Im Labor ist der Umgang mit Chemikalien eine Wissenschaft für sich. Lange bevor es zu einem Laborversuch kommt oder eine Synthese beginnt, ist viel Sachverstand notwendig, um auch mit giftigen Chemikalien sicher umgehen zu können. Abseits aller Verordnungen, Etikettierungen, Gefahrenklassen und Arbeitsschutzbestimmungen steht eines ganz oben: größtmögliche Sorgfalt. Gute Chemiker stehen wohl deshalb in dem Ruf, einen aufgeräumten Arbeitsplatz zu haben – und dies nicht erst zum Feierabend.
Das Wichtigste zuerst: Sicherheit und Hinweise darauf
Nicht jedes weiße Pulver ist Soda und nicht alle weißen Kristalle sind Kochsalz. Den meisten Chemikalien ist ihre Gefährlichkeit nicht auf den ersten Blick anzusehen und manche wirken schon in geringen Konzentrationen ätzend oder anderweitig schädigend auf den menschlichen Organismus.
Beinahe selbstverständlich ist, dass Lösungsmittel, Säuren, Basen & Co. nicht offen oder in unbeschrifteten Gefäßen gelagert werden dürfen. Im Gegenteil: Ob Glasflasche, Kanister, Fass oder Kunststoffbehälter – auf jedem Aufbewahrungsgebinde klebt ein detailliertes Etikett. Die Beschriftung ist vollständig, wenn der Name und die Konzentration der Chemikalie genannt ist, die Gefahrstoffsymbole zu erkennen sind, die Sicherheitshinweise nicht fehlen und das Gefahrenpiktogramm sofort ins Auge fällt.
Von explosiv bis ätzend: Je kleiner die Zahl, umso gefährlicher
Am auffälligsten sind die Piktogramme, mit denen die Gefahrstoffe gekennzeichnet sind. Und nicht nur das Symbol No. 6 mit einem Totenkopf macht unmissverständlich klar, dass mit vielen Stoffen nicht zu spaßen ist.
Um mit einem Blick zu erkennen, wie gefährlich ein Stoff ist, führt die nationale Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Gefahrstoffklassen auf, die gleichzeitig einen Hinweis geben, wie die jeweilige Substanz gelagert werden soll oder muss. Im Wesentlichen unterscheidet die GefStoffV neun Gefährdungsstufen.
- Explosivstoffe: Stoffe und Gemische, die explodieren können.
- Gase: Entzündbare, giftige, oxidierende, erstickende oder unter Druck stehende Gase.
- Entzündliche Flüssigkeiten: Flüssigkeiten, die sich leicht entzünden und Feuer fangen können.
- Entzündliche Feststoffe: Feststoffe, die sich leicht entzünden und Feuer fangen können.
- Oxidierende Stoffe: Stoffe, die andere Stoffe leicht entzünden können.
- Giftige Stoffe: Stoffe, die beim Einatmen, Verschlucken oder über die Haut aufgenommen werden können und zu Gesundheitsschäden führen können.
- Ätzende Stoffe: Stoffe, die Haut, Augen und Schleimhäute angreifen können.
- Gesundheitsschädliche Stoffe: Stoffe, die beim Einatmen, Verschlucken oder über die Haut aufgenommen werden können und zu Gesundheitsschäden führen können.
- Umweltgefährdende Stoffe: Stoffe, die die Umwelt schädigen können.
Für jede Stufe steht ein eigenes Gefahrenpiktogramm. Ob es die Explosion ist oder der tote Fisch: die Symbolik der Piktogramme lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Lagerung von Chemikalien gut planen und sorgfältig umsetzen
Nachlässigkeiten können sich rächen, entweder durch verunreinigte Produkte oder sogar Unfälle. Flusssäure (Fluorwasserstoffsäure; HF) zum Beispiel sollte keineswegs in einer Glasflasche aufbewahrt werden. Mehr noch als starke Laugen oder konzentrierte Schwefelsäure greift Flusssäure Glas an und löst es auf. Damit wird nicht nur die Flasche beschädigt. Die gelösten Stoffe verunreinigen ebenso die Chemikalie.
Um Flusssäure aufzubewahren, bleiben fast nur chemisch beständige Kunststoffe, vorzugsweise aus fluorierten Kunststoffen. Behälter, Flaschen, Ballone und Kanister aus Polytetrafluorethylen (PTFE) sind beispielsweise geeignet. Gleiches gilt für Abdampfschalen, Tiegel, Verdünnungsflaschen und anderen Laborbedarf bis hin zur Entsorgung. Mit Flusssäure kontaminierte Laborabfälle sollten bis zur Entsorgung in gesonderten Behältern gesammelt werden.
Wer unsicher ist, wie eine Chemikalie zu lagern und zu handhaben ist, dem hilft der Blick in das Sicherheitsdatenblatt (SDB). Diese Informationsblätter enthalten Angaben, welche Eigenschaften ein Stoff aufweist und wie er am besten gelagert werden sollte. Das SDB ist der „Personalausweis“ eines Stoffes oder Gemisches. Verantwortlich ist der Lieferant, der verpflichtet ist, das SDB in Landessprache bereitzustellen. Im SDB finden sich Angaben von physikalischen, chemischen und toxischen Eigenschaften bis hin zu Erste-Hilfe-Maßnahmen, Maßnahmen zur Brandbekämpfung und Entsorgung.
Alles bestens geregelt: National, europäisch und international
Die Einteilung in Gefahrstoffklassen wird international einheitlich gehandhabt.
Die Datenbank wird als CLP-Verzeichnis bezeichnet und enthält Informationen zu gefährlichen Stoffen und Gemischen. Dabei steht CLP für Classification, Labelling and Packaging. Die CLP-Verordnung ist das europäische Pendant zur nationalen Gefahrstoffverordnung. Aktuell listet diese Verordnung sage und schreibe 147.500 Stoffe auf.
Es ist also kaum möglich, sich mit allen Fakten rund um Chemikalien auszukennen. Die Recherche in Bestimmungen und Datenbanken gehört zum Umgang mit Stoffen in Labor, Werkstatt und Fabrik dazu, ebenso wie die Recherche zur Entsorgung von Chemikalien. Die überwiegend technischen Aspekte rund um Chemikalien wie Beförderung, Lagerung und Einstufung fassen die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zusammen. Sie werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) erstellt und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Bundesarbeitsblatt (BArbBl) bekannt gegeben.
Sichere Entsorgung von Laborchemikalien zum Schutz von Mensch und Umwelt
Beim Entsorgen den Überblick zu behalten, dürfte noch komplizierter sein als Chemikalien einzukaufen und einzulagern. Seien es abgesaugte Stäube, Reaktionsprodukte oder zu reinigende Laborutensilien: nicht immer ist klar, welcher Cocktail sich niedergeschlagen hat.
Abfälle können explosiv sein, selbstentzündlich oder etwa, wie zum Beispiel bei Alkalimetallen, sehr reaktiv auf das Zusammentreffen mit Wasser reagieren. Das Risiko unerwünschter Reaktionen ist in Abfallbehältern hoch und damit auch das Risiko von Unfällen.
Wie gefährlich ein Laborabfall ist und wie die Chemikalienentsorgung gehandhabt werden muss, hängt also von der Zusammensetzung ab. Bei Gemischen kann die Gefährlichkeit von der Konzentration der einzelnen Komponenten bestimmt sein. Die konkrete Einstufung, ob ein Stoff oder ein Laborabfall als gefährlich gilt, nimmt die sogenannte Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) vor. Sie wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) herausgegeben. Stoffe, die in der AVV mit einem Sternchen gekennzeichnet sind, gelten als gefährlich.
Als Kriterien dienen 15 sogenannte HP-Gefährlichkeitsmerkmale. Wobei H für „Hazard Statements“ steht und die gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes oder Gemisches benennt. P steht für „Precautionary Statements“. Dahinter verbergen sich die Sicherheitshinweise für den Umgang mit einem Stoff oder Gemisch. Die HP-Klassen lauten:
- Explosionsgefährlichkeit
- Entzündbarkeit
- Oxidationsmittel
- Giftigkeit
- Gesundheitsschädlichkeit
- Ätzwirkung
- Umweltgefährlichkeit
- Karzinogenität
- Keimzellmutagenität
- Reproduktionstoxizität
- Aspirationsgefahr
- Sensibilisierung durch Einatmen
- Sensibilisierung durch Hautkontakt
- Spezifische Zielorgantoxizität bei einmaliger Exposition
- Spezifische Zielorgantoxizität bei wiederholter Exposition
Ist nur eines der Kriterien erfüllt, gilt ein Stoff als gefährlich. Stoffgemische können auch mehrere Merkmale erfüllen. Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) bietet Tabellen an, um die Gefährlichkeit von Stoffgemischen abzuschätzen.
Die Abfälle in kleinen Mengen einzeln in Kunststoffbeutel oder Kunststoffbehälter zu verpacken und dann erst in größere Behälter für Laborabfall zu geben, kann die Gefahr von unkontrollierten Reaktionen verringern. Das gilt auch für die Entsorgung von Laborabfällen wie Filtern oder Folien.
Starke Säuren oder Basen lassen sich unter Kontrolle des pH-Wertes neutralisieren. Anorganische Salze und ihre Lösungen gehören je nach enthaltenem Metall getrennt in jeweils eigene Abfallbehälter. Der Inhalt eines Behälters für Laborabfall gilt als schwermetallbelastet, sobald Verbindungen von Antimon, Arsen, Cadmium, Chrom (VI), Kupfer, Blei, Quecksilber, Nickel, Selen, Tellur, Thallium oder Zinn enthalten sind.
Entsorgung von Chemikalien bedeutet nicht unbedingt Endlagern
Das Statistische Bundesamt weist auch für als gefährlich eingestufte Abfälle aus Produktion und Gewerbe eine Recyclingquote von mehr als 50 % aus. Möglichst sortenreine Abfallchargen bieten sogar die Chance auf eine noch höhere Recyclingquote.
Besonders Kunststoffe können zu großen Teilen über Recyclingprozesse wiederverwendet werden und ebenso Metalle. Stahlschrott etwa wird zu großen Anteilen recycelt. Laut dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) wurden bereits 2018 durch die Wiederverwertung von 94 Mio. t Stahlschrott 157 Mio. t CO2 eingespart. Dies entspräche dem CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotten Frankreichs, Großbritanniens und Belgiens, so der Verband.
Um die Vielfalt in der Chemikalienentsorgung praktikabel zu halten, führen viele Entsorgungsunternehmen für Abfälle aus Labor und Produktion Kategorien. Das bedeutet, dass Labore Reste und Abfälle von Lösungsmitteln, organischen Feststoffen, halogenierten organischen Lösungsmitteln, giftigen entzündlichen Stoffen und u.a. Quecksilber am Ende des Produktionswegs getrennt aufbewahren sollten, damit Entsorger sie übernehmen. Auch wenn Quecksilber in vielen Anwendungsbereichen wie Thermometern und Leuchtstoffröhren mittlerweile durch ungiftige Alternativen ersetzt worden ist, bleibt das Entsorgungsproblem noch über Jahre erhalten. Das Umweltbundesamt schätzt die anstehende Entsorgungsleistung in den kommenden drei Jahrzehnten auf mehr als 10.000 t Quecksilber. Das Schwermetall und seine Verbindungen gelten als sehr giftig, so dass das Element aus der Umwelt weitestgehend verschwinden soll, indem es in Untertagedeponien gelagert wird.
Für die Behälter für Laborabfälle und die Entsorgung von Chemikalien gilt ebenso wie für das Einlagern von Stoffen, dass unmissverständliche Etiketten angebracht werden müssen. Sie verweisen auf Gefahren und Handhabung und es gehören die Gefahrenpiktogramme dazu.
Chemikalien und ihre Entsorgung sind ein nationales Thema
Laut Umweltbundesamt arbeiten in der Chemie- und Pharmaindustrie in Deutschland fast eine halbe Million Menschen. Die Branche ist einer der wichtigsten deutschen Wirtschaftszweige. Produziert werden Arzneimittel, Pflanzenschutzmittel, Farben, Wasch- und Reinigungsmittel, Duftstoffe und vieles mehr.
Dafür werden zigtausend Tonnen Chemikalien hergestellt, geliefert, gelagert und entsorgt. Die Sorgfalt muss in jeder Phase gewährleistet sein. Denn Chemikalien schlafen nicht. Manche werden, sollten sie einmal in die Umwelt gelangen, nie wieder abgebaut und finden sich selbst in der Tiefsee wieder.
Der sorgfältige Umgang mit Chemikalien beginnt allerdings schon im Haushalt. Aroma- oder Farbstoffe filtern Klärwerken teils nur unter großen Schwierigkeiten aus den Abwässern. Zudem zählt die Abfallverzeichnis-Verordnung auch alltägliche Stoffe wie Holzstaub, Benzin, Dieselabgase oder Ozon zu den Gefahrstoffen. Deshalb schützt der vorsichtige und umsichtige Umgang mit Stoffen die Gesundheit und die Umwelt. Zuhause und am Arbeitsplatz.
Bildquellen: Beitragsbild | © A_Bruno – stock.adobe.com GHS Piktogramme | © bilderzwerg – stock.adobe.com Gefahrstoffetikett für Diethylzink gemäß GHS | © Dr.cueppers, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons Abfallbehälter für diverse Chemikalien | © Forance – stock.adobe.com