PFAS-Verbot: Werden alle Fluorkunststoffe verboten?

Früher wurden Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen unter verschiedenen Bezeichnungen wie per- und polyfluorierte Chemikalien, perfluorierte organische Verbindungen oder hoch fluorierte Substanzen zusammengefasst. Bei polyfluorierten Alkylsubstanzen sind die Wasserstoffatome teilweise, bei perfluorierten Alkylsubstanzen vollständig durch Fluoratome ersetzt. Zur einheitlichen Kommunikation hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, abgekürzt OECD aus dem Englischen „Organization for Economic Co-operation and Development“, 2011 die Bezeichnung Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen (PFAS) neu definiert.

Definition: Was sind PFAS?

Doch was sind PFAS überhaupt? Was kann man sich unter Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen vorstellen?

Unter PFAS werden alle fluorierten Substanzen zusammengefasst, die mindestens ein fluoriertes Methyl- oder Methylen-Kohlenstoff enthalten, ohne ein daran gebundenes H-, Cl-, Br- oder I-Atom. Mit wenigen Ausnahmen ist jede Chemikalie mit mindestens einer perfluorierten Methylgruppe (-CF3) oder einer perfluorierten Methylengruppe (-CF2-) ein PFAS[1].

Unter diese Definition fallen etwa 10000 per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen.

Einteilung der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen

Man unterscheidet polymere und nicht polymere PFAS. Zu den polymeren Verbindungen zählen Fluorpolymere, Polymere mit fluorierten Seitenketten und Perfluorpolyether (PFPE). Die am häufigsten eingesetzten Fluorpolymere sind Polytetrafluorethylen (PTFE), Polyvinylidenfluorid (PVDF), Fluorethylenpropylen (FEP) und Perfluoralkoxy-Polymere (PFA). Zu den Polymeren mit fluorierten Seitenketten zählen fluorierte Polyurethane, Polyoxetane und Polymethylmethacrylate.

Die Gruppe der nicht polymeren PFAS umfasst vier Untergruppen:

  • Perfluoralkylsäuren (PFAA),
  • Perfluoralkansulfonylfluoride (PASF)
  • Perfluoralkyliodide (PFAI)
  • Perfluoralkylether basierte Derivate

Bei den Perfluoralkylsäuren (PFAA) unterscheidet man Perfluoralkylcarbonsäuren (PFCA) und Perfluoralkylsulfonsäuren (PFSA).

Eigenschaften dieser Industriechemikalien

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen zeichnen sich durch eine hervorragende Temperatur-, Druck- und Chemikalienbeständigkeit aus. Sie sind biokompatibel, wasser-, öl- und schmutzabweisend und außerdem sehr gute elektrische und thermische Isolatoren. Darüber hinaus verfügen sie über eine gute Sterilisierbarkeit, UV-Beständigkeit und Reibungsminimierung. Sie werden in der Regel dort eingesetzt, wo andere Kunststoffe versagen. So gelten etwa harte Kunststoffschläuche aus PTFE, PFA oder FEP als das Mittel der Wahl, wenn besonders aggressive Chemikalien gefördert werden sollen. Sie sind außerdem in einem sehr breiten Temperaturbereich von -260 bis +260 °C einsetzbar, je nach Ausführung.

PTFE-Chemieschlauch - standard Gerader-Rohrverbinder mit Außengewinde aus PA oder PVDF

Jedoch werden diese Verbindungen unter Umweltbedingungen nicht oder nur über einen sehr langen Zeitraum abgebaut und deshalb auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet. Einige dieser Chemikalien stehen zudem  im Verdacht krebserregend zu sein.

Über die Nahrungskette und Trinkwasser können PFAS in den Körper gelangen und sich im Blut und in Organgeweben anreichern. Die Ausscheidung findet nur sehr langsam statt.

In welchen Produkten sind PFAS enthalten?

Aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften sind diese Verbindungen in der industriellen Fertigung, in der Energie- und Mobilitätswende, vor allem aber in High-Tech-Industrien wie der Halbleiter- oder Medizintechnik unverzichtbar.

Aus diesen Industriechemikalien werden Schläuche, Rohre, Dichtungen, Pumpen, Behälter und Tankauskleidungen, Schlauchverbinder, Hähne und Ventile und Filtermembranen gefertigt. Besonders in ultrareinen Umgebungen wie in Reinräumen sind Komponenten aus diesen Materialien unentbehrlich, um chemisch anspruchsvolle Prozesse zu ermöglichen, die Lebensdauer von Bauteilen zu erhöhen und Verunreinigungen zu verhindern.

Rohr aus PTFE (virginal) - extrudiert PTFE-O-Ringe

Viele Medizinprodukte wie Implantate, Katheter, OP-Abdeckungen, Nahtmaterial, chirurgische Instrumente wie Endoskope mit Drahtschlinge zur Entfernung von Gewebsproben, medizinische Geräte wie Inkubatoren, Dialysemaschinen, Herz-Lungen-Maschinen oder Beatmungsgeräte gäbe es ohne diese Chemikalien nicht oder wären weniger leistungsfähig und zuverlässig.

Im Energiesektor werden Solarzellen, Türme und Rotorblätter von Windkraftanlagen mit Fluorkunststoffen beschichtet und lackiert, wodurch sie witterungsbeständiger werden und eine längere Lebensdauer aufweisen. Auch in Energiespeichersystemen wie Lithium-Ionen-Batterien und Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzellen sind sie ein wesentlicher Bestandteil. Fluorkunststoffmembranen dienen zur effizienten Herstellung von Wasserstoff. In Wärmepumpen werden sie als Kältemittel, in Dichtungen, Lagern und elektronischen Bauteilen verwendet.

Zur Brandbekämpfung von Bränden der Brandklasse B, unter denen man Brände von Flüssigkeiten und schmelzenden Feststoffen versteht, werden Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) als wasserfilmbildende Schaumlöschmittel eingesetzt. Diese werden auch als AFFF abgekürzt, aus dem Englischen „Aqueous Film Forming Foam“. Sie bedecken die Oberfläche von flüssigen Kohlenwasserstoffen wie Ölen, Kraftstoffen oder Lösungsmitteln und entziehen damit der Flamme den Sauerstoff.

Einsatz von PFOS-Schaumlöschmittel zur Brandbekämpfung
Einsatz von PFOS-Schaumlöschmittel zur Brandbekämpfung

In der Textilindustrie werden sie zur Imprägnierung von Textilien und Teppichen sowie in Outdoorbekleidung und Wanderschuhen als Membrane verwendet. Im Haushalt sind Pfannen, Backformen und Waffeleisen mir einer fluorierten Antihaft-Beschichtung ausgestattet. Papier und Pappe von Lebensmittelverpackungen werden mit PFAS beschichtet, um Wasser und Fett abzuweisen.

Kommt das PFAS-Verbot in der EU?

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat im Februar 2023 den Vorschlag für ein Verbot der Herstellung, der Verwendung und des Inverkehrbringens, einschließlich der Einfuhr, von PFAS im Europäischen Wirtschaftsraum veröffentlicht[2]. Davon wären mindestens 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen betroffen.

Das vorgeschlagene Verbot wurde im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH, das Akronym für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“, von behördlichen Experten aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden ausgearbeitet mit dem Ziel, die Freisetzung von PFAS in die Umwelt drastisch zu verringern. Je nach Industriezweig werden Übergangsfristen zwischen 18 Monaten und dreizehneinhalb Jahren diskutiert.

Am 22. März 2023 startete eine sechsmonatige öffentliche Konsultation, in der betroffene Unternehmen Bedenken gegen das geplante Verbot äußern und begründete Ausnahmeregelungen einreichen konnten. Voraussichtlich soll im Jahr 2025 eine Entscheidung der Europäischen Kommission über diesen Vorschlag getroffen werden.

Auch im Haushalt sind Fluorkunststoffe in Form von PTFE-Pfannenbeschichtungen zu finden
Auch im Haushalt sind Fluorkunststoffe in Form von PTFE-Pfannenbeschichtungen zu finden

Ab 1. Januar 2023 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Grenzwerte für den Gehalt von Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxs) in Lebensmitteln erneut gesenkt.

Bedeutung des PFAS-Verbots in der EU: Welche Konsequenzen hätte das Verbot für die deutsche Industrie?

PFAS sollen wegen ihrer Langlebigkeit und Beständigkeit verboten werden, jedoch sind gerade diese Eigenschaften der Grund für ihren Einsatz. Ersatzstoffe werden Eigenschaften wie diese Industriechemikalien besitzen und damit zum gleichen Problem führen.

In der industriellen Fertigung werden Dichtungen und Bauteile aus PFAS wegen ihrer Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit, Dichtigkeit und Reibungsminimierung verwendet. Bei einem allgemeinen Verbot müsste auf diese Produkte verzichtet werden, da Ersatzteile in Europa nicht mehr produziert und aus dem außereuropäischen Ausland nicht eingeführt werden dürften. Das würde für manche Anlagen das Produktionsaus bedeuten.

PFAS sind für viele Prozessschritte zur Herstellung von elektronischen Bauelementen wie Mikroprozessoren und Speicherchips unverzichtbar. Ein Verbot würde viele Industriezweige betreffen. Die Realisierung der Energiewende und der Elektromobilität sowie der Aufbau einer europäischen Halbleiterindustrie wären damit in Frage zu stellen.

In der Medizintechnik sind die PFAS nicht in kurzer Zeit ersetzbar. Es müssten Ersatzstoffe entwickelt, bezüglich ihrer Biokompatibilität und Biostabilität getestet, klinische Studien durchgeführt und gemäß der Verordnung über Medizinprodukte zugelassen werden. Die Markteinführung neuer Medizinprodukte ist unter Umständen länger als die Übergangsfrist. Speziell Implantatmaterialien, die länger als 20 Jahre im Körper verbleiben, können in der Übergangsfrist nicht ausreichend getestet werden. Medizinprodukte, die auf dem außereuropäischen Markt produziert werden, könnten nicht mehr importiert werden. In Europa entwickelte Ersatzstoffe müssten die Anforderungen einer FDA-Zulassung erfüllen, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, um auf dem amerikanischen Markt wettbewerbsfähig zu sein.

In einigen Branchen ist ein PFAS-Verbot durchaus sinnvoll. In der Outdoorbekleidung werden bereits wasserabweisende Materialien auf der Basis von Paraffin, Silikon, Dendrimeren oder Polymerbeschichtungen oder Membrane auf Polyurethanbasis eingesetzt. Eisen- oder Emailpfannen bieten gute Alternativen zu teflonbeschichteten Pfannen und sind sogar kratzfester. Statt beschichteter Einweg-Pappbecher kann Mehrweggeschirr benutzt werden. Bei Imprägniermitteln können Fette und Wachse die Industriechemikalien ersetzen.

Ein pauschales Verbot aller PFAS-Verbindungen ist nicht sinnvoll

Das vorgeschlagene Verbot differenziert nicht zwischen den vielen verschiedenen Poly- und Perfluor-Verbindungen. So werden Fluorpolymere nach OECD-Kriterien als „Product of low concern” (PLC, Produkte mit niedrigen Bedenken) eingestuft. Werkstoffe wie Polytetrafluorethylen (PTFE) oder Perfluoralkoxy-Polymere (PFA) sind nicht nur chemisch beständig, sondern auch physiologisch unbedenklich mit Zulassungen nach FDA oder USP Class VI. Daraus gefertigte Produkte, wie PFA-Schläuche oder Kunststoff-Schlauchverbinder, sind für die Medizintechnik, Chemietechnik, die Lebensmittelindustrie, Halbleiterindustrie und die Pharmaindustrie unentbehrlich. Alternativen mit äquivalenten Eigenschaften gibt es nicht.

PFA-Chemieschlauch T-Rohrverbinder aus PFA

Natürlich ist zum Schutz von Umwelt und Mensch eine sorgfältige Handhabung gefährlicher Chemikalien notwendig. Jedoch sollte nicht auf eine fundierte Abwägung zwischen Risiken und Nutzen beim Umgang mit diesen Stoffen sowie auf eine differenziertere Einstufung und Vorgehensweise verzichtet werden.

Quellen:
[1]: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.1c06896
[2]: https://www.bfr.bund.de/cm/343/per-und-polyfluorierte-alkylsubstanzen-pfas-veroeffentlichung-des-vorschlags-zur-beschraenkung-nach-der-reach-verordnung-bei-der-europaeischen-chemikalienbehoerde.pdf
Bild-Quellen:
Beitragsbild | © Francesco Scatena – stock.adobe.com
Einsatz von PFOS-Schaumlöschmittel zur Brandbekämpfung | © Peter Togel – stock.adobe.com
Pfanne mit PTFE-Beschichtung | © kardaska – stock.adobe.com