Polyurethan: Eigenschaften und Verwendung

Was haben Skischuhe, Haushaltsschwämme, Matratzen und Dämmplatten gemeinsam? All diese Gegenstände enthalten den Kunststoff Polyurethan.

Wer hat PUR entwickelt?

Polyurethan wurde 1937 von Otto Bayer (1902 – 1982) bei den Farbenfabriken BAYER in Leverkusen entwickelt, indem er 1,4-Butandiol mit Octan-1,8-diisocyanat umsetzte. 1940 startete die industrielle Produktion. Im Verlauf des zweiten Weltkriegs geriet die Produktion jedoch ins Stocken, da nicht ausreichend Ausgangsstoffe zur Verfügung standen. Dennoch gelang es Otto Bayer, ein Verfahren zur Herstellung geschäumter Polyurethane zu entwickeln. Als nach dem zweiten Weltkrieg die Arbeiten bei den BAYER-Werken wieder aufgenommen wurden, stieg auch das Interesse an der Entwicklung von Polyurethanen wieder an.

Otto Bayer präsentiert 1952 seine Erfindung von 1937: Polyurethan
Otto Bayer präsentiert 1952 seine Erfindung von 1937: Polyurethan

Durch Einsatz unterschiedlicher Ausgangsstoffe war es möglich, Polyurethan-Kunststoffe mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften zu entwickeln.

So konnten „Kunststoffe nach Maß“ hergestellt werden mit Eigenschaften von hart und spröde bis weich-elastisch und von dünnflüssig bis hochviskos. Die Kurzbezeichnung für diese Kunststoffe ist PUR, umgangssprachlich oft auch nur PU. Polyurethan wird industriell zur Herstellung von PUR-Schläuchen, Gummimatten, Halbzeugen und geschäumten Platten eingesetzt.

Polyurethan – was ist das?

Polyurethane sind Kunststoffe, die Urethangruppen enthalten. Sie entstehen bei der Umsetzung von mehrwertigen Alkoholen mit Polyisocyanaten durch Polyaddition.

Polyaddition bedeutet, dass die Polymerbildung unter wechselseitiger Anlagerung der verschiedenen Monomere ohne Abspaltung von Nebenprodukten verläuft.

Polyaddition bedeutet, dass die Polymerbildung unter wechselseitiger Anlagerung der verschiedenen Monomere ohne Abspaltung von Nebenprodukten verläuft. Mehrwertige Alkohole sind organische Moleküle mit mindestens zwei Hydroxylgruppen (OH). Enthält das organische Moleküle zwei Hydroxylgruppen, nennt man es Diol, bei drei Hydroxylgruppen Triol. Bei mehr als drei Hydroxylgruppen werden die Alkohole Polyole genannt. Polyisocyanate sind organische Moleküle, die mindestens zwei Isocyanat-Gruppen (-NCO) enthalten.

Synthese von PUR

Die „einfachsten“ Polyurethane sind aus Diolen und Diisocyanaten aufgebaut. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Bildung dieser Kunststoffe.

Durch Umlagerung der Isocyanat-Gruppe erfolgt die Bindung des Diisocyanats (rot umrandet) an das Diol (blau umrandet). Dabei wird eine Urethangruppe (grün umrandet) gebildet. Dieser Urethangruppe verdankt der Kunststoff seinen Namen, im Gegensatz zu anderen Polymeren, die nach den Monomeren, aus denen sie hergestellt wurden, benannt werden. Der Buchstabe R steht für den organischen Rest des Diisocyanats (R1) beziehungsweise den Rest des Diols (R2).

Werden zur Synthese Diole und Diisocyanate eingesetzt, erhält man lineare, unvernetzte Kunststoffe. Diese werden als thermoplastisches Polyurethan bezeichnet, abgekürzt TPU. Beim Einsatz von Monomeren mit mehr als zwei funktionellen Gruppen entsteht vernetztes Polyurethan, das zu den Duroplasten zählt.

PUR-Kraft- und Schmierstoffschlauch PUR-Folienschlauch

Für die Polyurethanherstellung finden nur wenige Diisocyanate Verwendung. Eingesetzt werden das aliphatische Hexamethylendiisocyanat (HDI), die beiden cycloaliphatischen Diisocyanate Isophporondiisocyanat (IPDI) und 4,4‘-Diisocyanatodicyclohexylmethan (H12MDI) sowie die beiden aromatischen Diisocyanate Methylendi(phenyldiisocyanat (MDI) und Naphthylendiisocyanat (NDI).

Die Eigenschaften der Polyurethane werden hauptsächlich durch die Wahl der Polyole bestimmt. Für diese Komponente können lineare oder verzweigte, aliphatische oder aromatische Polyole eingesetzt werden. Zudem können die Polyole weitere funktionelle Gruppen, wie Ether- oder Ester enthalten. Entsprechend der großen Auswahl an Polyolen und Rezepturen sind die Eigenschaften der resultierenden Kunststoffe gezielt einstellbar. So können gummielastische Kunststoffe, wie zum Beispiel der Werkstoff Vulkollan®, bis thermoplastische, wie der Werkstoff Desmopan®, hergestellt werden.

Geschäumtes PUR wird durch Zusatz von Wasser oder eines Treibmittels während des Produktionsprozesses gewonnen.

Dabei reagiert die Isocyanat-Gruppe mit dem Wasser unter Abspaltung von Kohlenstoffdioxid (CO2), das als Treibmittel wirkt. Auf diese Weise können weiche und harte Schaumstoffe hergestellt werden.

Verwendung von PUR Kunstoffen – wo kommt Polyurethan in der Industrie zum Einsatz?

Polyurethane sind in verschiedenen Lieferformen erhältlich. Sie werden in Form von Schaumstoffen, Gießharzen, Lacken, Klebern oder als Halbzeuge wie Folien, Stangen, Blöcke, Rundstäbe und Profile angeboten.

Der Anteil der Schaumstoffe beträgt etwa 90 % der gesamten PUR-Produktion.

Es werden weiche und harte Schaumstoffe produziert. Weiche PUR-Schaumstoffe sind langkettig und weniger verzweigt als Hartschäume, offenzellig und reversibel verformbar. Sie sind in verschiedenen Härten und Dichten erhältlich. Die Struktur mit offenen, großen Poren gewährleistet eine gute Durchlüftung. Aus diesen Kunststoffen werden Polster, Matratzen, Reinigungsschwämme, Verbandsstoffe, Verpackungen und Filtermaterial hergestellt. Ein spezieller PUR-Schaum kann das 100-fache seines Eigengewichts an Öl absorbieren. Er wird zur Ölbeseitigung auf Seen oder im Grundwasser eingesetzt. Nach Abpressen des aufgesaugten Öls kann dieser erneut genutzt werden.

PUR-Hartschaumplatten als Isolationsmaterial im Bauwesen
PUR-Hartschaumplatten als Isolationsmaterial im Bauwesen

PUR-Hartschäume besitzen kurze Polymerketten, mehr Verzweigungen als Weichschäume und geschlossene Zellen, die Eindringen von Wasser oder Luft verhindern. Aus diesen Materialien werden hauptsächlich Halbzeuge gefertigt, die zur thermischen Isolation benutzt werden. Sie werden zur Wärmedämmung in Kühlgeräten, in Wärme- und Kältespeichern und bei der Ummantelung von Rohren verwendet. Im Bauwesen werden PUR-Platten zur Dach-, Fußboden- und Wanddämmung genutzt.

Ein- und Zweikomponentenschäume, auch Montageschaum genannt, liegen in der Kartusche in komprimierter Form vor. Bei Verwendung expandiert er und erhärtet durch die Luftfeuchtigkeit. Er wird beim Einbau von Fenstern und Türen, zum Abdichten von Fugen im Beton vor dem Vergießen und zum Stabilisieren von Fundamenten eingesetzt.

Auch als Gießharz hat sich PUR etabliert. Elastische PUR-Gießharze werden wegen ihrer hohen Elastizität in einem weiten Härtebereich, ihrer Flexibilität über einen großen Temperaturbereich, ihrer guten Beständigkeit gegen Witterung, Öle, Fette und viele Lösemittel, ihres hohen Verschleißwiderstandes und ihrer hohen mechanischen Dämpfung geschätzt. Aus ihnen werden Rollen, Bandagen, Walzenbezüge, Dämpfungs-, Feder- und Antriebselemente, Verschleißteile, Dichtungen und Abstreifer gefertigt. Sie werden auch als Bodenbeschichtung im privaten und öffentlichen Bereich und zur Sanierung von Flachdächern verwendet. Harte PUR-Harze werden hautsächlich in der Elektroindustrie als Vergussmassen für Kabel und elektronische Bauteile, Isolatoren, Durchführungen und den Schalterbau eingesetzt.

PUR-Isolierschlauch Vulkollan®-Rundstab - Shore 70°

PU-Klebstoffe zeichnen sich durch hohe Witterungs- und Alterungsbeständigkeit sowie hohe Schlag- und Scherfestigkeit aus. Sie eignen sich für großflächige Verklebungen verschiedener Oberflächen im Innen- und Außenbereich. Mit PU-Klebstoffen lassen sich Metall, Holz, Kunststoffe, Natursteine, Gipsfasern und Gipskartonplatten verkleben.

In der Bekleidungsindustrie wird der Kunststoff ebenfalls vielseitig verwendet. Chemiefasern mit hoher Elastizität, wie zum Beispiel Elastan, enthalten mindestens 85 % Polyurethanfasern.

Elastan ist als wesentlicher Bestandteil in Badebekleidung, Stretch-Jeans, Strumpfhosen, Radhosen und Miederwaren enthalten. Regenkleidung und Funktionsjacken profitieren von einer PU-Beschichtung, die einen angenehmen Tragekomfort und Atmungsaktivität garantiert. Gummistiefel mit einer PU-Beschichtung bieten im Gegensatz zu PVC einen zusätzlichen Kälteschutz. In Schuhsohlen sorgt PU für ein rutschfestes Gehen sowie für ein ergonomisches und gelenkschonendes Abrollen.

Auch im Bereich des Sports hat der Kunststoff Einzug gehalten. Bei modernen Skischuhen bestehen der Innenschuh aus PUR-Weichschaum und der Außenstiefel aus hartelastischem PUR. Dadurch ist er wasserdicht, kratzfest und auch bei -25 °C noch elastisch. Weiterhin werden Helme, Fahrradsattel, Snowboards, Rollschuhrollen oder Sohlen von Laufschuhen, Fußbälle und die äußere Schicht von Bowlingkugeln aus PUR-Hartschaum gefertigt.

Vulkollan®-Platte - Shore 70° Federelement-Platte aus zelligem PUR - niedrige Dichte

In der Automobilindustrie sind die Kunststoffe ebenfalls unverzichtbar. Sie sind Bestandteil von Armaturenbrettern, Dachhimmeln, Türverkleidungen, Sitzen, Armlehnen, Heckklappen und Faservliesen im Motorraum.

Zunehmend an Bedeutung gewinnen Schläuche aus Polyurethan. Sie werden als dauerhaft hochflexible Chemieschläuche, Druckschläuche und Industrieschläuche eingesetzt und ersetzen Schläuche aus Gummi oder Naturkautschuk. Sie zeichnen sich durch hohe Verschleiß- und Reißfestigkeit, gute Elastizität auch bei Temperaturen bis -40 °C, gute Ozon- und Witterungsbeständigkeit sowie gute Benzinverträglichkeit aus. Ausgewiesene PUR-Schläuche, die den strengen Anforderungen der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) genügen, können in der Pharma- und Lebensmittelindustrie sowie in der Medizintechnik verwendet werden.

Schwerlastrollen mit PU-Belag
Schwerlastrollen mit PU-Belag

Dank ihrer einstellbaren Eigenschaften erfüllen Polyurethan-Kunststoffe die Anforderungen vieler Anwendungen wie geringe Dichte, Festigkeit, Haltbarkeit, Feuchtigkeitsbeständigkeit und Ästhetik und sind in vielen Bereichen unverzichtbar.

Bildquellen:
Beitragsbild | © Ilya – stock.adobe.com
Otto Bayer präsentiert Polyurethan | © Bayer AG, Public domain, via Wikimedia Commons
PUR-Hartschaumplatten als Isolationsmaterial im Bauwesen | © bilanol – stock.adobe.com
Schwerlastrollen mit PU-Belag | © Iris_AN – stock.adobe.com