Taumelkolbenpumpen: Förder- und Dosierpumpen für die Chemietechnik

Pumpen sind technische Vorrichtungen zur Förderung von inkompressiblen Medien – und das sind Flüssigkeiten. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch werden allerdings, wenngleich fachlich nicht korrekt, auch Gase mit dazu gezählt. Der Markt bietet dafür eine Vielzahl von Systemen an. Zu den zweifelsfrei am häufigsten eingesetzten Pumpen gehört die große Gruppe der Kolbenpumpen, denen auch die Taumelkolbenpumpen zugerechnet werden. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie im Gegensatz zu „üblichen“ Kolbenpumpen ohne Ventile arbeiten. Als robuste Chemiepumpen haben sie im wissenschaftlichen Labor, im Technikum und in Produktionsbetrieben längst ihren Platz gefunden. Sie werden überall dort eingesetzt, wo präzises Fördern und Dosieren kleiner und kleinster Mengen erforderlich ist.

Wie funktioniert eine Kolbenpumpe?

Kolbenpumpen zählen zu den Verdrängerpumpen. Derartige Pumpen waren schon im antiken Rom bekannt. Anschaulich lässt sich ihre Funktionsweise anhand der von Hand betriebenen Schwengelpumpe erklären, den Hubkolbenpumpen, wie sie als Wasserpumpe heute noch häufig an ländlichen Hausbrunnen zu finden ist.

Schwengelpumpe Aufbau und Prinzip
Schwengelpumpe: Aufbau und Prinzip

Die Pumpen sind mit zwei gegenläufig arbeitenden Klappventilen ausgerüstet. Das Wasser wird durch den Unterdruck angesaugt, der bei der Aufwärtsbewegung eines Kolbens in einem Zylinder erzeugt wird, wobei sich das Einlassventil öffnet. Danach wird der Kolben in die umgekehrte Richtung bewegt, wobei sich das Einlassventil wieder schließt und das angesaugte Wasser über das Auslassventil, das sich nun öffnet, aus dem Kolben herausgedrückt wird. Allerdings können mechanische Verunreinigungen, Verschleiß und Korrosion die Ventile blockieren, so dass sie nicht mehr dicht schließen und die Pumpe ihre Leistung nicht mehr erbringen kann.

… und wie funktioniert eine Taumelkolbenpumpe?

Taumelkolbenpumpen kommen im Gegensatz zu üblichen Kolbenpumpen gänzlich ohne Ventile aus. Die Entwicklung der Taumelkolbenpumpe war deshalb ein Meilenstein in der Pumpenentwicklung. Eine Taumelkolbenpumpe ist am ehesten mit dem ebenfalls ventillosen Zwei-Takt-Hubkolbenmotor vergleichbar, bei dem die Kurbelwelle durch eine Taumelscheibe ersetzt ist. Die wesentliche Funktion der Taumelscheibe besteht darin, den Kolben mit einer darin eingelassenen Pumpenkammer pro Hub zwischen Einlass und Auslass einmal um die eigene Achse zu drehen. Für jeden Ansaug- und Ausstoßvorgang ist folglich ein Kolbenhub erforderlich. Durch Veränderung des Pumpenkopfwinkels wird das Hubvolumen eingestellt und zusammen der Drehzahländerung der Taumelscheibe die Fließrate des zu fördernden Mediums vorbestimmt.

Animation eines Taumelscheibenmotors
Animation eines Taumelscheibenmotors

… und was können Taumelkolbenpumpen leisten?

Die Kolben und Zylinder werden aus keramischen Materialien, aus hochfestem Siliziumcarbid (SiC) , synthetischem Saphir oder Sinter-Korund (Al2O3), gefertigt, die poliert und mit höchster Präzision auf den Zylinder eingeschliffen sein müssen, um die volle Funktionsfähigkeit der Pumpe zu gewährleisten.

Als Präzisions-Förderpumpen und als Mikro-Dosierpumpen können sie sowohl für flüssige, anorganische oder organische Medien als auch für korrosive Lösungen und Gase eingesetzt werden.

Im Gegensatz zu Dosierpumpen anderer Bauart können Taumelkolbenpumpen, für die Betriebstemperaturen bis zu +120 °C zulässig sind, auch zähflüssige Medien mit Viskositäten bis zu 500 Centipoise (cP), wie Öle, flüssige Paraffine oder konzentrierte Zuckerlösungen, problemlos fördern und ebenso partikelhaltige Medien, wie Schlämme und Suspensionen.

Die maximalen Förderleistungen marktüblicher Taumelkolbenpumpen liegen, je nach Größe der Pumpenkammer, zwischen wenigen Millilitern und mehreren hundert Millilitern in der Minute, wobei Betriebsdrucke bis zu etwa 7 bar erlaubt sind. Die Fördergenauigkeiten liegen bei +/- 1 %, für wässerige Lösungen sogar noch deutlich darunter.

Da alle medienberührenden Teile aus chemisch inerten, biokompatiblen Materialien gefertigt sind, genügen Taumelkolbenpumpen und die zugehörigen Anschlüsse für FDA-konforme Schläuche, wie FPM-Schläuche oder TYGON®-Schläuche, den strengen Anforderungen der FDA- und BfR-Richtlinien.

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Zudem zeichnen sich Taumelkolbenpumpen durch hohe Laufruhe aus und sind weitgehend wartungsfrei, was für den festen Einbau in Gerätesysteme von erheblichem Vorteil sein kann. Die Reinigung der Pumpen ist nur bei Wechsel des zu fördernden Mediums notwendig; beim Wechsel von wässerigen Lösungen genügt dafür meist schon reines Wasser. Taumelkolbenpumpen sind damit perfekte Förder- und Dosierpumpen.

… und wo werden Taumelkolbenpumpen eingesetzt?

Taumelkolbenpumpen können in allen Bereichen der Chemietechnik, im Labor, im Technikum oder im Produktionsbetrieb eingesetzt werden, wo präzise Dosierungen kleiner Mengen von Flüssigkeiten oder Gasen anstehen. Ein weites Anwendungsfeld bietet zweifellos das chemische Labor.

Vor allem auf dem Gebiet der analytischen Chemie erledigen elektronisch gesteuerte Taumelkolben-Mikrodosierpumen die Eingabe von Analysenproben und Reagenzien in Analysenautomaten. Da Taumelkobenpumpen selbstansaugend sind, ist das Füllen der Zuleitungen und Schlauchsysteme mit Flüssigkeiten und damit das Ansaugen und Aufnehmen von Analysenproben bei ihrem Einsatz für die automatisierte chemische Analytik kein Problem; die Förderung von Flüssigkeiten wird durch Gaseinschlüsse nicht gestört. Aus eben diesem Grund finden Taumelkolbenpumpen auch als verlässliche Eluenten-Förderpumpen für die präparative Niederdruck-Flüssigchromatographie häufigen Einsatz.

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Für chemische Synthesen und chemisch-präparative Arbeiten leisten Taumelkolben-Mikrodosierpumpen ebenso wertvolle Dienste, so etwa für die kontinuierliche Zugabe von Reaktionskomponenten oder zur Begasung von Syntheseansätzen. Insbesondere bei organisch-chemischen Synthesen, die über längere Zeiträume ablaufen und bei denen die gleichmäßige Zudosierung von Reaktionskomponenten per Hand kaum zu gewährleisten ist, sind Taumelkolbenpumpen unverzichtbare Helfer geworden.

In gleicher Weise dosieren Taumelkolbenpumpen die erforderlichen Komponenten und Additive bei der Produktion von pharmazeutischen und kosmetischen Produkten zuverlässig, wo die präzise Dosierung und die Reproduzierbarkeit bei der Herstellung der Produkte eine essentiell wichtige Rolle spielt.

Auch für die lebensmittelverarbeitende Industrie kommen die wartungsarmen Taumelkolbenpumpen zur Dosierung von Aromen sowie Farb- und Hilfsstoffen zum Einsatz.

Aber was können Taumelkolbenpumpen nicht?

Taumelkolbenpumpen sind Präzisions-Förder- und Dosierpumpen für kleine Flüssigkeitsmengen unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung und Konsistenz und auch für Gase. Als Einkolbenpumpen liefern sie jedoch, wie alle Einkolbenpumpen, nur gepulste Flüsse, was unter Umständen störend sein kann. Die maximal möglichen Durchsatzraten sind allerdings zu klein, als dass sie an Stelle gewöhnlicher Laborpumpen zum Einsatz kommen könnten. Aus gleichem Grund sind Taumelkolbenpumpen auch nicht als Saugpumpe verwendbar, wie sie für die Vakuumfiltration zum Absaugen der Mutterlauge oder zum Absaugen von Dämpfen erforderlich sind. Für die dafür notwendigen, größeren Durchsätze haben sich im Labor- und Technikumsbetrieb besonders Zahnradpumpen bewährt.

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Nicht geeignet sind Taumelkolbenpumpen schließlich zur Vakuumerzeugung. Als Vakuumpumpen kommen im Labor und Technikum meist Membranpumpen zum Einsatz. Für größere Apparate-Systeme sind jedoch leistungsstärkere Pumpen erforderlich, wie Sperrschieber- oder Drehschieber-Pumpen. Vakuumpumpen kommen im Chemielabor vor allem bei der Vakuum-Destillation und Vakuum-Sublimation zur Anwendung, ebenso bei der schonenden Aufkonzentrierung von Lösungen im Vakuum mittels Rotationsverdampfern oder zur restlosen Beseitigung von Lösungsmitteln durch Gefriertrocknung. Letzteres ist ein Verfahren, dessen sich nicht nur die Pharmaindustrie zur Isolierung und Trocknung von Wirkstoffen bedient, sondern auch die Lebensmitteindustrie für die Gewinnung von Konzentraten und Instant-Produkten, wie löslichen Kaffee oder moderne, rieselfähige Süßungsmittel auf der Basis von Stevia-Glycosiden auf geschmackfreien, inerten Trägermaterialien.

Die geeignete Pumpe für die jeweilige Aufgabe zu finden, dürfte bei der großen Zahl von unterschiedlichen Pumpentypen, die heutzutage verfügbar sind und ein breit gefächertes Leistungsspektrum abdecken, kein Problem mehr sein. Auch für Dosierzwecke hält der Markt entsprechende Pumpensysteme bereit. Die zuverlässige und zugleich robuste Taumelkolbenpumpe wird deshalb immer eine derjenigen Pumpen sein, die dann mit in die engere Wahl gezogen werden, wenn es um die präzise Förderung und Dosierung kleiner Mengen geht, vor allem von zähflüssigen oder partikelhaltigen Lösungen.

Bildquellen:
Beitragsbild | © Surasak – stock.adobe.com
Schwengelpumpe | © Manco Capac / Hover dam – de.wikipedia.org
Taumelscheibenmotor | © MichaelFrey – de.wikipedia.org

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.