Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts Stähle den gestiegenen Anforderungen der Industrie, hauptsächlich an Korrosionsfestigkeit, nicht mehr genügten und Edelstähle noch nicht verfügbar waren, begann die Entwicklung von Kunststoffen. Sie waren zudem leichter und einfach zu bearbeiten. Viele Forscher suchten damals Wege, wie sie die herkömmlichen Werkstoffe ersetzen könnten. Im Laufe der Zeit haben sich Kunststoffe jedoch nicht nur als brauchbares Ersatzprodukt etabliert, sondern bestechen auch durch ihre vielen weiteren Vorteile gegenüber Edelstahl. Kunststoffe werden als Auskleidung für Metallrohre und Ventile in der Chemietechnik (z.B. für Chlorwasserstoff-Gas bzw. Salzsäure bei 180°C) benutzt, da sie viel beständiger gegenüber Chemikalien sind. Hier stellt sich also die Frage, warum dann nicht gleich Produkte aus Kunststoff verwenden?
Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff
Heute lassen sich Kunststoffe in drei Hauptgruppen einteilen: Thermoplaste, Duroplaste und Elastomere. Thermoplaste, wie z.B. PE und PP, bestehen aus langen linearen Molekülen. Sie bestechen u.a. mit ihrer Formbarkeit, sind jedoch nicht sehr hitzebeständig. Duroplaste, wie z.B. PU, hingegen zersetzen sich bei Hitze und sind deutlich härter und spröder als Thermoplaste. Zu den Elastomeren gehören alle Arten von vernetztem Kautschuk wie z.B. FKM. Sie lassen sich bereits bei geringer Zug- oder Druckbelastung verformen.
Edelstahl und Kunststoff im Vergleich: Temperaturbeständigkeit und Herstellungsverfahren
Kunststoffe zeichnen sich, verglichen mit metallischen Werkstoffen, durch eine Reihe von ungewöhnlichen Eigenschaften aus: Auch bei hohen Temperaturen behalten die Hochleistungskunststoffe weiterhin ihre Festigkeit und Steifigkeit. Während Edelstahl aufwändig gegossen werden muss und Einschränkungen bezüglich der Gussformen bestehen, lassen sich aus Thermoplasten auch kompliziertere Formteile mit vergleichsweise geringem Aufwand fertigen. Die Kunststoffe sind zudem auch leicht zu montieren und demontieren.
Heutzutage können auch Prototypen oder Einsätze aus Kunststoff durch einen 3D-Drucker vereinfacht und flexibel gestaltet werden. Der Drucker berechnet bei Eingabe der Zeichnung die genaue Druckzeit. Somit können Prototypen auch über Nacht gedruckt werden und am nächsten Morgen direkt zum Einsatz kommen. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Drucker die Modelle präzise mit einer Schichtdicke von 0,016 mm druckt. Gerade für Kleinstserien können nun Einsätze für die Spritzgießerei gefertigt werden.
Hier können mehrere Kunststoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften durch das Mehrkomponenten-Spritzgießen gezielt kombiniert werden. So kann beispielsweise ein Elastomer in einen Spritzgusskunststoff eingelassen werden, damit z.B. ein O-Ring eingespritzt werden kann. Auch könnte ein Griff auf Rändelknöpfe eingelassen werden. Somit wird die Härte des Kunststoffes mit der Flexibilität des Gummis kombiniert. Edelstahl müsste dahingegen vergleichsweise gebördelt werden.
Was bei der Herstellung der Edelstahlprodukte ein Nachteil ist, ist in der Verwendung ein Vorteil: Edelstahl ist in seiner Anwendung weitaus hitzebeständiger und erreicht auch bei hohen Temperaturen seine volle Leistungsstärke. Durch das hohe Gewicht der Metalle, um die Vor- und Nachteile auf die komplette Wertschöpfungskette zu übertragen, steigen bei Edelstahl unter anderem die Transportkosten, welche bei Kunststoffprodukten vergleichsweise niedrig ausfallen.
Chemische Beständigkeit und Leitfähigkeit
Die Hochleistungskunststoffe bestechen besonders durch ihre weitaus höhere Beständigkeit gegenüber aggressiven Chemikalien. Die meisten Kunststoffe sind aufgrund ihrer organischen Natur beständig gegenüber anorganischen Medien wie z.B. Mineralsäuren, Laugen sowie wässrige Salzlösungen.
Gerade im Umgang mit höchst aggressiven Chemikalien garantieren Kunststoffe einen korrosionsfreien Dauereinsatz. In der Praxis haben sich beispielsweise Kugelhähne mit einer Lebensdauer von 35 Jahren bewiesen. Im Gegensatz zu Metallen reagieren einige Kunststoffe allerdings empfindlich auf organische Lösungsmittel, wie Alkohole, Aceton oder Benzin. Dennoch gelang es auch auf diesem Gebiet, beständige Kunststoffe zu entwickeln.
Wo aggressive Medien in explosionsgefährdeten Bereichen zum Einsatz kommen sind elektrisch leitfähige Hochleistungskunststoffe aus bspw. PP, PVDF oder PTFE gefragt. Um eine statische Aufladung zu vermeiden sind diese Materialien mit elektrisch leitfähigen Partikeln ausgerüstet. Für Anwendungen im Außenbereich sind Fluorkunststoffe wie PTFE eine optimale Lösung, da sie gegen UV-Strahlung beständig sind.
Sterilisierbarkeit und Reinigung
Kunststoffe sind nach verschiedenen Verfahren sterilisierbar und überzeugen auch bei häufigem Reinigen. Die Materialien PVDF und PFA sind aufgrund ihrer hohen Hitze- und Druckbeständigkeit für die Heißdampfsterilisation geeignet (autoklavierbar bei 134°C) oder können mit γ-Strahlen (Gammastrahlen) sterilisiert werden, bei vollem Erhalt der mechanischen Eigenschaften (max. Dosis 25-50 kGy). PVDF ist im Bereich <150°C nicht toxisch und bietet keinen Nährboden für Mikroorganismen, da es ein ähnliches Verhalten wie Glas hat. Auch in diesem Punkt ist Kunststoff dem Edelstahl überlegen.
Die Hochleistungskunststoffe sorgen mit erstklassigen Materialeigenschaften für höchste Sicherheit in der Chemietechnik. Produkte wie Schlauchverbinder, Kunststoffschläuche und Durchflussmesser finden ihren Einsatz in diversen Anwendungen: in Reinigungsprozessen, wie z.B. in der CIP-/ SIP-Reinigung, sorgen sie für eine sichere Zu- und Abfuhr der Reinigungschemikalien und Konzentrate. In der Desinfektion werden bspw. Rückschlagventile inklusive Schlauchverbinder eingebaut, damit die Medien aus der Anlage nicht mehr zurück fließen können.
FDA-Konformität und Lebensmitteltauglichkeit
In der Trinkwasseraufbereitung überzeugen die Produkte bei der Verwendung von Ozon, Chlor/ Chlordioxid oder ECA-Wasser und sind zudem meist resistent gegen UV-Strahlen. Die verwendeten Produkte müssen hierbei insbesondere den Normen und Zulassungen der Branche entsprechen. Eine FDA-Konformität sowie das Einhalten der Reglementierung EG 1935/2004 sind daher ein Muss.
Die FDA ist die Behördliche Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelzulassungsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie kontrolliert die Sicherheit und Wirksamkeit von Human- und Tierarzneimitteln, biologischen Produkten, Medizinprodukten, Lebensmitteln und strahlenemittierenden Geräten. Dies gilt sowohl für in den USA hergestellte als auch importierte Produkte.
Die EG 1935/2004 legt einheitliche Vorschriften in Bezug auf Verpackungsmaterialien und Gegenstände fest, die direkt oder indirekt mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Sie soll die menschliche Gesundheit sowie die Verbraucherinteressen schützen und sicherstellen, dass die verwendeten Produkte überall im Europäischen Raum verkauft werden können. Viele Kunststoffe verfügen noch über weitere Normen und Zulassungen. PVDF und PFA z.B. entsprechen je nach Hersteller den aktuellen Standards bezüglich der Qualität von Medikamenten und anderen medizinischen Produkten (USP Class VI). Die meisten Werkstoffe wie ECTFE, PA-Bio oder PVDF sind ADI-free. Dies vermeidet bei der Verwendung im Produktionsprozess jegliche Kontamination mit tierischen Bestandteilen, wie z.B. BSE-Erreger.
Kunststoff kann in vielen Anwendungsbereichen Edelstahl das Wasser reichen und dient lang nicht mehr nur als Ersatzprodukt. Mit seinen vielen positiven Eigenschaften kann es vor allem in der Chemietechnik überzeugen.