Silikonkautschuk – Werkstoff für Schläuche, Halbzeuge und Dichtungen

Der Werkstoff Silikonkautschuk zeigt sehr viele gute technische Eigenschaften und wird daher vielseitig eingesetzt. Doch was kann das Elastomer, das in Kleidung, Schuhen, Backzubehör, Prothesen, medizinischen Geräten und Kabelummantelungen steckt? Wie Silikonkautschuk hergestellt wird, seine Eigenschaften, die Verarbeitung und wo er überall zu finden ist, wird im folgenden Artikel beleuchtet.

Was ist Silikonkautschuk?

Bei der Bezeichnung Silikonkautschuk handelt es sich um einen Sammelbegriff für eine Vielzahl von Elastomeren. Diese Elastomere sind keine rein organischen Verbindungen, deren Molekülhauptketten wie bei Naturkautschuk oder anderen organischen Kautschuken aus Kohlenstoff aufgebaut sind. Sie bestehen vielmehr aus Silikon-Polymerketten, mit abwechselnd angeordneten, alternierenden Sauerstoff- und Siliziumatomen, also -Si-O-Si-Bindungen (Siloxanbindungen), daher werden sie auch Polyorganosiloxane genannt.

Die Geschichte der Polyorganosiloxane

Der französischen Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier (1743 – 1793) entdeckte 1787 das Element Silizium (Si). Es ist Bestandteil von Gesteinen und vielen Mineralien und das zweithäufigste chemische Element in der festen Erdkruste nach Sauerstoff. Zusammen mit Sauerstoff bildet Silizium die Basis von Polyorganosiloxanen.

Ausschnitt eines Portraets von Antoine Laurent de Lavoisier (1788)
Ausschnitt eines Porträts von Antoine Laurent de Lavoisier (1788)

Nach der Entdeckung von Silizium rückte deren chemische Untersuchung zunächst in den Hintergrund. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts rückte das Element Silizium und dessen Chemie wieder in den Fokus. Während seiner Professur zwischen 1897 und 1936 am University College Nottingham glückte dem englischen Chemiker Frederic Stanley Kipping (1863 – 1946) die erste Synthese von organischen Silizium-Verbindungen, die Basis von Polyorganosiloxanen. Die teils öligen, teils elastischen oder auch harzartigen Polyorganosiloxane nannte er Silicon-Ketones. Doch konnte er sich für seine Entdeckung keinen Nutzen vorstellen und damit gerieten sie zunächst in Vergessenheit.

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Erst mit der Suche nach Alternativen für Naturkautschuk, Ende der 1920er Jahre, wurde die Arbeit Kippings und andere frühere Arbeiten zur Chemie des Siliziums für die Industrieforschung interessant. Es wurde ein geeignetes, im Industriemaßstab rentabel zu gewinnendes Ausgangsprodukt für siliziumbasierte Elastomere gesucht. Der Durchbruch für die künftige Silikon-Produktion gelang zeitgleich dem deutschen Chemiker Richard Gustav Müller (1903 – 1999) und dem US-Amerikaner Eugene George Rochow (1909 – 2002). Unabhängig voneinander entwickelten sie die für die Silikonproduktion grundlegende Synthese für Chlormethylsilane. Diese ging als die Müller-Rochow-Synthese in die Chemiegeschichte ein.

Synthese von Silikonen

Wie andere Kunststoffe, zum Beispiel Polyester (PE) oder Polyethylenterephthalat (PET), wird auch Silikonkautschuk durch Polykondensation hergestellt.

Ausgangspunkt der Silikondarstellung sind Chlormethylsilane. Durch Hydrolyse werden die Chloratome durch Hydroxy-Gruppen ersetzt:

(CH3)2SiCl2 + 2 H2O → (CH3)2Si(OH)2 + 2 HCl

Die gebildeten Silanole kondensieren sofort unter Abspaltung von Wasser und bilden Polymethylsiloxane.

n (CH3)2Si(OH)2 → [-O-Si(CH3)2-]n + n H2O

Die wichtigsten dieser Grundpolymere sind Poly-Dimethyl-Siloxane, Poly-Methyl-Phenyl-Siloxane und Poly-Methyl-Vinyl-Siloxane. Entsprechend der Vinyl-, Methyl-, Phenyl- oder Fluoralkylgruppen erhalten die Silikonkautschuktypen ihre speziellen Eigenschaften.

Die Polymerisation der gewählten Monomere verläuft in mehreren Schritten.

Aus Dichlordimethylsilan entstehen beispielsweise über das Zwischenprodukt Dimethyldisilanol durch Kondensation, also unter der Abspaltung von Wasser, kettenförmige Polymere. Dieser Vorgang wiederholt sich fortlaufend, wodurch kettenförmige Polymere entstehen.

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Sind in der Polymerkette freie Hydroxylgruppen als Reaktionspartner verfügbar, wachsen die linearen Polymere weiter zu zwei- und dreidimensionalen Strukturen. Beim Syntheseansatz  kommen auch Silane wie Chlortrimethylsilan als Zusatz zum Einsatz. Durch die Kappung der reaktiven OH-Gruppen wird der Kondensationsvorgang beendet.

Ist für bestimmte Silikonkautschuk-Produkte die Regulierung der Konsistenz erforderlich, können Weichmacher, wie niedermolekulare Silikone, eingesetzt werden. Wird stattdessen feindisperses Siliziumdioxid („Kieselsäure“) zugesetzt, erhöht dies die Festigkeit und Maßhaltigkeit von Silikonkautschuk.

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Als Behälter, Backformen und Küchenutensilien findet sich Silikonkautschuk auch in unserer Küche wieder

Für die Vernetzung zu zwei- und dreidimensionalen Molekülen zum Elastomer kommen organische Peroxide zum Einsatz. Sie zerfallen bei erhöhter Temperatur in hochreaktive Radikale und bewirken so die Vernetzung der Polymerstränge.

Eigenschaften von Silikonkautschuk

Silikonkautschuk unterscheidet sich von anderen Elastomeren durch seine einzigartigen technischen Eigenschaften, die sich aus der Polymerstruktur ergeben. Die  mechanischen und chemischen Eigenschaften lassen sich durch die Art und Menge von Hilfsstoffen, wie verstärkende Substanzen und Füllstoffe, stark beeinflussen.

Aufgrund der vielen Anwendungsmöglichkeiten und der jeweils benötigten Eigenschaften ist die exakte chemische Zusammensetzung der industriell angebotenen Silikonkautschuke kaum bekannt. Das stellt für den Anwender aber kein Problem dar. Jeder angebotene Silikonkautschuk-Typ ist ein erprobtes Spezialprodukt für den jeweiligen Anwendungszweck und weist die dafür benötigten chemischen sowie technischen Eigenschaften auf.

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Generell sind jedoch alle Silikonkautschuk-Typen chemisch, mechanisch und thermisch sehr stabile Elastomere. Sie bieten eine gute Temperatur- sowie Tieftemperaturbeständigkeit von -100 °C bis +300 °C, eine nahezu temperaturunabhängige Flexibilität und Elastizität sowie eine herausragende UV- und Witterungsbeständigkeit. Des Weiteren zeigen sie eine hohe Lebensdauer, auch unter mechanischen und chemisch ungünstigen Bedingungen, was Silikonkautschuk als Werkstoff für Pumpenschläuche prädestiniert, sehr gute elektrische Isoliereigenschaften, höchste Maßhaltigkeit nach Vulkanisation und im Vergleich mit anderen Kautschuken eine viel höhere Gasdurchlässigkeit.

Auch gelten sie als physiologisch und toxikologisch unbedenklich, haben eine außergewöhnliche Reinheit und sind geruch- und geschmacklos.

Verarbeitungsverfahren

Die Verfahren zur Verarbeitung von Silikonkautschuk richten sich nach den Vorgaben an die mechanischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften und ob es sich um Flüssig- oder Festsilikonkautschuk handelt. Die Teilgeometrie und Stückzahl spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Sollen große Stückzahlen mit komplizierten Geometrien und einer hohen Produktqualität hergestellt werden, ist der Spritzguss bestens geeignet. Dieser liefert vollautomatisch weitestgehend nachbearbeitungsfreie Vulkanisate in hoher Formgenauigkeit und ermöglicht so kürzere Produktionszyklen.

Bei der Extrusion wird der Kautschuk durch eine formgebende Düse gepresst und im Anschluss vulkanisiert. Der erforderliche Druck wird mit einer Förderschnecke erzielt, dort wird das Ausgangsmaterial homogenisiert, entlüftet und verdichtet. Dieses Verfahren eignet sich für die Herstellung von Endlosartikeln, sogenannter „Meterware“. Schläuche, Rundschnüre, Profile und Flachbändern werden in diesem Verfahren hergestellt.

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Extrudierte, eingefärbte Dichtungsprofile

Beim Formpressverfahren wird Festsilikonkautschuk unter Druck und hohen Temperaturen in vorgegebenen Formen vulkanisiert. Die Vulkanisationszeit richtet sich nach der Temperatur der Ausgangsmaterialien, der Werkzeugtemperatur und der Dicke der Formteile. Die Hauptverfahren, das Compression- und das Transfer-Molding, eignen sich für die Herstellung von Halbzeugen.

Anwendungsmöglichkeiten für Silikonkautschuk

Das Einsatzspektrum von Silikonkautschuk ist wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften breit gefächert.

In der Schlauchtechnik werden insbesondere chemisch weitgehend inerte Silikonschläuche, sogenannte Chemieschläuche, aus Silikonkautschuk hergestellt. Sie dienen der Förderung von Flüssigkeiten im chemischen Labor, in der Lebensmittelindustrie sowie in der Bio- und Medizintechnik und in Pharmabereichen. Da der Werkstoff im Vergleich zu anderen Kunststoffschläuchen eine sehr hohe Gaspermeabilität zeigt, insbesondere für Kohlendioxid (CO2), sind Silikonschläuche zur Förderung von Gasen eher ungeeignet. Sie können jedoch für die gezielte Begasung von Flüssigkeiten eingesetzt werden. Auch als Werkstoff für Pumpenschläuche, Lebensmitteschläuche und Analytikschläuche wird der physiologisch unbedenkliche, thermisch beständige Werkstoff eingesetzt.

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In der Motorentechnik finden sich ebenfalls Schläuche aus Silikonkautschuk wieder, beispielsweise als Turboladerschläuche. Darüber hinaus kommt der Werkstoff für Dichtungen, Auspuffaufhängungen, Schwingungstilger und Kabelummantelungen zum Einsatz.

Auch als thermostabile Elektroisolationen und als elastisches Dichtungsmaterial, wie zum Beispiel für O-Ringe und andere Flachdichtungen, wird Silikonkautschuk verwendet. In der Bauindustrie dient Silikonkautschuk neben der Funktion als Dichtstoff zum Befüllen von Fugen auch als Beschichtungsmasse für Gewebe oder zum Herstellen von Abform- und Vergussmassen.

Typischer Silikondichtstoff
Typischer Silikondichtstoff, der aus einer Kartusche gedrückt wird und anschließend aushärtet

In der Medizin- und Pharmaindustrie findet sich Silikonkautschuk neben Schläuchen auch in  Beatmungsbälgen, Brutkästen und anderen medizinischen Geräten. Für die Herstellung schönheitschirurgischer und anderer medizinischer Implantate wird hochreiner Silikonkautschuk verwendet.

Mittlerweile hat das Elastomer in Form von bunter Kuchen- und Eisformen, Radiergummis, Menstruationstassen und Prothesen in fast jeden Bereich des täglichen Lebens Einzug gehalten.


Bildquellen:
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Silikonkautschuk in der Küche | © Magryt – stock.adobe.com
Dichtungsprofile | © DmyTo – stock.adobe.com
Typischer Silikondichtstoff | © Achim Hering – de.wikipedia.org