden an Skelett, der Haut und der Lunge können die Folge sein. Außerdem ätzt Flusssäure Silicatglas, wobei es zu folgender Reaktion kommt:

SiO2 + 4 HF → SiF4 + 2 H2O

Deshalb darf Flusssäure nicht mit herkömmlichem Glas-Laborbedarf in Kontakt kommen.

Vorkommen und Gewinnung von Fluor

Die am häufigsten vorkommenden Fluorminerale sind das erwähnte Fluorit (CaF2) und Fluorapatit Ca5(PO4)3F, der jedoch nur einen geringen Massenanteil Fluor besitzt. Um Fluor und Fluorverbindungen zu gewinnen, wird deshalb vor allem Fluorit eingesetzt. Die Gewinnung von Fluor aus Fluorit läuft über die Bildung von Fluorwasserstoff:

CaF2 + H2SO4 → CaSO4 + 2HF

Außerdem fällt Flusssäure in der Industrie als Abfallprodukt bei der Phosphatgewinnung aus Fluorapatit an. Flusssäure wird dann vor allem eingesetzt, um fluorierte Verbindungen herzustellen. Ein kleinerer Teil wird elektrochemisch zu sehr reaktivem, elementarem Fluor umgesetzt. Mit diesem können Verbindungen entstehen, für die die Reaktivität von Fluorwasserstoff nicht ausreichend ist. Die Darstellung erfolgt über anodische Oxidation von Fluoridionen in wasserfreien Elektrolyten:

2HF → H2 + F2

Bei diesem Verfahren, das von dem französischen Chemiker Henri Moissan (1852 – 1907) entwickelt wurde und nach ihm benannt ist, wird eine Mischung aus Kaliumfluorid und Fluorwasserstoff eingesetzt, wodurch die Leitfähigkeit der Schmelze deutlich erhöht wird, da reiner Fluorwasserstoff selbst ein schlechter Leiter ist.

Der französische Chemiker Henri Moissan (1852 - 1907)
Der französische Chemiker Henri Moissan (1852 – 1907)

Ein historisch wichtiges Fluormineral ist Kryolith (Na3AlF6), das zur Aluminiumherstellung genutzt wird. Die ehemals großen Vorkommen dieses Minerals in Grönland sind jedoch inzwischen abgebaut, sodass für die Aluminiumgewinnung benötigtes Kryolith heute chemisch hergestellt wird.

Verwendung von Fluor als elementares Fluor und in Form anorganischer Fluorverbindungen

Elementares Fluor lässt sich aufgrund der hohen Reaktivität und schwierigen Handhabbarkeit nur beschränkt verwenden. Eingesetzt wird es vor allem, um fluorierte Verbindungen herzustellen, die anders nicht zugänglich sind. Besonders bedeutsam ist hierbei die Produktion von gasförmigem Uranhexafluorid (UF6), das zur Isotopenanreicherung von 235U mit Gaszentrifugen benötigt wird. Dieses Uranisotop spielt in der Kernspaltung eine wichtige Rolle. Schwefelhexafluorid (SF6) ist eine weitere wichtige Fluorverbindung, die mittels elementarem Fluor hergestellt und als gasförmiger Isolator eingesetzt wird.

Weitere Anwendungen sind die Oberflächenfluorierung von Kunststoffen, um deren Eigenschaften für diverse Anwendungen zu verbessern. Beispiele dafür sind ein besseres Haftvermögen von Farben und Klebstoffen oder eine geringere Durchlässigkeit von Benzin in Kraftstoffbehältern. Auch die Herstellung von Graphitfluorid, das als Elektrodenmaterial und Trockenschmiermittel eingesetzt wird, erfolgt mittels elementarem Fluor.

Dichtungsband aus expandiertem PTFE PTFE-Kleber auf synthetischer Kautschukbasis (Kontaktkleber)

Flusssäure kann, neben der oben beschriebenen Herstellung von elementarem Fluor sowie anorganischer und organischer Fluorverbindungen, zum Ätzen und Polieren in der Glasindustrie und zur Oxidverätzung bei Siliciumwafern in der Halbleiterindustrie eingesetzt werden. Auch die Zahntechnik verwendet für keramische Werkstücke Ätzgel mit Fluorwasserstoff, um die Hafteigenschaften der Keramikoberfläche mit anderen Materialien zu verbessern. Ein weiterer Anwendungsbereich ist das Beizen von Metallen, bei dem unerwünschte Oxidschichten und andere Verunreinigungen von der Oberfläche entfernt werden.

Fluor hat einen wichtigen Einfluss auf die Bildung von Knochen und Zähnen, besonders für die Zahnschmelzbildung ist es wichtig. Dabei bildet sich aus Hydroxylapatit (Ca5(PO4)3OH) der säurebeständigere Fluorapatit (Ca5(PO4)3F). Daher werden in Zahnpasta Fluoride zur Kariesprophylaxe zugegeben. Aus diesem Grund wird auch die Fluorierung von Speisesalz, Milch oder auch Trinkwasser, wie sie etwa in den USA erfolgt, durchgeführt.

Verwendung von Fluor in organischen Fluorverbindungen

Viele organische Fluorverbindungen spielen in der Industrie, der Pharmazie und im Alltag eine wichtige Rolle. Prominentes Beispiel sind die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die früher in großem Umfang als Kältemittel in Kühlschränken und als Treibgas in Spraydosen eingesetzt wurden. Deren Verwendung wurde jedoch im Montreal-Protokoll, das 1989 in Kraft trat, stark eingeschränkt. Dies geschah aufgrund der Tatsache, dass diese Verbindungen den Abbau von Ozon verstärken und dadurch die Ozonschicht schädigen. Als Ersatz für Kältemittel können unter niedermolekulare Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), wie fluorierte Derivate des Ethans und Propan, eingesetzt werden. Diese schädigen die Ozonschicht nicht, weisen allerdings ein hohes Potential als Treibhausgas auf, das um den Faktor 100 bis 23.000 über dem von CO2 liegt. Daher gibt es auch hier Bemühungen, alternative Verbindungen zu verwenden.

Höhermolekulare per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS), wie beispielsweise Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) oder Perfluoroctansäure (PFOA), werden unter anderem als Reiniger und Imprägnierungsmittel eingesetzt. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Tensiden sind diese Verbindungen nicht nur wasserabweisend, sondern weisen aufgrund ihrer perfluorierten Kohlenstoffkette auch Öl, Fett und andere Schmutzpartikel ab. Daher werden sie zum Beispiel verwendet, um Textilien und Papier zu imprägnieren. Aber auch in vielen weiteren Anwendungen werden PFAS eingesetzt, etwa in der Luftfahrt, in galvanischen Prozessen, der Fotoindustrie, aber auch in Kosmetika stecken PFAS.

Einsatz von PFOS-Schaumlöschmittel zur Brandbekämpfung
Einsatz von PFOS-Schaumlöschmittel zur Brandbekämpfung

Aufgrund ihrer geringen Abbaubarkeit in der Umwelt („Ewigkeitschemikalien“) und ihrer zahlreichen gesundheitlichen Auswirkungen stehen PFAS derzeit in der Kritik. Sie können Krebs verursachen, unfruchtbar machen und das Immunsystem schwächen. Es wurden nicht zu vernachlässigende Mengen in Trinkwasser und Nahrungsmittel gefunden. Diese Probleme haben dazu geführt, dass derzeit verschiedene Verbote von PFAS diskutiert werden.

Die Pharmazie ist ein Bereich, in dem die geringe Reaktionsfähigkeit und hohe Stabilität der Kohlenstoff-Fluor-Bindung, die den schlechten Abbau in der Umwelt bedingt, von Vorteil ist. Dort wird oft eine Kohlenwasserstoffgruppe durch eine entsprechende Kohlenfluorgruppe ersetzt. Die Kohlenstoff-Fluor-Bindung ist ähnlich groß wie eine Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung und die Struktur eines Moleküls, in diesem Fall eines pharmazeutischen Wirkstoffs, sollte sich dadurch nur geringfügig ändern. Die Kohlenstoff-Fluor-Bindung kann jedoch, anders als die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung, von den Enzymen des Körpers nicht gespalten werden. Dadurch lassen sich der Abbau von Medikamenten und eine damit einhergehende Desaktivierung im Organismus verhindern. Auch andere Eigenschaften, wie etwa eine leichtere Aufnahme in den Körper, können dadurch erreicht werden. Manchmal wird die stabile Kohlenstoff-Fluor-Bindung auch direkt als aktives Wirkprinzip des Medikamentes genutzt. Hierbei wird zum Beispiel das aktive Zentrum eines Enzyms durch die nicht umsetzbare Kohlenstoff-Fluor-Bindung blockiert, während der Rest des Moleküls dem „natürlichen“, vom Enzym umgesetzten Baustein gleicht und sich dadurch an dieses bindet.

Verwendung von Fluor in Fluorkunststoffen

Polyfluorierte Kunststoffe werden vielfach in Alltagsprodukten wie auch in Gütern und Prozessen der Industrie angewandt. Dies beruht auf den spezifischen Materialeigenschaften dieser Kunststoffklasse. So sind Fluorkunststoffe aufgrund der Stabilität der Kohlenstoff-Fluor-Bindung überaus beständig gegenüber chemischen Einflüssen wie Säuren, Basen oder Lösungsmitteln. Fluorpolymere besitzen eine geringe Haftfähigkeit für fast alle Materialien und weisen einen geringen Reibungskoeffizienten auf. Außerdem haben Fluorkunststoffe eine hohe thermische Beständigkeit und sind nicht brennbar.

PTFE-Chemieschlauch - standard PFA-Chemieschlauch

Der wichtigste und bekannteste Vertreter der Fluorpolymere ist Polytetrafluorethan (PTFE), bekannt unter dem Handelsnamen Teflon®, mit einem Marktanteil von 60 bis 70 %. Zum Einsatz kommt der Werkstoff in PTFE-Schläuchen, Dichtungen, Schlauchverbindern, Halbzeugen, Pumpen und Ventilen, Filtermembranen, Schrumpfschläuchen und vielem mehr.

Hergestellt wird dieser Kunststoff aus Chloroform durch partielle Fluoridierung, bei der sich zunächst Chlordifluormethan CHClF2 und Tetrafluorethylen C2F4 bilden:

CHCl3 + 2 HF → CHClF2 + 2 HCl

2 CHClF2 → C2F4 +2 HCl

Tetrafluorethylen wird danach radikalisch unter Druck polymerisiert, wobei je nach Bedingungen verschiedene Molekül- und Partikelgrößen erhalten werden:

n C2F4 → –(CF2)2n

Bekannt wurde dieses Fluorpolymer vor allem durch die Beschichtung von Bratpfannen. Gleichwohl kommt PTFE in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz, sowohl im Haushalt als auch in der Industrie. Verwendet wird es im technischen Bereich unter anderem als Dichtungsmaterial, als elektrischer Isolator oder, wegen seiner hohen chemischen Stabilität, um Bauteile im chemischen Apparatebau auszukleiden. Aus PTFE-Pulver und -Granulat werden beispielsweise mittels spezieller Press- und Sintertechnologien Halbzeuge hergestellt, etwa als Kunststoffplatten, PTFE-Folien, Stäbe oder Bänder. Die Medizin setzt diesen Kunststoff ebenfalls aufgrund seiner hohen chemischen Beständigkeit sowie seiner guten physiologischen Verträglichkeit für Implantate und andere Anwendungen ein.

PTFE-Folie (virginal) Gerader-Rohrverbinder mit Außengewinde aus PA oder PVDF

Im Alltag ist es, neben der antihaftbeschichteten Pfanne, auch aus der Beschichtung weiterer Gegenstände bekannt. Vielfach wird beschichtet, um eine geringe Reibung oder Haftung zu erzielen, beispielsweise bei Gartenschneidegeräten oder Rasierklingen, um schmutz- oder wasserabweisende Eigenschaften zu erhalten, etwa bei Brillengläsern oder Gore-Tex-Textilien, oder um eine höhere Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen zu erzielen.

Neben PTFE existieren auch noch weitere polyfluorierte Kunststoffe, die wichtige Anwendungsbereiche haben: etwa Polyvinylidendifluorid (PVDF), Perfluoralkoxy-Polymere (PFA, MFA) oder Polyvinylfluorid (PVF). In der Industrie werden PVDF und PFA/MFA wie auch PTFE zum Auskleiden von Bauteilen im chemischen Anlagenbau wie Rohren, Gaswäschern, Zentrifugen, Pumpen und Reaktoren sowie für chemikalienbeständige Kunststoffschläuche, Dichtungen, Ventile oder Folien eingesetzt, daneben gibt t eine Vielzahl weiterer Anwendungen.

Der Nachteil polyfluorierter Kunststoffe ist, dass sie in der Umwelt nicht abgebaut werden. Bei der Herstellung von Fluorkunststoffen werden außerdem weitere PFAS eingesetzt und gebildet, deren Einfluss auf die Gesundheit nicht geklärt ist.

Mit PTFE beschichtete Bratpfannen sind in nahezu jedem Haushalt zu finden
Mit PTFE beschichtete Bratpfannen sind in nahezu jedem Haushalt zu finden

Bei der Entsorgung dieser Kunststoffe durch Verbrennung gelangen potenziell schädliche Fluorverbindungen in die Umwelt. Auch beim übermäßigen Erhitzen teflonbeschichteter Haushaltsgegenstände, wie der Bratpfanne, können bei hohen Temperaturen schädliche Verbindungen entstehen. Ein Zerkratzen der Oberfläche ist hingegen unproblematisch, da die Partikel unverändert wieder ausgeschieden werden.

Bild-Quellen:
Beitragsbild | © Peter Hermes Furian – stock.adobe.com
Fluorit (Flussspat) | © Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
Chemiker Henri Moissan | © sv:Generalstabens litografiska anstalt, Public domain, via Wikimedia Commons 
Einsatz von PFOS-Schaumlöschmittel zur Brandbekämpfung | © Peter Togel – stock.adobe.com
PTFE-beschichtete Bratpfanne | © Photosaint – stock.adobe.com