Auch Kunststoffe unterliegen dem Zahn der Zeit. Ihre Alterung beschleunigt sich durch Licht, aggressive Flüssigkeiten, Druck und hohe Temperaturen. Zudem führen das Entweichen von Weichmachern oder Gasen wie Chlorwasserstoff zur Versprödung des Materials. Die physikalischen, chemischen und biologischen Veränderungen, die Polymere im Laufe der Zeit durchlaufen, werden Degradation genannt. Dieser Beitrag erklärt die Ursachen und zeigt Maßnahmen auf, um den Alterungsprozess zu verlangsamen.
Kunststoffe sind aufgrund ihrer Vielseitigkeit, Kosteneffizienz und ihres geringen Gewichts weit verbreitete und geschätzte Werkstoffe. Ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bringen im täglichen Gebrauch jedoch Herausforderungen mit sich. Die oft hohen mechanischen Beanspruchungen können ihre Funktionalität und Lebensdauer erheblich beeinträchtigen.
Insbesondere in der Medizintechnik, bei Haushalts- und Elektronikgeräten sowie in der Verpackungs-, Luftfahrt-, Raumfahrt-, Bau- und Automobilindustrie bestehen höchste Anforderungen an die Materialeigenschaften. In diesen Anwendungsbereichen gewährleisten Hochleistungskunststoffe nicht nur Sicherheit und Komfort, sondern tragen auch durch längere Nutzungsdauern zur Ressourcenschonung bei.
Gründe der Degradation – Die Mücke wird zum Elefanten und der stete Tropfen höhlt den Stein
Wenn Kunststoffe altern, kann sich dies erheblich auf die Materialeigenschaften auswirken. Mikroskopische Schäden, die zunächst auf molekularer Ebene entstehen, breiten sich allmählich aus und führen schließlich zu makroskopisch sichtbaren Fehlerbildern.

Die Mechanismen und die Geschwindigkeit der Zersetzung variieren je nach Kunststoffart, den verwendeten Additiven und den Umgebungsbedingungen. Grundsätzlich wird zwischen physikalischer, chemischer und biologischer Degradation unterschieden.
Ursachen und Folgen der physikalischen Degradation
Der Kontakt oder die Relativbewegung von Kunststoffoberflächen mit Flüssigkeiten, Gasen oder anderen Festkörpern führt dazu, dass Material abgetragen wird und die Oberflächenstruktur sich verändert. Bekannte Beispiele aus dem Alltag sind der Abrieb von Autoreifen während der Fahrt oder synthetischen Fasern wie Polyester oder Nylon beim Waschen von Kleidung.
Die durch Reibung entstehende Wärme kann Kunststoffe erweichen und den Verschleiß beschleunigen. Zudem können aufgeraute Oberflächen ineinander verzahnen und so zum Ausfall von Maschinen führen. Daher ist die Auswahl geeigneter Kunststoffe essenziell für die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer von Werkstoffen. Entscheidend sind Materialeigenschaften wie Härte, Polarität oder Reibungskoeffizient, die an Prozessbedingungen wie Gleitgeschwindigkeit, Temperatur oder Anpressdruck angepasst werden müssen.
Für Dichtungen oder bewegliche Bauteile der Antriebstechnik wie Lager, Gelenke, Rollen, Zahnräder, Kupplungen, Gleitführungen und Getriebe werden bevorzugt reibungsarme Kunststoffe eingesetzt, um Verschleiß zu minimieren oder die Effizienz zu steigern. Dazu zählen Polyethylen, Polyoxymethylen (POM), Polytetrafluorethylen (PTFE) oder Polyamide (PA). Ein weiterer wichtiger Aspekt, insbesondere bei der Elektromobilität, ist es, unerwünschte Reibungsgeräusche zu reduzieren.
Die allmähliche Verformung von Kunststoffen durch dauerhaft einwirkende physikalische Belastungen wie Druck-, Zug-, Biege- oder Schubkräfte wird als Kriechen bezeichnet. Dieser Effekt kann bei anhaltender Beanspruchung bereits unterhalb der materialspezifischen Fließgrenze auftreten. Thermoplaste neigen stärker zum Kriechen als hochvernetzte, eher spröde Duroplaste, da sie ein ausgeprägteres viskoelastisches Verhalten zeigen. Zudem beeinflussen Umgebungsfaktoren wie Temperatur oder Feuchtigkeit das Kriechverhalten maßgeblich. Sowohl erhöhte thermische Bewegung bei hohen Temperaturen als auch Flüssigkeitseinlagerung zwischen Polymerketten lockern die zwischenmolekularen Bindungen und fördern die Deformation. Besonders hygroskopische Polymere wie Polyamide oder Polyvinylalkohole nehmen Wasser auf und quellen auf. Je nach Spannungs-Dehnungs-Verhältnis und Belastungsdauer können diese Prozesse reversibel oder irreversibel sein. Im schlimmsten Fall entstehen Risse oder es kommt zum Materialbruch.
Kunststoffe können verspröden, wenn nicht gebundene Weichmacher aus der Polymermatrix migrieren oder ausgewaschen werden. Diese zumeist niedermolekularen Hilfsmittel dienen der Flexibilisierung bzw. Plastifizierung von Kunststoffen. Anzeichen für dieses Phänomen können ölige oder klebrige Oberflächen, der charakteristische Neuwagengeruch oder ästhetische Mängel sein. Da einige Weichmacher als gesundheitlich bedenklich gelten, wird diese Problematik häufig auch im Zusammenhang mit Verpackungen für Lebensmittel und pharmazeutische Produkte diskutiert.
Ursachen und Folgen der chemischen Degradation
Chemische Veränderungen wirken sich oft erheblich auf die physikalischen Eigenschaften von Kunststoffen aus. Im Gegensatz zu den von Chemikern kontrollierten Modifikationen in Syntheselaboren sind diese Effekte in der Praxis jedoch meist unerwünscht.
Die Depolymerisation in niedermolekulare Kettenfragmente oder Monomere sowie die Abspaltung von Seitenketten kann die Kristallinität und Dichte von Polymeren stark beeinflussen und die Leistungsfähigkeit der entsprechenden Werkstoffe mindern. Ähnlich wie migrierende Weichmacher können diese Spaltprodukte in der Verpackungsindustrie eine potenzielle Gesundheitsgefährdung darstellen.
Ähnliches gilt für die Einführung funktioneller Gruppen, die durch oxidative Zersetzung in Anwesenheit von Sauerstoff neu entstehen. Die damit häufig einhergehende Zunahme der Polarität steigert zugleich die Hydrophilie, wodurch Kunststoffe anfälliger für die Feuchtigkeitsaufnahme werden.

Besonders problematisch ist auch die Freisetzung kleinerer Moleküle wie etwa Chlorwasserstoff während der Zersetzung von Polyvinylchlorid (PVC) bei Temperaturen zwischen +100 bis +120 °C. In Kombination mit Wasser bildet sich anschließend Salzsäure, die stark korrosiv und gesundheitsgefährdend ist.
Bilden sich bei der Zersetzung Chromophore – das sind Teilstrukturen, die im sichtbaren Bereich Strahlung absorbieren – kommt es zur Verfärbung. Aktuelle Studien legen zudem nahe, dass sich an der Kunststoffoberfläche optisch aktive Nanostrukturen ausbilden, die ebenfalls das optische Erscheinungsbild beeinflussen. Eine weitere Ursache für ästhetische Mängel ist die photoinduzierte Ausbleichung von Pigmenten und Farbstoffen, die in Kunststoffe eingearbeitet sind.
Ursachen und Folgen der biologischen Degradation
Einigen Mikroorganismen, wie etwa Bakterien oder Pilze, ist es möglich, Enzyme zu exprimieren, die unter bestimmten Bedingungen spezifische Kunststoffe zersetzen. In einer Abfolge von enzymatisch katalysierten Hydrolyse- und Oxidationsreaktionen werden die Polymerketten sukzessive in kleinere Fragmente aufgespalten und schließlich in Kohlendioxid, Wasser und Biomasse umgewandelt.
Manche Mikroorganismen nehmen dabei entstehende Intermediate als Nährstoff auf und integrieren sie in ihre Zellstruktur – ein Prozess, der als biologische Assimilation bekannt ist. Wie bei allen Degradationsprozessen haben auch hier Umweltfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit oder pH-Wert erheblich Einfluss auf die Geschwindigkeit und Effizienz.
Erst kürzlich gelang es Forschern der Northwestern University in Illinois, den Zersetzungsmechanismus von Polyethylenterephthalat (PET) durch das in städtischen Abwässern lebende Bakterium Comamonas testosteroni zu entschlüsseln. Dieser für seine gute Beständigkeit bekannte Kunststoff wird bevorzugt für Lebensmittelverpackungen und Trinkflaschen verwendet, dient aber auch als Trägermaterial etwa für Folien und Klebebänder. Bereits im Jahr 2016 entdeckten Forscher der Technischen Universität Kyoto, dass das Bakterium Ideonella sakaiensis in der Lage ist, PET abzubauen und zu verstoffwechseln. Aktuell wird daran geforscht, die zwischenzeitlich erzeugten Monomere Ethylenglycol und Terephthalsäure als Ausgangsstoffe zur Synthese neuwertiger Kunststoffe zu nutzen.
Interessant ist auch die Verwendung von biobasierten Kunststoffen wie Polymilchsäure, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Maisstärke oder Zuckerrüben gewonnen wird. Aufgrund ihrer hohen Biokompatibilität werden sie in der Medizintechnik als Nahtmaterial, Implantate oder Medikamententräger eingesetzt. Zudem kommen sie in kurzlebigen Produkten wie Einwegbesteck oder Verpackungen zum Einsatz.
Auch der milchige Saft der Kautschukpflanze, Latex genannt, ist ein Beispiel für biobasierte Kunststoffe und bildet die Grundlage für viele Produkte aus Naturgummi wie Gummischläuche und Dichtungen. Obwohl sie als biologisch abbaubar gelten, ist dies meist nur unter den kontrollierten Bedingungen industrieller Kompostieranlagen der Fall.
Welche Anti-Aging-Produkte gibt es für Kunststoffe?
Angesichts der Vielzahl an Alterungsprozessen, denen Kunststoffe unterliegen, wird deutlich, dass unterschiedliche Präventionsmaßnahmen erforderlich sind, um ihre Integrität und Funktionsfähigkeit langfristig zu erhalten.
Man kann sie wie ein rohes Ei behandeln und in Watte packen…
Durch das Auftragen von Schutzlacken oder den Einsatz von Schmiermitteln lassen sich insbesondere mechanische Belastungen minimieren, wodurch die Lebensdauer von Kunststoffen verlängert wird. Auch die Lagerung und das Arbeiten unter kontrollierten Umgebungsbedingungen – in klimatisierten Räumen oder unter Ausschluss von Licht- und Sauerstoffeinwirkung – können Alterungsprozesse erheblich verlangsamen.
… oder die Chemiekeule schwingen
Ultraviolette Strahlung ist im kurzwelligen Anteil der Sonnenstrahlung enthalten und kann durch Anregung von Elektronen organische Bindungen spalten und Polymerketten zerstören. Um diesen Abbauprozessen entgegenzuwirken, werden Kunststoffen zum Schutz vor UV-Strahlung, ähnlich wie Sonnencreme auf der Haut, organische oder anorganische UV-Absorber zugesetzt.
Um einen möglichst breiten Wellenlängenbereich der Strahlung abzudecken, werden in der Praxis meist unterschiedliche Absorber miteinander kombiniert. Insbesondere in dünnschichtigen Bauteilen kommen ergänzende Stabilisatoren zum Einsatz.
Beispiele für organische Absorber sind Benzophenone, Benzotriazole, Phenyltriazine und Benzoate. Zu den anorganischen Verbindungen zählen nanoskaliges Titandioxid, Zinkoxid und Aluminium-Pigmente, die zusätzlich durch Reflexion und Streuung der UV-Strahlung Schutz bieten. Viele dieser UV-Absorber haben den Vorteil, dass sie im sichtbaren Lichtbereich nahezu transparent sind und die Kunststoffoberfläche optisch nicht beeinflussen.
Die zweite Klasse von Stabilisatoren sind Antioxidantien, die sich in Radikalfänger, Reduktionsmittel und Synergisten unterteilen lassen. Trotz unterschiedlicher Schutzmechanismen ist es ihr gemeinsames Ziel, unerwünschte Oxidationsprozesse zu hemmen oder zu verhindern.
Zu den bekanntesten Radikalfängern gehören Brenzcatechine, Hydrochinone, Gallate wie die Zusatzstoffe E 310 bis 312 oder sterisch gehinderte Amine (hindered amine light stabilizers, HALS) und Phenole wie E 320 und 321. Durch die Abgabe von Elektronen neutralisieren diese Stoffe andere Radikale, die beispielsweise durch Hitze, Strahlung oder Sauerstoffexposition entstehen. Dabei bilden sie selbst metastabile, reaktionsträge Radikale und verlangsamen oder stoppen somit die Kettenreaktion. Oftmals lassen sich diese Lichtschutzmittel in einer Kaskade chemischer Reaktionen regenerieren, wodurch ihre Schutzwirkung über längere Zeit aufrechterhalten bleibt.
Zu beachten ist jedoch, dass HALS in halogenierten Polymeren wie Polyvinylchlorid (PVC), Polytetrafluorethylen (PTFE) oder Polyvinylidenfluorid (PVDF) wirkungslos sind. Diese Kunststoffe spalten bei ihrer Zersetzung Halogenwasserstoffsäuren wie Salz- oder Flusssäure ab, die die basischen Amin-Gruppen der HALS-Stabilisatoren protonieren und somit deaktivieren.
Reduktionsmittel zeichnen sich durch ein sehr niedriges Redox-Potenzial aus und können andere Moleküle vor der Autooxidation durch Sauerstoff schützen, indem sie sich opfern und selbst oxidieren. Bekannte Beispiele aus der Natur sind Ascorbinsäure (Vitamin C) oder Thiole wie Cystein und Glutathion. Beliebte Zusatzstoff sind Hydrochinone, die durch Abgabe von Elektronen in ihre oxidierte Form, die Benzochinonen, übergehen.
Synergisten sind in der Lage, auf verschiedene Weise die Wirkung von Antioxidantien zu unterstützen oder zu verlängern. Sie können entweder Metalle binden, die den Abbau katalytisch begünstigen, oder verbrauchte Antioxidantien regenerieren. Bekannte Komplexbildner sind Citronensäure oder Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA).
Was passiert, wenn Plastik den Bach runtergeht?
Die einerseits gewünscht hohe Beständigkeit von Kunststoffen führt andererseits zu einer zunehmenden Bioakkumulation von Plastikmüll in marinen und terrestrischen Ökosystemen. Dies hat weitreichende ökologische, ökonomische und gesundheitliche Konsequenzen auf globaler Ebene für Fauna und Flora, aber auch für den Menschen.
Die Halbwertszeit von Plastikmüll kann, abhängig von der chemischen Zusammensetzung und den vorherrschenden Umweltbedingungen, mehrere Jahrhunderte betragen. Bei bestimmten Kunststoffarten wird sogar angenommen, dass sie von Mikroorganismen überhaupt nicht abgebaut werden können, sondern lediglich in immer kleinere, mit bloßem Auge nicht mehr sichtbare Partikel zerfallen, die als Mikroplastik bekannt sind.

Studien zeigen, dass Mikroplastik das Wachstum von Korallen, einer wichtigen Nährstoffquelle für zahlreiche Meerestiere, stark beeinträchtigen wird. Nicht nur werden diese Partikel von Tieren über die Nahrung aufgenommen und können diese innerlich verletzten, sie reichern sich auch in Organismen an und werden schließlich auch vom Menschen konsumiert. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind zwar noch nicht ausreichend erforscht, doch es gibt Hinweise darauf, dass Mikroplastik unter anderem Entzündungen und hormonelle Störungen hervorrufen können.
Bildquellen: Beitragsbild | © Schlegelfotos – stock.adobe.com Durch UV-Strahlung geschädigtes Kunststoffgehäuse | © Axel1963, Public domain, via Wikimedia Commons Schäden an einem Kunststoffschlauch | © toa555 – stock.adobe.com Mikroplastik aus Sedimenten | © Martin Wagner et al., CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons