Vergänglichkeit als Stärke
„Biopolymere“ – umgangssprachlich auch als Biokunststoffe oder Bioplastik bezeichnet – und „biologisch abbaubare Polymere“ sind zwei Begriffe, die oft verwechselt werden, doch sie sind nicht dasselbe. Vielmehr beziehen sie sich auf unterschiedliche Konzepte im Bereich der Polymerwissenschaft. Manche dieser Kunststoffe gehören zu beiden Kategorien, andere nur zu einer. Hier der Überblick.
Was sind Biopolymere?
Auch einige Polymere tierischen Ursprungs finden Anwendungen im medizinischen Bereich. So besteht das Exoskelett von Insekten und Schalentieren hauptsächlich aus Chitin, das vor mechanischen Einwirkungen schützt. Seine modifizierte Form, das Chitosan, wird unter anderem aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften in Wundverbänden eingesetzt. Auch Kollagen, das aus Proteinen oder langen Aminosäureketten besteht und für die Festigkeit und Elastizität von Haut und Knochen eine entscheidende Rolle spielt, ist ein wichtiges Biopolymer. In der Medizin unterstützt es die Neubildung von Gewebe bei Wunden.

Ein bekanntes Biopolymer mikrobiellen Ursprungs ist das Polyhydroxybutyrat (PHB). Ähnlich wie Tiere Fett speichern, haben einige Bakterien unter bestimmten Umweltbedingungen die Fähigkeit, überschüssigen Kohlenstoff in Form von PHB zu speichern. Dieses biobasierte und biologisch abbaubare Polymer wird als nachhaltiger Kunststoffersatz in verschiedenen industriellen Anwendungen eingesetzt.
Was sind biologisch abbaubare Polymere?
Entscheidend ist der grundlegende Unterschied zwischen den Begriffen „biobasiert“ und „biologisch abbaubar“. Biopolymere und biobasierte Kunststoffe werden aus natürlichen Rohstoffen gewonnen und können wie PHB biologisch abbaubar sein – müssen es jedoch nicht.
Große Moleküle werden so in kleinere Einheiten zerlegt. Neben dem biologischen Prozess kann auch die Hydrolyse (Einwirkung von Wasser) die Moleküle spalten.
Die Endprodukte dieses Abbaus sind idealerweise Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser und andere unschädliche kleine Verbindungen (Biomasse), die von der Umwelt wieder in den natürlichen Kreislauf integriert werden können. PHB als Biokunststoff wird zunächst durch Enzyme in seine Ausgangseinheit Hydroxybutyrat zersetzt, das anschließend vollständig zu CO2 und Wasser umgewandelt wird. Hierbei entstehen keine schädlichen Rückstände.
Biobasiert und biologisch abbaubar
Cellulose ist ein weiteres Beispiel für ein biobasiertes und biologisch abbaubares Polymer. Dieses pflanzliche Polymer kommt in Holz oder Baumwolle vor. Die starke Verknüpfung zwischen den Untereinheiten (Glukose) verleiht ihm chemische und mechanische Stabilität.
Cellulose wird in reiner Form in der Textil- oder Papierindustrie verwendet, kann aber auch chemisch verändert werden, um Cellulose-basierte Biokunststoffe wie Zellophan oder Rayon herzustellen. Auch wenn die Herstellungsprozesse von Zellophan und Rayon synthetisch sind, können sie wie Cellulose durch Mikroorganismen in der Umwelt zu CO2 und Wasser abgebaut werden. Somit gehören sie zu den biologisch abbaubaren Biokunststoffen. Aus Cellulose oder Celluloseester bestehen beispielsweise Dialyseschläuche und -klammern sowie Dialyse Membranen, Folien und Beutel.
Ein weiteres wichtiges Beispiel für ein biobasiertes und biologisch abbaubares Polymer ist Polylactid (PLA). PLA wird aus Milchsäure hergestellt, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Stärke oder Zucker gewonnen wird. PLA gilt als umweltfreundlich, da es bei der Zersetzung keine schädlichen Rückstände hinterlässt. Der Abbauprozess erfolgt zunächst durch Hydrolyse und anschließende enzymatische Spaltung, wobei Milchsäure freigesetzt und dann weiter zu Wasser und CO2 abgebaut wird. PLA wird für resorbierbare chirurgische Fäden oder Knochenimplantate verwendet.
Biobasiert und biologisch nicht abbaubar
Es gibt auch biobasierte Kunststoffe, die nicht biologisch abbaubar sind. Ein Beispiel ist herkömmliches Polyethylen (PE), das meistens aus fossilen Rohstoffen hergestellt wird. Aus dem flexiblen, chemikalienbeständigen Kunststoff lassen sich nicht nur Halbzeuge wie Kunststoffplatten fertigen, sondern auch Folien, Klebebänder und PE-Schläuche.
Polyethylen kann aber auch aus natürlichen Rohstoffen gewonnen werden. In diesem Fall wird Zucker zunächst durch Hefe in Ethanol und dieses anschließend chemisch in Ethylen umgewandelt und zu PE polymerisiert. Biobasiertes PE verhält sich wie synthetisch hergestelltes und ist keinesfalls biologisch abbaubar, obwohl es aus biologischen Quellen stammt.
Synthetische Kunststoffe aus petrochemischen Rohstoffen
Die meisten herkömmlichen Kunststoffe sind synthetische Polymere, die aus petrochemischen Rohstoffen hergestellt werden. Sie zeichnen sich durch ihre Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen chemischen und biologischen Abbau aus.
Zu den häufigsten Polymeren in Alltagsgegenständen wie Verpackungen, Textilien und technischen Anwendungen gehören PE, Polyethylenterephthalat (PET), Polyvinylchlorid (PVC) und Polypropylen (PP). Der entscheidende Unterschied zu Rayon besteht darin, dass Mikroorganismen über die notwendigen Enzyme verfügen, dessen lange Cellulosemoleküle abzubauen. Es gibt keine natürlichen Bakterien, die in der Lage sind, die chemisch stabilen Ketten der meisten rein synthetischen Polymere aufzubrechen.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Ein Beispiel ist Polybutylenadipaterephthalat (PBAT) ein synthetischer, aber biologisch abbaubarer Kunststoff. PBAT wird aus Butylenadipat und Terephthalsäure hergestellt. Die Adipat-Segmente sind chemisch weniger stabil als die Terephthalsäure-Segmente. Dadurch kann die Polymerkette durch Hydrolyse zunächst in kleinere, biologisch abbaubare Segmente zerlegt werden. Die Terephthalsäure-Segmente verlangsamen zwar den Abbauprozess, dennoch erfolgt dieser innerhalb eines angemessenen Zeitraums. Diese kleineren Moleküle werden sodann von anderen Mikroorganismen aufgenommen und in Wasser, CO2 und Biomasse umgewandelt. PBAT wird beispielsweise für kompostierbare Beutel für Müll oder für Mulchfolien in der Landwirtschaft verwendet.
Biologisch abbaubare Kunststoffe als nachhaltige Alternative
Zusammengefasst sind biologisch abbaubare Polymere entweder biobasierte oder synthetische Kunststoffe. Diese sind so konzipiert, dass sie unter geeigneten Bedingungen – etwa in der Natur oder in Kompostieranlagen – durch natürliche chemische und enzymatische Prozesse in kleinere Bestandteile zerlegt und vollständig in umweltverträgliche Bestandteile wie Wasser, CO2 und Biomasse umgewandelt werden können.
Sie sind nicht einfach kompostierbar, sondern werden erst unter industriellen Kompostierbedingungen effizient abgebaut – in der Natur verläuft dieser Prozess deutlich langsamer.
Auch die Materialzusammensetzung beeinflusst die Abbaugeschwindigkeit des Polymers erheblich. So kann der vollständige Abbau von PLA je nach Umgebungsbedingungen mehrere Monate bis Jahre dauern. In industriellen Kompostieranlagen werden optimale Temperaturen eingestellt, die den Abbau deutlich beschleunigen. Unter sehr kühlen und trockenen Bedingungen hingegen überdauert PLA ebenso lange wie herkömmliche Kunststoffe.

Da der Abbau durch Mikroorganismen erfolgt, ist dieser in Umgebungen mit geringer Bakterien- oder Pilzdichte stark eingeschränkt. Zudem sind nicht alle Einheiten oder Segmente der Polymerkette biologisch abbaubar, sodass Rückstände verbleiben können, die die Umwelt belasten.
Biologisch abbaubare Kunststoffe: Sinnvoll und überall einsetzbar?
Schließlich wirft die Nutzung biologisch abbaubarer Kunststoffe auch ökologische, wirtschaftliche und nicht zuletzt ethische Fragen auf, wenn sie aus landwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellt werden, die mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren.
Ein wichtiger Faktor ist die Anwendung des Kunststoffs. Biopolymere sind im Allgemeinen weniger stabil als erdölbasierte Kunststoffe. Ihre chemischen Bindungen zwischen Atomen unterschiedlicher Natur, etwa Ester- oder Etherbindungen, wie sie sehr häufig in Biokunststoffen vorkommen, sind anfälliger für Hydrolyse als die stabilen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen vieler synthetischer Polymere. Hingegen sind synthetische Kunststoffe wasserresistent, was ihre Lebensdauer erheblich verlängert.
In bestimmten Anwendungen ist jedoch gerade diese geringere Stabilität und Kurzlebigkeit die optimale Materialanpassung. Resorbierbare chirurgische Fäden aus PLA oder kompostierbare Müllbeutel aus PBAT profitieren von der biologischen Abbaubarkeit. Die Vergänglichkeit dieser Biopolymere ist ihre große Stärke.
Es gibt jedoch zahlreiche technische Anwendungen, in denen synthetische Kunststoffe aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften nicht einfach durch biologisch abbaubare Polymere ersetzt werden können. In der Elektronik-, Automobil-, Luftfahrt- und Bauindustrie werden nach wie vor technische Kunststoffe benötigt, die unter mechanischen Belastungen, hohen Temperaturen und chemischen Einflüssen zuverlässig funktionieren. Beispiele dafür sind Polyamid (PA), Polyetheretherketon (PEEK) und Polytetrafluorethylen (PTFE). Grundsätzlich sind solche wie auch weitere Hightech-Kunststoffe für die Märkte der Zukunft essenziell. In der Materialentwicklung jedoch stehen die nachhaltigen Polymere für die Zeitenwende.
Bildquellen: Beitragsbild | © Pawarun – stock.adobe.com Maikäfer auf einem Blatt | © Maikaefer.JPG: Marcus Mitschackderivative work: B kimmel (Diskussion), Public domain, via Wikimedia Commons Filamente aus PLA | © stockphoto-graf – stock.adobe.com
Reichelt Chemietechnik Magazin





