Eine Prise Salz? Einen Schwung Sahne? Oder Zucker dazu, bis es schmeckt? Was in der Küche oft und leicht zu funktionieren scheint, ist im Laboralltag kaum vorstellbar und in einer industriellen Chemie-Syntheseanlage schon gar nicht. Die Kunst des Dosierens hängt in der Tat von vielerlei Faktoren ab, die einen chemischen Prozess bestimmen. Wie viel muss hinzu gegeben werden? Ist der pH-Wert entscheidend? Muss ein Feststoff oder eine Lösung dazu gegeben werden? Um die vielfältigen Inhalte etwas einzuschränken, beschäftigt sich der nachfolgende Artikel lediglich mit der Dosierung von Flüssigkeiten – von flüssigen Fluiden.
Flüssige Fluide – was ist das?
Fluide sind Stoffe, die die Eigenschaft haben, zu fließen. Physikalisch gesehen können Fluide sowohl Gase als auch Flüssigkeiten sein. Viele physikalische Gesetze gelten daher auch für beide. Die Strömungslehre hingegen bezeichnet jeden Stoff als Fluid, der eine endliche Viskosität aufweist. In diesem Sinne umfasst der Begriff „Flüssige Fluide“ alle flüssigen Gemische aus festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen. Das sind neben echten Lösungen auch Kolloide, Emulsionen und Suspensionen.
Die Menge macht es nicht allein – die Verfahrensschritte des Dosierens
Für chemische Prozesse werden sowohl im industriellen Maßstab wie im Labor flüssige Fluide, unterschiedliche flüssige Stoffe, miteinander vermischt und zur Reaktion gebracht. Meist sind dafür bestimmte Mengen der Komponenten erforderlich, die ihre genaue Dosierung erfordern, um optimale Resultate zu erzielen.
Allen Dosiervorgängen sind drei Einzelschritte gemein: das präzise Abmessen, was entscheidend für die Menge an zugesetzten Stoffen ist, das Fördern, das darüber entscheidet, wie ein Stoff dazu gegeben wird, ob nur einmalig, schrittweise in Chargen oder kontinuierlich und schließlich die Geschwindigkeit der Stoffzugabe, die wesentlichen Einfluss auf den Reaktionsablauf nehmen kann.
Vor allem im Bereich der analytischen Chemie sind die zu dosierenden Mengen oft sehr klein. Sie erfordern aber, weil es auch hier um chemische Umsetzungen geht, nicht minder präzise Dosierungen und Dosiertechniken als große Mengen von Fluiden in der Industrie.
Im Labor sind nach wie vor Pipetten für die Dosierung von Flüssigkeiten unabdingbare Helfer, die heute technisch soweit ausgereift sind, dass auch Mengen im Milli- und Mikroliterbereich sicher und genau dosiert werden können. In der chemischen Industrie geht es hingegen um das Dosieren von großen Mengen, die präzise durch geschlossene Rohrleitungen mit elektronisch gesteuerten Pumpen über elektronische Volumen-Durchflussmesser-Systeme einmalig, chargenweise oder kontinuierlich dosiert werden.
Die Voll- und Messpipette
Die klassische Vollpipette ist aus Borsilikat-Glas und meist auch amtlich geeicht. Sie hat eine „bauchige“ Form und dient der Dosierung von Flüssigkeiten, deren Menge durch das Gesamtvolumen der Pipette festgelegt ist – daher der Name „Vollpipette“. Üblich sind Vollpipetten für 1 ml, 5 ml, 10 ml, 25 ml, 50 ml und 100 ml, aber auch andere Volumina sind möglich.
Die Messpipette ist dagegen ein Dosiersystem, das aus einem glatten Glasrohr besteht, das zu einer Spitze ausläuft. Die Messpipette verfügt zusätzlich über eine eingravierte Skala, die die volumetrische Dosierung von Flüssigkeiten in unterschiedlichen Mengen mit ein und derselben Messpipette ermöglicht.
Das Ansaugen und Ausstoßen der zu dosierenden flüssigen Stoffe erfolgt bei beiden Pipettentypen mittels einer aufsteckbaren Dosierhilfe, wie dem „Peleusball“ aus Gummi, den der Kieler Arzt Friedrich Pels Leusden (1899 – 1976) erfunden und bereits im Jahre 1931 in der „Münchner Medizinischen Wochenschrift“ als Hilfe für „gefahrloses Pipettieren„ präsentiert hatte. Dennoch war bis in die jüngste Zeit das Ansaugen der Pipetten mit dem Mund üblich, was nunmehr aber wegen der damit verbundenen persönlichen Gefahren für den Bearbeiter beim Dosieren von Flüssigkeiten verboten worden ist.
Die Bürette
Die Bürette ist ähnlich einer Messpipette ein kalibriertes und meist auch geeichtes Glasrohr, das aber im Unterschied zur Pipette in einem Auslasshahn endet. Sie wird mit einem aufgesetzten Trichter befüllt. Üblich sind Gesamtvolumina von 25 ml, 50 ml und 100 ml. Die Bürette ermöglicht, je nach Ausführung, korrekte Entnahmen und damit Dosierungen von Flüssigkeiten im 100-µl-Bereich. Der Erfinder dieser Dosiertechnik ist der französischen Apotheker Francois Descrizilles (1751 – 1825), der diese Dosiertechnik als erster für volumetrische Gehaltsbestimmungen durch Titration einsetzte. Volumetrische Gehaltsbestimmungen sind bis heute ein wichtiges Teilgebiet der quantitativen analytischen Chemie geblieben.
Die Pasteur-Pipette
Die Pasteur-Pipette, die auf den französischen Chemiker und Mikrobiologen Louis Pasteur (1822 – 1895) zurück geht, ist ein schlankes, zu einer Spitze ausgezogenes Glasröhrchen. Das Ansaugen und Abgeben der Flüssigkeit erfolgt bei dieser Dosiertechnik mit Hilfe eines aufgesetzten Gummihütchens. Mit Pasteur-Pipetten können kleine Flüssigkeitsmengen im Milliliterbereich tropfenweise dosiert werden. Oft sind sie Teil von Medikamentenfläschchen, um flüssige Arzneimittel tropfenweise entnehmen zu können.
Pasteur-Pipetten werden auch heute noch im Labor als Dosiertechnik genutzt. Für den Einmalgebrauch werden graduierte Pasteur-Pipetten aus Polypropylen (PP) oder Weich-Polyethylen (LDPE) mit fest integriertem Saughütchen als Transfer- oder Tropf-Pipetten angeboten.
Die Mikroliter-Pipette
Mikroliter-Pipetten werden, je nach Bauart, für die Dosierung von Flüssigkeitsmengen zwischen einem und mehreren hundert Mikrolitern eingesetzt. Ihr Funktionsprinzip ist mit den in der Medizin üblichen Spritzen vergleichbar, das auch bei Mikroliter-Dosierspritzen für die Gaschromatographie (GC) und für die Hochleistungs–Füssigchromatographe (HPLC) realisiert wird. Trotz unterschiedlicher technischer Ausführungen arbeitet diese Dosiertechnik immer nach dem Verdrängerprinzip. Die Flüssigkeit wird beim Dosieren durch den fest vorgegebenen oder einstellbaren Kolbenhub eines Kolben-Zylinder-Systems angesaugt und wieder ausgestoßen.
Die Spritzenkörper von Mikroliter-Pipetten sind aus harten Kunststoffen gefertigt und dadurch mechanisch sehr robust. Die zu dosierende Flüssigkeit wird im Gegensatz zu den Dosierspritzen von aufsteckbaren Pipettenspitzen aus Kunststoff aufgenommen, die allein mit ihr in Kontakt kommen und als ein Einmalprodukte nach jedem Gebrauch ausgewechselt werden. Dadurch sind Fehler durch das Verschleppen von Substanzen dank dieser Dosiertechnik praktisch ausgeschlossen.
Die automatische Dosierung im Labor
Zunehmend laufen auch im chemischen Labor Dosiervorgänge automatisiert ab. Das betrifft nicht nur Automaten für die analytische Chemie, in denen Mikro-Dosierpumpen für die Probenahme verbaut sind, sondern auch die Synthesechemie. Konnte in der Vergangenheit die kontinuierliche Zugabe von flüssigen Stoffen bei einer chemischen Synthese im Labor allein mittels Tropftrichtern realisiert werden, sind dafür heute Dosierpumpen im Einsatz.
Für solche Dosieraufgaben haben sich in Labor und Technikum besonders Taumelkolbenpumpen bewährt, weil diese Pumpe fast alle flüssigen Fluide mit hoher Präzision fördern und dosieren können. Das sind nicht nur reine Flüssigkeiten wie Wasser, sondern auch Suspensionen und viskose Fluide, wie Glycerin oder Öle und sogar Pasten. Bei dieser Art von Kolbenpumpen ist das Kolben-Zylindersystem aus synthetischem Korund gefertigt, einer chemisch sehr stabilen und erst bei einer Temperatur von über +2.000 °C schmelzenden Aluminiumoxid-Keramik. Fein vermahlen dient synthetischer Korund als Schleifmittel, denn seine Härte kommt der des Diamanten nahe. In der Natur findet sich Korund als rotgefärbter Rubin und als blau– bis schwarzgetönter Saphir, beide finden aber nicht nur im Bereich der Dosiertechnik Verwendung, sondern sind seit langer Zeit begehrte Schmucksteine.
Verbreitet sind auch Schlauchpumpen, die pulsationsarme Flüsse liefern und vor allem im biochemischen Labor zum Einsatz kommen, etwa als wartungsarme Dosierpumpen für die Flash-Chromatographie. Im Gegensatz zu Kolbenpumpen können Schlauchpumpen jedoch nur gegen geringe Gegendrucke von wenigen Millimetern Wassersäule arbeiten und dosieren. Diese Dosiertechnik kann bei geeigneter Wahl der Pumpenschläuche nicht nur neutrale, wässerige Lösungen fördern und dosieren, sondern auch chemisch reaktive flüssige Stoffe, Säuren und Laugen. Neben den bewährten TYGON®-Pumpenschläuchen sind dafür auch Silikon-Schläuche, Fluorkautschuk-Pumpenschläuche (FPM-Schläuche) sowie Pumpenschläuche aus Polyvinylchlorid (PVC-Schläuche) und Pumpenschläuche aus thermoplastischen Elastomeren verfügbar, etwa auf der Basis von Ethylen–Propylen–Dien mit Propylen (EPDM/PP-Schläuche).
… und in der chemischen Industrie
In der chemischen Industrie erfolgen Dosierungen von flüssigen Fluiden schon lange automatisiert über elektronisch gesteuerte Dosierpumpen und Dosiertechnik, die, richtig programmiert, Fehldosierungen ausschließen und damit zugleich erheblich zur Betriebssicherheit von Chemieanlagen beitragen.
Für sehr hohe Dosierraten werden Kreiselpumpen eingesetzt, die pulsationsfreie Förderraten in der Größenordnung von mehreren Kubikmetern in der Minute ermöglichen. Aufgrund ihrer Funktionsweise werden sie auch als Zentrifugalpumpen bezeichnet.
Meist genügen aber schon Membranpumpen, die Förderraten von einigen Hundert Litern in der Minute leisten können und wie Kreiselpumpen auch gegen höhere Drucke sicher arbeiten. Ebenso sind Zahnrad-Pumpen sehr zuverlässige Fördersysteme für die Dosierung flüssiger Medien. Sie sind leicht regelbar und bieten trotz geringen Wartungsaufwands die Gewähr für hohe Standzeiten. Beide Pumpentypen dosieren ebenfalls praktisch pulsationsfrei.
Genaues Abmessen und Dosieren von Flüssigkeiten, gleich in welchen Mengen, ist heute dank moderner Dosiertechnik keine Kunst mehr, wie es noch zu Beginn des Aufbruchs der Chemie in die Moderne Anfang des 19. Jahrhunderts der Fall war. Doch schon damals erklärte der französische Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac (1778 – 1850) als einer der ersten das Messen zu einer der wichtigen, praktischen Grundlagen der wissenschaftlichen Chemie.
Genaues Dosieren ist dank vieler Erfindungen und technischer Verbesserungen heutzutage zur Routine geworden – im Labor, wo kleine und kleinste Mengen ebenso exakt zu dosieren sind wie in den Anlagen der chemischen Großindustrie, wo nach Tonnen und Kubikmetern gerechnet wird und flüssige Fluide in chemischen Prozessen umgesetzt werden.
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