Was sind Polyamide? Polyamide sind thermoplastische Kunststoffe, die in ihrer Hauptkette Amid-Gruppen (-NHCO-) enthalten, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen. Das Kurzeichen für Polyamide ist PA. Polymere, bei denen die Amid-Gruppe an aromatische Gruppen gebunden ist, werden als Aramide bezeichnet, die Abkürzung für Aromatische Polyamide. Amid-Gruppen sind nicht nur in Kunststoffen enthalten, sondern auch in Peptiden und Proteinen.
Polyamide können durch Polykondensation von ω-Aminocarbonsäuren, die an einem Ende eine Aminogruppe und an dem anderen eine Carboxylgruppe besitzen, oder durch die ringöffnende Polymerisation von Lactamen, cyclische Carbonsäureamide, hergestellt werden. Die Bezeichnung der Polyamide erfolgt nach der Anzahl der in den Monomeren enthaltenen Kohlenstoffatome, wie unten am Beispiel für PA 6, PA 11 und PA 12 dargestellt:
Ein anderer Syntheseweg ist die Polykondensation von Diaminen und Dicarbonsäuren. In diesem Fall besteht das Kurzzeichen aus der Abkürzung PA, gefolgt von der Anzahl der Kohlenstoffatome des Diamins, einem Punkt als Trennsymbol und der Anzahl der Kohlenstoffatome der Dicarbonsäure. Die Kurzzeichen sind nicht einheitlich, oftmals wird der Punkt weggelassen.
Eigenschaften von Polyamiden
Die Eigenschaften dieser Polymere werden durch die Konzentration der Amid-Gruppen bestimmt, die untereinander Wasserstoffbrücken-Bindungen bilden.
Die meisten Polyamide sind teilkristallin und nehmen im Vergleich zu anderen Thermoplasten relativ viel Wasser auf, bis zu etwa 3,5 %. Bei anderen thermoplastischen Polymeren liegt der Wert deutlich unter 1 %.

Die Dichte von Polyamiden hängt ebenfalls von der Konzentration der Amid-Gruppen ab und liegt zwischen 1,01 und 1,2 g/cm3. Polyamide zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit, Zähigkeit und Steifigkeit sowie guter Abrieb- und Verschleißfestigkeit aus. Beständig sind sie gegen verdünnte Laugen, aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Fette, Öle, Kraftstoffe sowie gegen Alkohole, Ester und Ketone. Unbeständig sind sie gegen starke Säuren, Laugen und halogenierten Kohlenwasserstoffen. Sie lassen sich kleben, wenn die Oberfläche mit Ameisensäure vorbehandelt wird. Auch wenn einige Polyamide vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können, sind sie nicht biologisch abbaubar. Polyamide können recycelt werden, allerdings nur, wenn sie sortenrein sein. Der Recycling-Code für Polyamide ist „07“.
Polyamide werden zu verschiedenen Komponenten verarbeitet, unter anderem zu Kunststoff-Fasern, Polyamid-Schläuchen, Schlauchverbindern, Halbzeugen wie Platten und Folien oder Befestigungselementen wie Kunststoff-Schrauben, Muttern oder Unterlegscheiben.
PA 6 und PA 6.6
PA 6.6, auch bekannt unter dem Handelsnamen Nylon® der Fa. DuPont, wurde als erstes Polyamid im Jahr 1935 von dem amerikanischen Chemiker Wallace Hume Carothers (1896 – 1937) durch Umsetzung von Hexan-1,6-diamin H2N(CH2)6NH2 mit Adipinsäure (HOOC(CH2)4COOH) entwickelt. Da es im zweiten Weltkrieg nur noch dem amerikanischen Militär zur Verfügung stand, gab es Bestrebungen, ein gleichwertiges Material zu entwickeln, ohne das amerikanische Patent zu verletzen.
1938 gelang dem deutschen Chemiker Paul Schlack (1897 – 1987) PA 6 durch Polymerisation von Ɛ-Caprolactam (HN(CH2)5CO) herzustellen, das später den Namen Perlon erhielt.
Andere Anwendungsbeispiele sind Gleitlager, Buchsen, Zahnräder, Laufrollen und Schläuche. Ausführliche Informationen zu diesen beiden Polymeren sind in unseren Magazinartikeln Fasern aus Nylon, Perlon und Co – der Einsatz von Polyamiden und Eigenschaften und Anwendungen von Polyamiden zu finden.
Exotische Polyamide
PA 11 und PA 12
Sowohl PA 11 wie auch PA 12 werden durch die Polymerisation eines einzelnen Monomeren hergestellt und unterscheiden sich durch eine CH2-Gruppe. Ausgangsstoff für PA 11 ist die ω-Amino-Undecansäure (H2N[CH2]10COOH), die aus Rizinusöl gewonnen wird. Damit basiert dieses Polyamid vollständig auf nachwachsenden Rohstoffen.
PA 12 wurde 1963 von den Chemischen Werken Hüls, heute Evonik, zusammen mit den Emser Werken in Domat entwickelt. Ausgehend von Butadien, das aus Erdöl oder Erdgas gewonnen wird, wird in einem mehrstufigen Syntheseprozess ε-Amino-Laurinlactam (HN(CH2)11CO) hergestellt. Wegen der aufwendigen Synthese ist Polyamid 12 teurer als Polyamid 11 und kein Massenkunststoff. Alternativ wurde ein biobasiertes Verfahren entwickelt, bei dem aus Palmöl als Rohstoff ω-Amino-Laurinsäure (H2N[CH2]11COOH) gewonnen wird, die offenkettige Form des ε-Amino-Laurinlactams. Die biobasierte Produktion konnte sich bisher jedoch nicht durchsetzen.
PA 12 gilt mit einer Dichte von 1,01 g/cm3 als das leichteste Polyamid und zeichnet sich durch die geringste Wasseraufnahme und die höchste Beständigkeit gegen Spannungsrissbildung von allen Polyamiden aus. Das Polymer ist unter den Handelsnamen RILSAMID® (Arkema Group), VESTAMID® und VESTOSINT® (beide Evonik) erhältlich.
PA 11 verfügt über eine höhere Reißdehnung, eine hohe Bruchdehnung, Verschleißfestigkeit, Schlagfestigkeit und ist dimensionsstabil, physiologisch unbedenklich, autoklavierbar und mit Gammastrahlung sterilisierbar. PA 11 wird von der Arkema Group unter dem Handelsnamen RILSAN® PA11 angeboten.
Beide Kunststoffe sind als Granulat, Pulver oder Folien erhältlich, lassen sich thermoplastisch verformen und eignen sich für Spritzgussverfahren, Extrusion, Extrusionsblasen sowie additive Fertigung. Polyamid 12 wird zur Herstellung von Präzisionsschläuchen und –rohren, vor allem im Automobil- und Flugzeugbau, sowie als Sinterüberzug verwendet. Präzisionsspritzgussteile wie Pumpenräder und Schaltventilgehäuse finden im Maschinen- und Apparatebau Anwendung. PA 11 ist ebenfalls ein bedeutendes Material für die Produktion von Kunststoffschläuchen, Rohrleitungen und Kabelummantelungen. Insbesondere im Automobilsektor werden Benzin- und Druckleitungen, Filter, Lager aus PA 11 hergestellt. In der Medizintechnik wird es zur Herstellung von Kathetern, Blutspendebeutel oder Spritzen eingesetzt. Aufgrund seiner geringen Gas- und Dampfdurchlässigkeit werden auch Lebensmittelverpackungen aus PA 11 gefertigt. Skibeläge und Sohlen von Rad-, Fußball- und Laufschuhen werden wegen der guten Abriebfestigkeit aus PA 11 produziert.
PA 4.6
Hergestellt wird PA 4.6 aus Tetramethyldiamin (H2N(CH2)4NH2) und Adipinsäure (HOOC(CH2)4COOH). Im Gegensatz zu anderen Polyamiden zeichnet es sich durch einen höheren Schmelzpunkt von +295 °C, einen höheren Kristallisationsgrad und eine Wärmeformbeständigkeit bis +160 °C aus. Es behält seine Steifigkeit und Kriechfestigkeit über einen weiten Temperaturbereich bei und eignet sich damit für Gleit- und Verschleißteile, die höheren Temperaturen ausgesetzt sind. Zudem besitzt es einen hohen Elastizitätsmodul.
Anwendungsbeispiele sind Buchsen, Lager, Zahnräder, Kettenspanner, Lagergehäuse, Kupplungsteile, Ventilsitze, Dichtungen, Verschleißkomponenten in Förderanwendungen und Anschlussklemmen, Induktionsspulen und Elektromotoren.
PA 6.10
Ausgangsstoffe für die Herstellung von PA 6.10 sind Hexamethyldiamin (H2N(CH2)6NH2) und Sebacinsäure (HOOC(CH2)8-COOH), die aus den Samen der Rizinuspflanze gewonnen wird. Damit basiert dieses Polyamid zu 62 % auf nachwachsenden Rohstoffen. Die mechanischen, thermischen und elektrischen Eigenschaften sind mit denen von PA 6 vergleichbar. PA 6.10 nimmt jedoch deutlich weniger Wasser und Feuchtigkeit auf. Dadurch ist es maßhaltiger und weniger anfällig für Kaltverformung.
Aus PA 6.10 werden Präzisionslager und -getriebe, Bürstenfasern, LKW-Druckluftbremsleitungen und Tankentlüftungsleitungen hergestellt. Das von Evonik unter dem Handelsnamen VESTAMID® Terra HS angebotene Polyamid besitzt in der EU und in den USA eine Zulassung für den Kontakt nichtalkoholischer Lebensmittel.
PA 6.12
PA 6.12 ist ein Polykondensat aus Hexamethyldiamin (H2N(CH2)6NH2) und 1,12-Dodecandisäure (HOOC(CH2)10COOH). Gegenüber PA 12 zeigt es eine höhere Wärmeformbeständigkeit – der Schmelzpunkt liegt 40 °C höher – eine höhere Biege- und Zugfestigkeit und eine ausgezeichnete Rückstellelastizität.
Aufgrund seiner hervorragenden Spannungsrissbeständigkeit kommt es zum Umspritzen von Metallteilen und zur Herstellung von Gehäuseabdeckungen und Dichtungen in hydraulischen Kupplungssystemen zum Einsatz. Auf dem Markt ist dieses Polymer unter den Handelsnamen VESTAMID® D von Evonik, BADMID® PA 6.12 von BADA sowie Radilon® von Radicigroup bekannt.
PA 6.13
PA 6.13 wurde von Evonik speziell für das Lasersintern entwickelt, um ein Material für die additive Fertigung zu erhalten, das bessere Eigenschaften aufweist als die bisher eingesetzten Polyamide PA 6 und PA 12. Ausgangsstoffe sind Hexamethyldiamin (H2N(CH2)6NH2) und 1,13-Tridecandisäure (HOOC(CH2)11COOH). Bauteile aus PA 6.13 sind chemikalien-, hitze- und feuchtigkeitsbeständiger sowie mechanisch stabiler als Teile aus PA 6 und PA 12. Sie verfügen über eine hohe Festigkeit und Steifheit. Anwendung finden sie in der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie sowie Medizintechnik. Angeboten wird dieses Polyamid von Evonik unter dem Handelsnamen INFINAM® PA 6005 P.
PA 10.10
Hergestellt aus den Monomeren 1,10 Decamethylendiamin (H2N(CH2)10NH2) und Sebacinsäure (HOOC[CH2]8COOH), die beide aus Rizinusöl gewonnen werden, ist PA 10.10 ein vollständig biobasierter Kunststoff.

Aufgrund des hohen Verhältnisses der CH2– und Amid-Gruppen nimmt dieses Polymer nur geringe Mengen Wasser und Feuchtigkeit auf. Es zeichnet sich durch eine hohe mechanische Festigkeit und Formstabilität aus. Evonik bietet dieses Polyamid unter dem Handelsnamen VESTAMID® Terra DS16, Arkema unter Rilsan® Tesno F und Celanese unter Zytel® RS an. VESTAMID® Terra DS16 erhielt 2015 die Zulassung der Food and Drug Administration (FDA) für Lebensmittelkontakt. Die Zulassung gilt für Einmal-Anwendungen sowohl bei sehr niedrigen als auch sehr hohen Umgebungstemperaturen und für Mehrfach-Anwendungen bis +100 °C. Durch die Kombination verschiedener Monomere können die Eigenschaften von Polyamiden gezielt verändert und den Anforderungen bestimmter Anwendungen angepasst werden.
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Teilkristalline Polymerstruktur | © Roland.chem, CC0, via Wikimedia Commons