Korrosionsschutz in der Chemietechnik

Wenn Materialwahl über Lebensdauer und Sicherheit entscheidet

In der Chemietechnik sind Materialien ständigen Belastungen ausgesetzt. Insbesondere die Korrosion stellt eine unsichtbare Bedrohung dar und kann massive wirtschaftliche Schäden und erhebliche Sicherheitsrisiken verursachen. Doch wie lassen sich Anlagen und Bauteile vor diesem „stillen Feind“ schützen? Der Schlüssel liegt im gezielten Korrosionsschutz, der durch die Wahl geeigneter Materialien und gezielter Schutzmaßnahmen die Lebensdauer von Anlagen erhöht und Unfälle vermeidet. Eine herausragende Eigenschaft ist dabei die Korrosionsbeständigkeit von Werkstoffen.

Was ist Korrosion und welche Korrosionsarten gibt es?

Korrosion ist die unerwünschte Zerstörung eines Werkstoffs, meist eines Metalls, durch chemische oder elektrochemische Reaktionen mit seiner Umgebung. Man kann sich das vorstellen wie einen Rostprozess, der weit über das bekannte Rosten von Eisen hinausgeht.

Denn Korrosion kann viele verschiedene Formen annehmen und in der Chemietechnik komplexe Auswirkungen haben. Um wirksame Schutzmaßnahme zu ergreifen, gilt es zunächst zu verstehen, welche Art von Korrosion vorliegt.

Flächenförmige Korrosion, Lochfraßkorrosion & Spaltkorrosion

Eine der häufigsten Erscheinungsformen ist die flächenförmige Korrosion, bei der das Material gleichmäßig über die gesamte Oberfläche abgetragen wird. Sie ist oft sichtbar und kann durch regelmäßige Inspektion erkannt werden. Wesentlich tückischer ist die Lochfraßkorrosion, die kleine, tiefe Löcher in das Material frisst und oft schwer zu entdecken ist, bevor es zu Leckagen kommt. Sie tritt meist an passivierten Metallen wie Edelstählen auf, wenn deren schützende Oxidschicht lokal durchbrochen wird. Auch die Spaltkorrosion entsteht an engen Spalten oder unter Ablagerungen. Dort können sich aggressive Substanzen konzentrieren, die den Sauerstoffgehalt senken und so die Passivierung aufheben.

Kontaktkorrosion

Eine weitere kritische Form ist die Kontaktkorrosion. Diese entsteht, wenn zwei unterschiedliche Metalle in Gegenwart eines Elektrolyten – etwa Wasser – miteinander in Kontakt kommen und ein galvanisches Element bilden, bei dem das unedlere Metall geopfert wird.

Kontaktkorrosion: Schrauben und Muttern aus rostfreiem Stahl mit korrodierten Unterlegscheiben auf einer verzinkten Stahlplatte
Kontaktkorrosion: Schrauben und Muttern aus rostfreiem Stahl mit korrodierten Unterlegscheiben auf einer verzinkten Stahlplatte

Dies ist besonders relevant, wenn verschiedene Metalle in einer Anlage verbaut werden, etwa bei Schrauben, Dichtungen oder Flanschen.

Interkristalline Korrosion, Selektive Korrosion & Spannungsrisskorrosion

In der Chemietechnik treten zudem oft spezifische Korrosionsarten auf, wie die interkristalline Korrosion, die entlang der Korngrenzen eines Metalls verläuft, oder die selektive Korrosion, bei der gezielt ein Legierungsbestandteil herausgelöst wird. Ein Beispiel hierfür ist die Entzinkung von Messing. Eine weitere gefährliche Form ist die Spannungsrisskorrosion, bei der unter gleichzeitiger Einwirkung von Zugspannung und einem korrosiven Medium Risse im Material entstehen können, die zum plötzlichen Versagen führen. Das Verständnis dieser Mechanismen und die angestrebte Korrosionsbeständigkeit sind die Basis für wirksamen Korrosionsschutz. Nur wer die Ursachen kennt, kann die passenden Korrosionsschutzmaßnahmen ergreifen.

Strategien zum Korrosionsschutz: Welche Schutzmaßnahmen gibt es?

Um Materialien in der Chemietechnik effektiv vor Korrosion zu schützen, gibt es verschiedene Korrosionsschutzmaßnahmen. Diese lassen sich grob in aktive und passive Ansätze unterteilen, die oft kombiniert werden, um einen umfassenden Korrosionsschutz zu gewährleisten.

Aktiver Korrosionsschutz: Die vorausschauende Verteidigung

Beim aktiven Korrosionsschutz wird gezielt in den Korrosionsprozess eingegriffen, um ihn zu verhindern oder zu verlangsamen. Die bekannteste Methode ist der kathodische Korrosionsschutz (KKS). Dabei wird das zu schützende Metallbauteil zur Kathode einer elektrochemischen Zelle gemacht. Dies kann auf zwei Vorgehensweisen geschehen: Einerseits durch den Einsatz von Opferanoden – unedlere Metalle wie Magnesium, Zink oder Aluminium, die sich bevorzugt auflösen und dadurch das eigentliche Bauteil schützen. Andererseits durch Anlegen einer äußeren Stromquelle (Fremdstrom-KKS), die permanent Elektronen in das System einspeist. Beide Methoden verschieben das elektrochemische Potenzial des zu schützenden Metalls in einen Bereich, in dem Korrosion nicht mehr stattfindet oder stark verlangsamt wird.

Der kathodische Korrosionsschutz hat den Vorteil, dass er auch nachträglich installiert werden kann und einen umfassenden Schutz bietet, selbst bei kleineren Beschädigungen der Oberfläche oder an schwer zugänglichen Stellen. Er ist besonders effektiv bei unterirdischen Rohrleitungen, Fundamenten von Tanks oder Schiffsrümpfen, wo eine visuelle Inspektion schwierig ist.

PFA-Chemieschlauch PTFE-Chemieschlauch - standard

Allerdings erfordert der KKS eine regelmäßige Überwachung der Schutzströme und -potenziale sowie eine Wartung der Opferanoden oder der Fremdstromanlage. Insbesondere bei komplexen Rohrleitungssystemen oder Behältern ist der kathodische Korrosionsschutz in der Chemietechnik eine bewährte Methode, um die Lebensdauer der Anlagen zu erhöhen. Dabei steht immer die optimale Korrosionsbeständigkeit der gesamten Installation im Vordergrund.

Passiver Korrosionsschutz: Die schützende Barriere

Passiver Korrosionsschutz zielt darauf ab, den direkten Kontakt zwischen dem Material und seiner korrosiven Umgebung zu verhindern. Die jeweiligen Maßnahmen bilden eine schützende Barriere, die das aggressive Medium vom Werkstoff fernhält. Dazu gehören vor allem:

Korrosionsbeständige Werkstoffe

Die einfachste und oft effektivste Maßnahme ist die Auswahl von Materialien, die von Natur aus eine hohe Korrosionsbeständigkeit aufweisen. Dazu zählen rostfreie Edelstähle wie der austenitische Stahl 1.4404 oder Duplexstähle, die eine schützende Passivschicht ausbilden und so ihre Korrosionsbeständigkeit unter bestimmten Bedingungen gewährleisten. Aber auch korrosionsbeständige Legierungen wie die Nickelbasislegierungen Hastelloy und Inconel oder Titanlegierungen kommen bei besonders aggressiven Medien wie konzentrierten Säuren oder hochsalzhaltigen Lösungen zum Einsatz. Selbst bestimmte korrosionsbeständige Metalle wie Aluminium oder Nickel werden angewandt, oft in Form von Beschichtungen oder als Bestandteil von Legierungen.

Kunststoffe wie PTFE (Polytetrafluorethylen) oder PFA (Perfluoralkoxy-Polymere) sind aufgrund ihrer hohen chemischen Inertheit und breiten Temperaturbeständigkeit ebenfalls hervorragende korrosionsbeständige Werkstoffe und werden häufig für Auskleidungen, Schläuche, Dichtungen und Beschichtungen in der Chemietechnik eingesetzt – insbesondere dort, wo metallische Werkstoffe versagen würden.

Gerader-Rohrverbinder mit Außengewinde aus PA oder PVDF Gerader-Rohrverbinder mit Außengewinde aus PP, PVDF oder PTFE

Beschichtungen

Eine weitere wichtige Korrosionsschutzmaßnahme sind Oberflächenbeschichtungen, die eine physikalische Barriere zwischen dem Material und dem korrosiven Medium bilden und maßgeblich zur Korrosionsbeständigkeit beitragen. Bestehen können sie aus organischen Polymeren wie Epoxidharzen, Polyurethanen oder Fluorkunststoffen, ebenso aus anorganischen Materialien wie Keramik, Emaille oder Glas sowie anderen Metallen wie Verzinkung, Verchromung oder Vernickelung. Die Auswahl der Beschichtung hängt maßgeblich von der aggressiven Umgebung, den mechanischen Belastungen oder der gewünschten Lebensdauer ab. Moderne Beschichtungen sind hochleistungsfähig und können selbst unter extremen Bedingungen zuverlässigen Schutz gewährleisten.

Inhibitoren

Korrosions-Inhibitoren sind chemische Substanzen, die in geringen Konzentrationen dem korrosiven Medium zugesetzt werden, um eine Korrosion zu verlangsamen oder zu verhindern. Sie bilden oft eine Schutzschicht auf der Metalloberfläche oder verändern die Eigenschaften des Elektrolyten, was die Korrosionsbeständigkeit der betroffenen Bauteile erhöht. Korrosionsinhibitoren werden häufig in Kühlwassersystemen, Heizungsanlagen sowie in Ölleitungen wie auch Gasleitungen eingesetzt.

Korrosionsschutzklassen und Prüfung der Korrosionsbeständigkeit

Zur Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen gegen Korrosion gibt es Korrosionsschutzklassen, die die Korrosivität verschiedener Umgebungen beschreiben.

Die Korrosionsschutz-Klassifikation, die beispielsweise in der Norm EN ISO 12944 definiert ist, reicht von C1 (sehr geringe Korrosivität, etwa Innenräume mit geringer Feuchte) bis C5 (sehr hohe Korrosivität, beispielsweise Industriegebiete mit hoher Luftverschmutzung oder Meerwasserumgebungen).

Diese Einstufung berücksichtigt die erwartete Korrosionsbeständigkeit von Materialien unter verschiedenen atmosphärischen Bedingungen und gibt Empfehlungen für den Einsatz geeigneter Korrosionsschutzmaßnahmen.

Vor dem Einsatz von Werkstoffen oder Beschichtungen in der Praxis muss deren Korrosionsbeständigkeit umfassend geprüft werden. Dazu dienen verschiedene Labor- und Langzeitprüfverfahren. Im Labor werden Materialien unter beschleunigten Bedingungen aggressiven Medien ausgesetzt, um ihre Beständigkeit gegenüber bestimmten Korrosionsarten zu simulieren. Dies kann in Salznebelkammern, bei Klimawechseltests oder Immersionsversuchen erfolgen. Solche Prüfungen sind entscheidend, um die Leistungsfähigkeit korrosionsbeständiger Werkstoffe und Beschichtungen zu validieren und unerwartete Ausfälle in der Chemietechnik zu vermeiden.

Aktuelle Entwicklungen und die Bedeutung in der Chemietechnik

Die Forschung im Bereich des Korrosionsschutzes schreitet stetig voran. Immer widerstandsfähigere Werkstoffe entstehen, die hohen Temperaturen, aggressiven Chemikalien und extremen Drücken noch besser standhalten und korrosionsbeständiger sind. Ein aktueller Trend sind neuartige Hochleistungspolymere und Verbundwerkstoffe, die die Vorteile von Kunststoffen und Metallen kombinieren, um eine maximale Korrosionsbeständigkeit zu erzielen.

Aktiver Korrosionsschutz: Korrodierte Opferanode an einem Schiffsrumpf
Aktiver Korrosionsschutz: Korrodierte Opferanode an einem Schiffsrumpf

Auch innovative Beschichtungstechnologien, wie Nanobeschichtungen oder selbstheilende Systeme, versprechen einen noch effektiveren und deutlich nachhaltigeren Schutz. Selbstheilende Beschichtungen können kleinste Risse oder Beschädigungen selbst reparieren, wodurch der Korrosionsschutz über längere Zeiträume ohne manuelles Eingreifen aufrechterhalten wird. Zudem gewinnen intelligente Sensorsysteme, die frühzeitig Korrosionsprozesse erkennen, zunehmend an Bedeutung und erhöhen die Sicherheit in der Chemietechnik. Diese smarten Überwachungssysteme ermöglichen eine vorausschauende Wartung, bevor größere Schäden entstehen, und sind ein wichtiger Baustein für die Digitalisierung chemischer Anlagen im Sinne von Industrie 4.0.

Viele in der Chemietechnik eingesetzte Produkte, darunter Schläuche, Dichtungen, Auskleidungen oder Laborgeräte, sind essenziell für den Korrosionsschutz in chemietechnischen Anlagen. Sie bestehen aus Materialien mit hoher Korrosionsbeständigkeit – etwa speziellen Kunststoffen wie PTFE und PFA, hochwertigen Elastomeren und metallischen Werkstoffen, die für den Einsatz in aggressiven Umgebungen optimiert sind. Die sorgfältige Auswahl dieser Komponenten trägt entscheidend zur Langlebigkeit und Betriebssicherheit industrieller Anlagen bei.

Sechskantschraube (DIN 933) aus PVDF Sechskantmutter (DIN 934) aus PP

Der Korrosionsschutz bleibt ein zentrales Thema in der Chemie und Chemietechnik. Er ist nicht nur eine technische Notwendigkeit, sondern verlängert auch die Lebensdauer von Anlagen, senkt den Ressourcenverbrauch und verhindert die Freisetzung schädlicher Stoffe. Mit fundiertem Wissen über Korrosionsarten und die Anwendung gezielter Korrosionsschutzmaßnahmen können Unternehmen nicht nur kostspielige Schäden vermeiden, sondern auch Mitarbeiter und Umwelt schützen. Die ständige Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit von Materialien ist dabei ein Schlüssel zum Erfolg und eine spannende Herausforderung für Werkstoffingenieure und Chemiker gleichermaßen.

Bildquellen:
Beitragsbild | © Pawich Sattalerd – stock.adobe.com
Kontaktkorrosion | © D3j4vu in der Wikipedia auf Englisch, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons
Korrodierte Opferanode an einem Schiffsrumpf | © Zwergelstern, CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons

Über Reichelt Chemietechnik

Die Produktpalette von RCT Reichelt Chemietechnik umfasst über 80.000 verschiedene Produkte, die unter anderem im Maschinenbau, in der Chemietechnik, der Verfahrenstechnik und der Medizintechnik eingesetzt werden. Das Motto des Heidelberger Unternehmens lautet „Vertrieb von Kleinmengen“ - das bedeutet, dass alle Produkte in kleinen Mengen oder Längeneinheiten bestellt werden können. Dazu gehören auch Nischenprodukte, wie z.B. spezielle Schlauchverbinder oder Schläuche mit ungewöhnlichen Abmessungen, die normalerweise nicht in kleinen Losgrößen auf dem Markt erhältlich sind.