Wer an die Umweltverschmutzung durch Plastik denkt, hat wahrscheinlich den großen Müllstrudel vor dem geistigen Auge, der auf dem Pazifik treibt. Obwohl dieser auf eine Größe von 1,6 Millionen Quadratkilometer geschätzt wird (was der 4,5-fachen Fläche von Deutschland entspricht), bildet dieser nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Denn ein Großteil der Plastikverschmutzung ist für uns unsichtbar als Mikroplastik über den gesamten Planeten verteilt und gelangt so von den Meeren und Böden der Erde schlussendlich auf unseren Teller.
Wo Kunststoffe sind, ist auch Mikroplastik
Kunststoffe und Produkte aus Plastik sind aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Dank ihrer großen Vielzahl und Variabilität in der Herstellung sind sie ein beliebter Werkstoff für nahezu jede Anwendung: Im Auto oder im Haushalt, beim Brandschutz oder für die Raumfahrt. Dieser ubiquitäre Einsatz zieht dabei eine Frage sofort mit sich: Wenn überall Kunststoffe verwendet werden, was passiert dann mit diesen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden?
Der Kunststoff ist kein Produkt der Moderne, wie man vielleicht meinen könnte. Bereits 1531 synthetisierte der Benediktinerpater Wolfgang Seidl (1491 – 1562) den ersten Kunststoff aus Casein. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden ausschließlich natürliche Kunststoffe hergestellt, wie Celluloid aus Cellulose und Campher. Mit dem 20. Jahrhundert kam dann die Wende hin zu synthetischen Polymeren auf Erdölbasis, welche heute die Mehrzahl aller Kunststoffarten bilden.
Die Kunststoffindustrie ist mittlerweile ein wichtiger Teil der Wirtschaft in Europa und weltweit. Im Jahr 2017 arbeiteten in Europa 1,5 Millionen Menschen in 60.000 Unternehmen dieses Industriezweiges und stellten dabei 60 Millionen Tonnen Kunststoffe im Wert von 350 Milliarden Euro her. Die weltweite Kunststoffproduktion lag 2016 bei 335 Millionen Tonnen. Deutschland stellt in Europa dabei mit 25% den wichtigsten Abnehmer für Kunststoff uns Plastik dar. Die wirtschaftlich bedeutendsten Industrien, die Kunststoffe nutzen, sind die Verpackungsindustrie (40%), das Baugewerbe (20%) und der Automobilbau (10%).
Damit diese unterschiedlichen Industriesparten die Kunststoffteile herstellen können, die wir am Ende in der Hand halten, werden als Ausgangsstoffe kleine Kunststoffpellets genutzt. Diese zählen, ähnlich wie kleine Kunststoffteilchen in Peelings und Kosmetika, zur primären Mikroplastik. Im Unterschied zu diesen bewusst erzeugten Partikeln entsteht die sekundäre Mikroplastik durch Abrieb und Abnutzung von größeren Plastikteilen, z.B. durch Sonnen- und UV-Einstrahlung oder durch das Treiben im Meer. Beiden Partikelarten ist allerdings gemein, dass sie zu großen und oftmals noch kaum abschätzbaren Problemen führen. Diese rühren daher, weil die Kunststoffpartikel schlecht bis kaum biologisch abbaubar sind und so bis zu einigen hundert Jahren in die natürlichen Kreisläufe eingreifen können. Weiterhin ist die Dichte der Kunststoffe oft im Bereich der des Wassers. Somit schwimmen sie einerseits auf dem Wasser, wie z.B. die großen Müllstrudel auf dem Meer, oder treiben im Wasser in verschiedenen Regionen und sind deshalb in allen Tiefen der Weltmeere zu finden.
Was ist Mikroplastik?
Für die Definition von Mikroplastik gibt es unterschiedliche Vorschläge, die sich in der Größeneinteilung der Partikel unterscheiden. So reichen die Kategorien von der Makroplastik, die größere Teile umfassen, wie z.B. Flaschen, über die Mikroplastik bis hin zur Nanoplastik. Eine international verbindliche Klassifizierung oder EU-Richtlinie gibt es noch nicht, im Allgemeinen richtet man sich aber nach der Definition der U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die auch vom deutschen Bundesumweltamt übernommen wurde. Demnach gelten alle Partikel als Mikroplastik, die feste synthetische Polymere und unlöslich in Wasser sind sowie eine Größe von unter 5 mm aufweisen.
Mikroplastik ist ein Industrieprodukt und Bestandteil von Kosmetika, Zahnpasta, Duschgels oder Peelings. Die Partikel sorgen hier durch ihre abrasive Wirkung für einen reinigenden Effekt.
In Windeln werden sie oft als Superabsorber eingesetzt, um die Feuchtigkeit zu binden. Vielfach entsteht die Mikroplastik jedoch unbeabsichtigt, z.B. durch das Waschen von Kleidung aus Kunstfasern, wie Fleecetextilien aus recycelten PET, durch Reifenabrieb oder durch Feinstaub aus Heizungsanlagen. Diese drei Effekte sind für fast 90% der Mikroplastik im Meer verantwortlich. Hinzu kommen kleinere Einflussfaktoren, wie die Schifffahrt oder auch der Abrieb von Kunstrasenplätzen.
Dabei entstehen beträchtliche Mengen. In Deutschland werden pro Jahr 330.000 Tonnen in die Umwelt abgegeben; dies entspricht 4 kg pro Person. Allein durch Kosmetika, sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel werden jedes Jahr 977 Tonnen Mikroplastik ins Abwasser eingetragen. Zwar können in Klärwerken größere Partikel ab 300 µm bis zu 99% entfernt werden, aber kleinere Partikel rutschen durch. Die aufgefangenen Teile bzw. Partikel werden dann mit dem Klärschlamm entsorgt, allerdings können sie erneut in die Umwelt freigesetzt und mobilisiert werden, z.B. wenn der Klärschlamm auf Ackerböden ausgebracht wird. Aus diesem Grund wird der Klärschlamm heute immer öfter verbrannt.
Die Gefahren für die Umwelt
Plastik und Mikroplastik findet sich heute überall auf dem Planeten. Die höchsten Konzentrationen an Partikeln wurden dabei in der Arktis festgestellt, wo ein Eintrag durch Flüsse ausgeschlossen werden kann. Hier wurden in einem Liter Meereis 12.000 Partikel gefunden.
Flüsse spielen allgemein eine sehr große Rolle bei der Verbreitung von Mikroplastik und der Verschmutzung der Meere durch Plastik. In einer Untersuchung von Rhein und Donau wurden an allen untersuchten 25 Zuflüssen in deren Einzugsgebiet Kontaminationen nachgewiesen. Der Rhein transportiert pro Tag 191 Millionen Partikel in den Atlantik, was ungefähr 10 Tonnen pro Jahr entspricht. Insgesamt wird angenommen, dass jedes Jahr weltweit über drei Millionen Tonnen Kunststoffe in die Weltmeere gelangen. Dort verteilen sie sich über alle Bereiche – selbst im Benthal des Marianengrabens, der tiefsten Stelle unserer Weltmeere, konnten Partikel gefunden werden. Dies führt unter anderem auch dazu, dass sämtliche Sandstrände der Erde Mikroplastik enthalten und einige schon zu drei Prozent aus dieser bestehen. Dies ist z.B. an der Nordsee ein großes Problem, da die Kunststoffpartikel in den Lebensraum der Wattwürmer eingreifen und das Ökosystem damit empfindlich stören.
Die Verschmutzung der Meere durch Plastik beeinflusst dabei auch erheblich die Nahrungskette, da diese von Kleinstlebewesen aufgenommen werden, welche wiederum eine wichtige Nahrungsquelle für andere Lebewesen sind. Durch diese wiederholte Wiederaufnahme landen die Partikel in Fischen, Vögeln und letztendlich im Menschen. Doch ist dies nicht das einzige Problem. Mikroplastik im Meer fungiert auch als eine Art Magnet für Schadstoffe. So konnten Untersuchungen nachweisen, dass die Schadstoffkonzentration an diesen Partikeln bis zu einhundert Mal höher ist als im Meerwasser. Dies liegt unter anderem daran, dass viele Kunststoffe Additive und Weichmacher enthalten, um die gewünschten Eigenschaften, wie Weichheit, zu gewährleisten, die jedoch auch hormonell aktiv sein können oder als krebserregend und giftig gelten. Neben diesen in den Kunststoffen enthaltenen Chemikalien lagern sich andere organische Stoffe bevorzugt an den Plastikpartikeln an, welche als persistente organische Schadstoffe, kurz POPs, bezeichnet werden.
Dazu gehören langlebige Umweltgifte, wie z.B. das inzwischen verbotene Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) oder auch brom- und phosphorhaltige Flammschutzmittel.
Bei Untersuchungen in Klärwerken hat sich weiterhin gezeigt, dass sich die Bakteriengattung Spingopyxis vermehrt auf der Mikroplastik ansiedelt. Diese Gattung ist bekannt dafür, Antibiotika-Resistenzen auszubilden, wodurch die potentielle Gefahr besteht, dass dadurch genetische Hotspots entstehen können. Man findet allerdings nicht nur Mikroplastik im Meer oder im Fluss. Eine Untersuchung von Naturschutzgebieten in der Schweiz konnte in 90% aller Böden Plastikpartikel nachweisen. Auch in entlegenen Berggebieten, an denen kein Klärschlamm ausgebracht wird, konnten Kontaminationen festgestellt werden. Dies legt nahe, dass die Partikel durch Windströmungen fortgetragen werden können.
Der Einfluss auf Lebewesen kann dabei nur schwer abgeschätzt werden. In Medikamentenstudien, bei denen Polymere als Träger für Wirkstoffe genutzt wurden, konnte gezeigt werden, dass die Kunststoffe den Körper problemlos wieder verlassen. Bei Untersuchungen mit Muscheln, Fischen und Ratten zeigten sich jedoch Wechselwirkungen, z.B. Entzündungen im Darm oder das Übertreten von Partikeln von der Lunge ins Blut und sogar in die Plazenta.
Bei den schon erwähnten Wattwürmern hat sich gezeigt, dass diese oft Mikroplastik mit aufnehmen, diese jedoch nicht verarbeiten können. So sammelt sich der Kunststoff im Verdauungstrakt an, sodass die Würmer im wahrsten Sinne mit vollem Bauch verhungern. Insbesondere sind die Wechselwirkungen der Organismen mit den chemischen Additiven und Umweltgiften nur schwer abschätzbar.
Was können wir dagegen tun?
Um der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik entgegen zu wirken, gibt es zahlreiche Möglichkeiten – von ganz klein bis ganz groß. So kann jeder einzelne schon mithelfen, indem man versucht, auf Kunststoffverpackungen zu verzichten oder Kosmetik ohne Kunststoffe kauft. Auch eine Reduzierung oder ein Verzicht auf das Fahren mit dem Auto kann helfen, da so der Reifenabrieb vermindert wird. Wer Zigaretten raucht, sollte den Filter hinterher nicht einfach auf den Boden werfen, da auch dieser eine Quelle für Mikroplastik ist. Wer beim Einkaufen bewusst auf Plastik und Mikroplastik verzichten will, kann dabei auch auf Ratgeber zurückgreifen, die z.B. vom „BUND“ bereit gestellt werden. Diese kleinen Maßnahmen können schon einen großen Beitrag dazu leisten, die Umwelt sauberer zu halten.
Im größeren Maßstab gibt es regelmäßige Sammelaktionen, z.B. das „Fishing for Litter“ der „KIMO“-Organisation, deren Mitglieder sich jedes Jahr am 25. September treffen, um die Nord- und Ostsee von Plastikmüll zu befreien. Ähnliche Aktionen werden auch vom deutschen „NABU“ oder der internationalen „Sea Shepherd Conservation Society“ durchgeführt. Für die größere Säuberung der Meere gibt es bereits einige Pilotprojekte, die sich damit befassen, z.B. „The Ocean Cleanup“ oder das „Pacific Garbage Screening“. Diese versuchen, mithilfe von schwimmenden Plattformen, Plastik im Meer selektiv zu entfernen, ohne dabei anderen Lebewesen zu schaden.
Eine weitere Möglichkeit, um das Problem direkt am Ursprung anzugehen, ist es, umweltverträglichere Kunststoffe herzustellen. Diese sollen leichter abbaubar sein und weniger Schadstoffe enthalten.
Zwar werden schon heute Biokunststoffe vertrieben, diese sind aber nicht zwangsläufig biologisch abbaubar und basieren oftmals weiterhin auf Erdöl. Hier ist das große Problem, dass Biosiegel mit keinerlei konkreten Forderungen verbunden sind, wie beispielsweise die vielen Biosiegel der Agrarindustrie. Eine verbindliche Forderung mit dazugehörigen EU-Richtlinien könnte hier nötige Anreize schaffen, um die zukünftigen Kunststoffe umweltfreundlicher zu gestalten.
Mikroplastik auf einen Blick
Müll aus Plastik und Mikroplastik sind überall: In den Weltmeeren, im Eis der Arktis, in den Böden und in den Tieren auf unserem Teller. Drei Millionen Tonnen Mikroplastik gelangen jedes Jahr in das Meer, zu 98% kommt es dabei von Land, z.B. durch Reifenabrieb, Kunststoff-Müll und Feinstaub.
Die Folgen und Gefahren für die Umwelt sind dabei nur schwer abzuschätzen. Sicher ist jedoch, dass eine derartige Verschmutzung durch Plastik und umweltgefährdende, giftige Chemikalien eine große Gefahr für uns alle darstellt.
Durch mehr Bewusstsein beim Einkaufen und der Müllentsorgung kann jeder mithelfen, die Umweltverschmutzung zu verringern.
Auch großangelegte Projekte und Sammelaktionen bieten zahlreiche Möglichkeiten, die Erde wieder zu säubern. Dies sollten wir alle wahrnehmen, denn eine saubere Umwelt kommt am Ende uns allen zu Gute.