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Fasern aus Nylon, Perlon und Co – der Einsatz von Polyamiden

Ob flauschig weich oder extrem reißfest – Fasern begegnen uns in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Fasermaterialien müssen in ihren jeweiligen Anwendungsgebieten verschiedensten Ansprüchen genügen und so muss ihre Herstellung ebenso passgenau erfolgen. Die Wahl der Ausgangsstoffe, ob natürlich, halb- oder vollsynthetisch, richtet sich nach den gewünschten Eigenschaften. Aber woher kommt Seide und was ist Kunstseide? Und was ist Nylon und wie sieht die Chemie dazu aus, worin besteht der Unterschied zu Perlon? Fragen über Fragen!

Fasern – die Natur als Vorbild

Baumwolle und Wolle sowie Seide, das Spinnprotein der Seidenraupe, sind die wichtigsten Fasern aus der Natur. Doch schon seit langem können sie den Bedarf an Textilfasern nicht mehr decken. Bei der Suche nach alternativen Fasermaterialien diente das Aufbauprinzip in der Natur als Orientierung. So ähneln die synthetisch hergestellten Polyamidfasern, beispielsweise aus Nylon, in ihrer chemischen Struktur den Proteinfasern von Wolle und Seide.

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Seide – eine Faser aus der Natur

Die Raupen des Maulbeerspinners, einer Schmetterlingsart, pressen aus ihren Spinndrüsen einen bis zu 3500 Meter langen Faden. Sie erzeugen daraus einen Kokon, in dem sie sich verpuppen. Die Seidenindustrie weicht die Kokons in heißem Wasser ein und wickelt die einzelnen Fäden ab. Von jedem Kokon können etwa 1000 Meter verwendet werden. Aus mehreren Fäden wird dann eine verwertbare Seidenfaser gesponnen. Seidenfasern bestehen aus makromolekularen Eiweiß- oder Proteinmolekülen. Deshalb wird Seide von alkalischen Lösungen und enzymhaltigen Waschmitteln leicht angegriffen, gegenüber Säuren ist Seide dagegen beständiger.

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Kunstseide – eine halbsynthetische Faser

Kunstseide wird aus Cellulose hergestellt. In ihrem chemischen Aufbau ist Kunstseide, auch als Viskose oder Rayon bezeichnet, nicht mit Naturseide vergleichbar. Sie entspricht von ihrer molekularen Zusammensetzung eher der Baumwolle. Im Gegensatz zu Naturseide ist Kunstseide beständiger gegenüber alkalischen Lösungen, aber empfindlicher gegenüber Säuren.

Nylon war das erste synthetische Polyamid

Die klassische Nylon-Faser ist ein Polyamid, das in den 1930er Jahren von den US-amerikanischen Chemikern Wallace H. Carothers (1896 – 1937) und Julian W. Hill (1904 – 1996) bei DuPont (USA) entwickelt worden ist. Ausgangsprodukte waren 1,4-Butandicarbonsäure HOOC-(CH2)4-COOH, besser bekannt als Adipinsäure, und Hexan-1,6-diamin H2N-(CH2)6-NH2, Hexamethylendiamin mit dem chemie-technischen Kürzel HMDA. Beide setzen sich in einer Kondensations-Polymerisations-Reaktion unter Abspaltung von Wasser zu einem Polyamid um, dem Nylon.

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Wallace Hume Carothers (1896 – 1937), US-amerikanischer Chemiker und Erfinder des Nylons

Charakteristisch für Kondensationsreaktionen ist stets die Abspaltung kleiner Moleküle, in den meisten Fällen von Wasser. Reagieren dabei ein Diamin, also ein Amin mit zwei endständigen, funktionellen Amin-Gruppen NH2, und eine Dicarbonsäure, eine Carbonsäure mit zwei endständigen Carboxy-Gruppen COOH, ist das entstehende Polykondensat ein Polyamid. Demzufolge ist eine Vielzahl von weiteren Polyamiden denkbar – und die chemische Industrie hat sie auch entwickelt und nutzbar gemacht.

… und noch einiges mehr über Polyamide

Für die Produktion von Polyamiden haben außer Adipinsäure (1,4-Butandicarbonsäure) sehr bald noch weitere Dicarbonsäuren industrielle Bedeutung erlangt, wie Bernsteinsäure (1,2-Ethandicarbonsäure), Azelainsäure (1,7-Heptandicarbonsäure), Sebacinsäure (1,8-Octandicarbonsäure) und Dodecandicarbonsäure (1,12-Dodecansäure), die meist mit Tetramethylendiamin (1,4-Diaminobutan) oder Hexamethylendiamin (1,6-Diaminohexan) umgesetzt werden. Die Eigenschaften der sich daraus ableitenden Polyamide sind deshalb einander sehr ähnlich.

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Die den Polyamiden zugrunde liegenden, linearen Monomere, die Dicarbonsäure und das Diamin sind über Amid-Bindungen -(CO)-(NH)- miteinander verknüpft. Je Kettenlänge der Ausgangsstoffe werden die verschiedenen Polyamid-Typen durch eine von der Industrie eingeführte, eigene Nomenklatur gekennzeichnet. Sie orientiert sich an der jeweiligen Anzahl der Kohlenstoffatome der Ausgangsstoffe und vermeidet so die komplizierten, oft schwer durchschaubaren chemischen Bezeichnungen.

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Darstellung eines Nylon-Fadens (Polyamid 6.6) im Labor

Für das „klassische“ Nylon, das Polyamid aus Hexamethylendiamin (1,6-Diaminohexan) und Adipinsäure (1,4-Butandicarbonsäure), bei dem sowohl die Dicarbonsäure als auch das Diamin über jeweils 6 Kohlenstoffatome verfügen, ergibt sich demzufolge die Bezeichnung PA 6.6, wobei PA als Kürzel für Polyamid steht. Seine chemische Bezeichnung nach der IUPAC-Nomenklatur lautet hingegen Poly[imino(1,6-dioxohexamethylen)-iminooxohexamethylen], für den Laien kaum durchschaubar!

Der Austausch der beiden Ausgangstoffe durch homologe Dicarbonsäuren oder Diamine führt zu weiteren Polyamiden, wie PA 6.10 aus Hexamethylendiamin mit 6 Kohlenstoffatomen und Sebacinsäure mit 10 Kohlenstoffatomen, PA 6.12 aus Hexamethylendamin mit 6 Kohlenstoffatomen und Dodecandicarbonsäure mit 12 Kohlenstoffatomen oder PA 4.6 aus Tetramethylendiamin mit 4 Kohlenstoffatomen und Adipinsäure mit 6 Kohlenstoffatomen.

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Mono-Carbonsäuren mit endständigen Aminogruppen, wie die ω-Amino-Laurinsäure, setzen sich miteinander selbst um, indem die Aminogruppe NH2 des einen Moleküls mit der Carboxygruppe COOH eines anderen Moleküls reagiert, was ebenfalls zu einem Polyamid führt. Der vereinfachten Nomenklatur zufolge wird dieses Polymer, dem allein die Laurinsäure mit 12 Kohlenstoffatomen zugrunde liegt, mit PA 12 bezeichnet.

Der griechische Buchstabe ω (Omega) zeigt dabei in ebenfalls vereinfachender Schreibweise die Endständigkeit einer reaktiven Gruppe an, hier die Endständigkeit der Aminogruppe.

Ausgangsstoff für das „klassische“ Perlon, dessen Synthese 1937/38 von dem deutschen Chemiker Paul Schlack (1897 – 1987) entwickelt wurde, ist das ringförmige Lactam der ω-Amino-Capronsäure, das Caprolactam, das über 6 Kohlenstoffatome verfügt. Im Verlauf des Perlon-Syntheseprozesses, der mit der Ringöffnung des Lactams und damit der Freisetzung der ω-Amino-Capronsäure einher geht, kann sie sich nunmehr in gleicher Weise, wie die ω-Amino-Laurinsäure, zu dem entsprechenden Polyamid umsetzen. Es erhielt den eingängigen Handelsnamen Perlon. Der Anzahl der Kohlenstoffatome im Ausgangsprodukt Caprolactam folgend heißt das technische Kürzel für Perlon PA 6, nach der gültigen IUPAC-Nomenklatur ist Perlon ein Poly[imino-(1-oxohexamethylen)].

Viele Anwendungen von Nylon, Perlon und Co

Die Hauptmenge der heute großtechnisch produzierten Polyamide wird zu Fasern verarbeitet, die, oft auch zusammen mit anderen Textilfasern, zu Garnen versponnen werden. Sie sind einfärbbar und werden vor allem für die Feinstrumpf-Fertigung eingesetzt, aber auch für die Produktion von Wäsche und Bekleidung aller Art. Auch viele Industrietextilen, wie Netze für die Fischerei, Seile für Hebezeuge, Matten zur Schalldämpfung und trittsichere Fußbodenbeläge haben Polyamide zur Grundlage. Der guten Verträglichkeit und Reißfestigkeit halber sind Nylon- und Perlon-Filamente als nicht resorbierbares Nahtmaterial in der chirurgischen Medizin gefragt. Selbst die Papierindustrie bedient sich der Polyamide, die Fasern als Zuschlagstoffe für die Herstellung fälschungssicherer und verschleißfester Dokumenten-, Wert- und Geldscheinpapiere nutzt.

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Kopfzahnbürsten aus Nylonfasern

… und nicht nur Fasern

Unterdessen ersetzen Polyamide im Maschinen- und Gerätebau sehr oft auch metallische Werkstoffe. Meist sind es Polymerblends, erprobte Gemische aus verschiedenen Polyamiden, deren mechanische Eigenschaften für ihre jeweiligen Einsatzzwecke optimiert worden sind. Die Vorteile solcher nichtmetallischen Ausgangsmaterialien liegen auf der Hand: sie sind schmelzbar, sodass Formteile durch thermische Verfahren, wie Spritzgießen oder Extrudieren, rentabel produziert werden können, sie sind außerdem korrosionsbeständig und haben nur geringeres Eigengewicht. Auch die Formstabilität und Zähigkeit, die eine hohe Verschleiß- und Bruchsicherheit der Produkte gewährleisten, sprechen für die polymeren Materialien aus der Retorte. So zählen Gleitlager, Buchsen, Zahnräder und Laufrollen, aber auch Rohre, Schläuche und Wellrohrschläuche für großlumige, bewegbare Verbindungen sowie Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben, Dübel, Kabelbinder und Siebgewebe zu den Erzeugnissen aus Polyamiden, die an vielen Stellen Metallbauteile nicht nur ersetzen können, sondern ihnen technisch oft sogar überlegen sind.


Bildquelle:
Nylonfaden im Labor | © Superplus – de.wikipedia.org