Weichmacher im Alltag und ihre gesundheitlichen Folgen

Viele der handelsüblichen Kunststoffe sind an für sich bei Raumtemperatur hart und spröde und erst der Zusatz von speziellen Additiven, den sogenannten Weichmachern, ermöglicht ihre Verarbeitung und Anwendung für alltägliche Gebrauchsgegenstände. Am weitverbreitetsten sind sie in Produkten für die Bauindustrie wie Fußbodenbeläge, Rohre, Dichtungsmassen, Tapeten, Kabelummantelungen, Klebstoffe, Farben und Lacke. Ebenso findet man sie in Verpackungen, Spielzeugen, Sport- und Freizeitartikeln oder im medizinischen Bereich in Schläuchen, Kathetern, Handschuhen, Kontaktlinsen, Blutbeuteln, Urinbeuteln, Infusionsbeuteln, Dialysebeuteln, Magensonden und als Hilfsstoffe für Arzneimittel um Kap­seln flexibler zu machen. Der typische Neuwagengeruch lässt sich oftmals auf die Ausdünstung von Weichmachern aus der Innenausstattung zurückführen und sogar zur Veredelung von Textilien werden sie eingesetzt.

Weitestgehend handelt es sich dabei um Materialien aus Polyvinylchlorid (PVC), aber auch in Polystyrol (PS), Kautschuk, Nitril-Kautschuk (NBR), Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Polychloropren (CR), Polyvinylalkohol (PVA) oder in thermoplastischem Polyurethan (TPU) sind sie oftmals enthalten.

In der Vergangenheit erlangten Weichmacher in der Öffentlichkeit immer wieder unrühmliche Bekanntheit, da viele dieser plastifizierenden Stoffe nachweislich reproduktionstoxische Wirkung besitzen oder unter dem Verdacht stehen.

Insbesondere warnen Verbraucherschützer diesbezüglich vor gesundheitsgefährdenden Substanzen in Babyartikeln, Kinderspielzeug und Trinkflaschen. Laut einer deutschen Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern (GerES 2003-2006) ließen sich erhöhte Konzentrationen verschiedener Metaboliten von Weichmachern im Urin von Minderjährigen finden.

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Insbesondere junge Kinder sind belastet, da sie beim Spielen auf dem Fußboden einer höheren Schadstoffkonzentration aus­gesetzt sind und weichmacherenthaltende Alltagsgegenstände in den Mund nehmen könnten. Zudem besitzen sie einen schnelleren Stoffwechsel als Erwachsene und atmen bezogen auf ihr Körpergewicht mehr Luft ein.

Welche Weichmacher werden verwendet?

Zur Einstellung gewünschter Materialeigenschaften gilt es viele Kriterien zu beachten, weshalb sich die Industrie auch an einer Vielzahl von unterschiedlichen Weichmachern bedient. Da ihr Zusatz, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Additiven, bis zu 50 Gew.-% der Formulierung ausmachen kann, haben Weichmacher einen enormen Einfluss auf die Wärmeverformbarkeit, Kältebruchtemperatur, Dehnbarkeit und Bruchfestigkeit von Kunststoffen. Ebenso können die Chemikalien-, Hydrolyse- und UV-Beständigkeit als auch der elektrische Durchschlagswiderstand oder die elektrische Durchschlagsfestigkeit drastisch beeinflusst werden.

Die wohl bedeutendste Stoffklasse unter den Weichmachern stellen die Phthalsäureester dar, die auch als Phthalate bezeichnet werden.

Laut dem Industrieverband ECPI (European Council for Plasticisers and Intermediates) liegt die jährliche Produktion in Westeuropa bei etwa einer Million Tonnen, von denen wiederum 90 Prozent als Weichmacher in Materialien aus Weich-PVC zum Einsatz kommen. Neben ihrer breiten Verträglichkeit bei der Einarbeitung in die Kunststoffe und ihrer sehr guten Beständigkeit gegenüber Wasser und Ölen weisen sie noch viele weitere positive Eigenschaften auf.

Ein weiterer prominenter Kandidat ist das Bisphenol A (BPA), das seit den 1960er Jahren zur Herstellung von Polycarbonaten, Epoxiden, Polyestern und anderen Kunstharzen oder als Weichmacher verwendet wird. Aufgrund seiner vorteilhaften chemischen und physikalischen Eigenschaften findet es breite Anwendung in Kunststoff-Artikeln aller Bereiche und sogar in Beschichtungen für die Innenseiten von Getränke- und Konservendosen.

Einsatz von Weichmachern in Europa nach Anwendungsgebiet weichmacher
Einsatz von Weichmachern in Europa nach Anwendungsgebiet

Gesundheitlich weniger bedenkliche, aber wesentlich teurere Stoffe sind Ester der Adipinsäure, welche für ihre hohe UV-Beständigkeit bekannt sind, oder Trimellitsäureester, die aufgrund ihrer niedrigen Flüchtigkeit gerne im Innenraum von Automobilen eingesetzt werden.

Für Lebensmittelverpackungen, Medizinprodukte, Kosmetik und Kinderspielzeug gewinnen dahingegen biobasierte Stoffe wie Citrate, epoxidiertes Sojabohnenöl (ESBO) und Fettsäureester immer mehr an Beliebtheit. Zu erwähnen sind auch noch Chlorparaffine, Phosphorsäureester, Hydroxycarbonsäureester oder Polyester.

Wie gelangen Weichmacher in den menschlichen Körper und was sind die gesundheitlichen Folgen?

Weichmacher sind vorwiegend niedermolekulare Substanzen, die sich zwischen die einzelnen Polymerketten des Kunststoffs legen und deren dreidimensionale Struktur auflockern, also weich machen. Dies hat eine Absenkung der Glasübergangstemperatur zur Folge und verleiht den Kunststoffen dadurch eine höhere Flexibilität. Doch gerade auf­grund ihrer geringen Größe, und da sie nicht chemisch an die Polymermatrix gebunden sind, migrieren Weichmacher aus dem Kunststoff in die Umwelt.

Mit fortschreitendem Austritt des Weichmachers wird der Kunststoff langsam spröder und verliert an Elastizität.

Interessanterweise findet die Stofffreisetzung fast ausschließlich während der Nutzung und nicht der Herstellung oder Verarbeitung der Materialien statt. Letztendlich gelangen die Weichmacher dann über Haut­kontakt, durch die Aufnahme über kontaminierte Lebensmittel oder das Einatmen partikelbelasteter Luft in den menschlichen Körper. Auch wenn für Lebensmittverpackungen kaum noch Weichmacher zum Einsatz kommen, kann es jedoch bereits bei der Verarbeitung, Abfüllung und dem Transport zu einem unerwünschten Stoffübertrag durch den Kontakt mit Behältern, Maschinenbauteilen, Kochgeräten oder Schläuchen kommen.

Kleinkinder werden durch weichmacherenthaltende Alltagsgegenstaende und Spielzeuge besonders stark belastet weichmacher
Kleinkinder werden durch weichmacherenthaltende Alltagsgegenstände und Spielzeuge besonders stark belastet

Die Wechselwirkung mit dem menschlichen Organismus kann zu einer nachhaltigen Störung des natürlichen Immun- und Hormonsystems führen, was schwerwiegende Krankheiten wie eine gestörte Geschlechtsentwicklung, Brustkrebs, Allergien, Asthma, Diabetes oder Unfruchtbarkeit zur Folge haben kann. Die Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern im Mutterleib ist ebenfalls möglich.

Regulatorische Anforderungen an Weichmacher

In der EU-Chemikalienverordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) wird die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe innerhalb der Mitgliedstaaten der EU seit 2007 geregelt. Ihr Zufolge ist das Inverkehrbringen chemischer Stoffe ausschließlich nach einer vorab erfolgten Registrierung erlaubt. Stoffe, die bei der anschließenden Bewertung als besonders besorgniserregend eingestuft wurden, kommen auf eine Kandidatenliste, auch besser bekannt als S.I.N. Liste (engl. substitute it now).

Mit Hilfe des SINimilarity Tools kann man schnell und einfach online überprüfen, ob eine Substanz in dieser Liste aufgenommen ist oder einer bereits gelisteten chemischen Verbindung strukturell stark ähnelt. Wird ein besonders besorgniserregender Stoff oder sogenannter SVHC (engl. substance of very high concern) im weiteren Verlauf in das Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe nach Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen, unterliegt er zwingend einer Genehmigungspflicht.

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Somit sind die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung untersagt und müssen durch ein gesondertes Zulassungsverfahren beantragt und gegebenenfalls bewilligt werden. Ein SVHC kann allerdings auch gemäß Anhang XVII einem Beschränkungsverfahren unterzogen werden, dass lediglich das Verbot für bestimmte Anwendungen vorsieht.

Die am häufigsten eingesetzten Weichmacher sind Phthalate, von denen mehrere hinsichtlich ihrer wahrscheinlich reproduktionstoxischen Wirkung nach Anhang XIV Artikel 65 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 seit 2015 zulassungspflichtig sind.

Unter besagte Kandidaten fallen Di(2-ethylhexyl) phthalat (DEHP), Dibutylphthalat (DBP) und Benzylbutylphthalat (BBP). Anhang XIV Artikel 67 in Verbindung mit Anhang XVII Eintrag 51 verbietet ihre europaweite Anwendung in Babyartikeln und Spielzeugen ab einer Konzentration von 0,1 Gew.-%. Als Alternativen dienen die unter Anhang XVII Eintrag 52 geführten, für die menschliche Gesundheit weniger kritisch bewerteten Phthalate Diisononylphthalat (DINP), Diisodecylphthalat (DIDP), Diisobutylphthalat (DIBP) und Di-n-octylphthalat (DNOP). Die dermale Aufnahme bei Menschen spielt bei diesen längerkettigen Derivaten eine weniger ausgeprägte Rolle. Daher ist ihre Verwendung lediglich in Spielzeugen und Babyartikeln verboten, bei denen die Gefahr besteht, dass Kinder sie in den Mund nehmen.

Die mittlerweile in Kraft getretenen Änderungsverordnungen (EU) Nr. 2020/1149 und (EU) Nr. 2018/2005 weiten dieses Verbot nun allerdings auf die Verwendung in sonstigen Produkten mit Körperkontakt aus und schließen ebenfalls DIBP mit ein. Die Phthalate DEHP, BBP, DBP und DIBP sind laut der RoHS-Richtlinie RL Nr. 2011/65/EU zusätzlich für Elektronikgeräte ab einer Konzentration 0,1 Gew.-% nicht mehr einsetzbar.

Kunststoff-Kabelummantelung, die nach Diffusion und Ausdampfen der enthaltenen Weichmacher sproede und unflexibel geworden ist weichmacher
Kunststoff-Kabelummantelung, die nach Diffusion und Ausdampfen der enthaltenen Weichmacher spröde und unflexibel geworden ist

In Anbetracht seiner reproduktionstoxischen und hormonellen Wirkung auf Menschen und Umweltorganismen führt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) Bisphenol A seit 2017 ebenfalls als besorgniserregenden Stoff in ihrer SVHC-Kandidatenliste gemäß Artikel 59 Absatz 10. Es steht auch unter Verdacht, das Wachstum bestimmter Tumore zu begünstigen und eine schädigende Wirkung auf Leber, Niere und die Brustdrüse zu haben.

Wie kann man sich als Verbraucher schützen und was sind die Alternativen?

Oftmals kann der Verbraucher nur schwer nachvollziehen, ob sich in einem Produkt oder einem Kunststoff gesundheitsgefährdende Stoffe befinden, da in vielen Fällen keine Kennzeichnungspflicht seitens des Herstellers vorliegt. Sollte in einem Erzeugnis jedoch mindestens ein SVHC mit 0,1 Gew.-% oder mehr enthalten sein, so besteht nach Artikel 33 der REACH Verordnung auf Anfrage eine Informationspflicht gegenüber privaten Verbrauchern. Unterstützung hierbei liefert das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite oder die Smartphone-App Scan4Chem. Neben der Ankündigung der Europäischen Kommission, dass die Verwendung von SVHCs noch stärker überwacht und eingeschränkt werden soll, müssen seit dem Januar 2021 Erzeugnisse, in denen mehr als 0,1 Gew.-% eines SVHCs vorliegt, zudem in der SCIP-Datenbank der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) registriert werden.

Da Weichmacher unter Verdacht stehen sich im Körper über lange Zeit anzureichern, empfehlen Verbraucherschützer idealerweise auf Kunststoffe mit zugesetztem Weichmacher ganz zu verzichten oder auf andere Materialien umzusteigen.

Praktisch gar keine Rolle spielen Weichmacher z.B. in Produkten aus Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) oder auch Poly­ethylen­terephthalat (PET) und anstatt Bodenbelägen aus Kunststoff könnte man Holzböden oder Fließen verwenden. Des Weiteren sollte man bei Lebensmittelkontakt keine unbekannten Materialien verwenden. In dem Fall lohnt sich ein Blick in die EU Verordnungen (EG) Nr. 1935/2004 und (EU) 10/2011 der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

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Eine weitere Möglichkeit stellt der Einsatz von Copolymeren zur Einstellung der gewünschten Elastizität dar. Da hier keine Weichmacher migrieren können, bliebe darüber hinaus die Flexibilität selbst über lange Zeit beibehalten. Allerdings ist die Synthese wesentlich kostspieliger als das einfache Beimischen eines Additivs. Auch wenn die bereits erwähnten biobasierten Rohstoffe einen großen Charme besitzen, sind auch hier oftmals finanzielle Aspekte ein Grund, warum sie nur bedingt als Alternative herangezogen werden.

Das immer noch weitverbreitete, aber in Verruf geratene DEHP wird heutzutage in vielen Fällen durch Diisononylcyclohexan-1,2-dicarboxylat (DINCH) ersetzt. Allerdings ist dies nicht ganz ungefährlich, da für DINCH, ebenso wie für viele andere alternative Stoffe, meist nur wenige toxikologische Daten zur Risikoabschätzung vorliegen.

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