Rohstoffkrise im Öl- und Gas-Segment

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Seit Erdgas und Erdöl durch Corona-Krise und Ukraine-Krieg knapp und teuer geworden sind, nimmt die Dekarbonisierung der Wärmeproduktion zunehmend Fahrt auf. Abgesehen vom Flüssigerdgas Liquefied Natural Gas (LNG), das weltweit per Schiff aus Übersee importiert werden muss, bieten sich klimafreundliche Alternativen an, um fossile Energien wie Erdgas zu ersetzen und die Klimabelastung zu verringern. Das Spektrum reicht von der heimischen Biogasproduktion über Dampfreformierung, moderne Elektrolysemethoden wie PEM bis hin zu neuartigen chemischen Reaktoren.

Erdgas ist eine Mischung fossiler Kohlenwasserstoffe, die zum überwiegenden Teil aus Methan, daneben zu unterschiedlichen Anteilen aus langkettigeren Molekülen wie Propan, besteht. Oft wird Erdgas zusammen mit Erdöl in Lagerstätten gefunden, da beide auf die gleiche Weise entstehen.

Abgestorbene marine Mikroorganismen, vorwiegend Algen, lagern sich am Meeresboden ab und bilden unter Sauerstoffabschluss einen Faulschlamm. Wenn sich darüber Sedimente bilden, und der Faulschlamm so tiefer unter die Erdoberfläche absinkt, können sich unter hohem Druck und hoher Temperatur über lange Zeiträume Erdgas und Erdöl bilden. Manche kleineren Erdgaslagerstätten entstanden aber auch ohne diese Absenkung, solche findet man zum Beispiel im Alpenraum.

Erdgas: Von „ewigen Feuern“ im Alten Orient bis ins 21. Jahrhundert

An die Oberfläche tretende, brennbare Gase kennt der Mensch wohl schon lange: Vermutlich wurden schon die „ewigen Feuer“ in den Tempeln des Alten Orients vor mehr als 4.000 Jahren durch lokal austretendes Erdgas gespeist.

Lange Zeit konnte das Erdgas nur vor Ort als Brennstoff genutzt werden, und das bei Erdölbohrungen anfallende Erdgas wurde wegen des schwierigen Transports einfach abgefackelt. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in den Vereinigten Staaten die ersten längeren Pipelines mit bis zu 100 km Länge gebaut, um das Gas von der Quelle zum Verbraucher in der Stahlindustrie zu transportieren. Längere Distanzen ließen sich erst überbrücken, als in den 1930er Jahren das Problem der in Pipelines auftretenden Bildung von Methanhydrat aus Methan und Wasser gelöst wurde.

Erdgas lässt sich in Pipelines transportieren, indem es unter Druck in die Röhren gepresst wird, bei Fernleitungen ungefähr 80 bar. Mithilfe von Verdichterstationen in bestimmten räumlichen Abständen kann das Gas auch lange Entfernungen überwinden. Zum Endverbraucher wird der Brennstoff dann unter niedrigerem Druck weitergeleitet.

So wurde auch in Deutschland Erdgas zur Energieversorgung erst ab den 1960er Jahren in nennenswertem Maßstab verwendet, vorwiegend, um Wärme in der Industrie zu erzeugen, später auch in Privathaushalten. Eine lokale Infrastruktur zur Verteilung von brennbarem Gas zu den Endverbrauchern hatte es in Form von Stadtgasleitungen aber schon vorher gegeben.

Die größten Pipelines, die Erdgas aus Russland in die EU transportieren (Stand: November 2009)
Die größten Pipelines, die Erdgas aus Russland in die EU transportieren (Stand: November 2009)

Stadtgasversorgung im 19. Jahrhundert

Stadtgas ist eine bei der Entgasung von Kohle anfallende Mischung aus Wasserstoff, Methan, Stickstoff und Kohlenmonoxid. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es zum Beispiel zur Straßenbeleuchtung, später auch als Wärme- und Stromquelle verwendet.

Stadtgas produzierende Gaswerke fanden sich lokal in vielen Ballungsräumen. Allerdings hatte dieses Gas einen entscheidenden Nachteil gegenüber dem Erdgas: es war oft giftig, vor allem durch den Anteil von Kohlenmonoxid. Daher wurde Stadtgas in Deutschland im Laufe des 20. Jahrhunderts weitgehend durch Erdgas ersetzt. Diese Umstellung geschah zuerst in Gegenden mit lokalen Erdgasvorkommen, etwa in Norddeutschland, aber bald darauf auch in der DDR, die weniger Kohle zur Stadtgaserzeugung, aber dafür leichteren Zugang zu sowjetischem Erdgas hatte.

Versorgung Europas durch Gasfelder der Sowjetunion

Mit der Entwicklung von Gasfeldern in der Sowjetunion wurde Erdgas ab den 1960er Jahren zunächst in den Ostteil Europas exportiert. Dies erfolgte vor allem durch die Drushba-Pipeline, ab den 1970er Jahren auch in den Westen, mit Pipelines bis hin zur direkt von Russland nach Deutschland verlaufenden Nord-Stream.

Der weltweite Verbrauch von Erdgas verfünffachte sich zwischen 1950 und 2020. Deutschland ist nicht nur der größte Importeur von Erdgas, mit einem Anteil von etwa 26 % am Primärverbrauch im Jahr 2020 ist Erdgas auch der größte fossile Energieträger. Somit stieg die Abhängigkeit von Gas aus anderen Staaten.

Da Erdgas durch Verbundnetze günstig transportiert werden konnte, wurde das Gas zusätzlich zur Wärmeproduktion zunehmend auch zur Produktion von Strom verwendet. Da sich Strom mit Gas kostengünstiger als mit anderen fossilen Brennstoffen erzeugen ließ, stieg dessen Anteil an der Gesamtproduktion bis 2021 auf etwa 10 %.

Corona-Pandemie und Invasion der Ukraine

Nachdem der Erdgaspreis um 2005 ein Allzeithoch erreicht hatte, sank er in den folgenden Jahren durch die Entwicklung von unkonventionellen Quellen, wie der Schiefergasextraktion oder Fracking, zunächst wieder ab. Aber durch die nach Abklingen der Corona-Pandemie stark angestiegene Nachfrage zog der Erdgaspreis ab 2021 wieder deutlich an.

Erdgaspreise in Europa und den USA (2018 bis Juli 2022)
Erdgaspreise in Europa und den USA (2018 bis Juli 2022)

Da Erdöl und Erdgas nicht nur zur Wärme- und Stromproduktion genutzt werden, sondern auch Rohstoff für zahlreiche Grundchemikalien sind, kam es im Zuge dessen auch zu Preiserhöhungen bei zahlreichen Chemikalien und Endprodukten.

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Zu nennen sei hier die Kunststoff-Knappheit nach 2020. Egal ob Schläuche aus Kunststoffen, Halbzeuge, Ventile oder Schlauchverbinder: Der Preis für Waren aus technischen und fluorierten Kunststoffen ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Manche Hochleistungskunststoffe, wie PVDF (Polyvinylidenfluorid) oder PCTFE (Polychlortrifluorethylen), waren zeitweise gar nicht mehr lieferbar.

Wege aus der Krise: Alternativen für Erdgas

Um den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln, hat die Bundesregierung als „Gaspreisbremse“ bezeichnete Maßnahmen ergriffen. Es wurde verstärkt auf regenerative Energien zurückgegriffen, aber auch die Erzeugung von Kohlestrom wurde wieder vermehrt aufgenommen.

Liquefied Natural Gas (LNG)

Eine weitere Maßnahme, um die Abhängigkeit speziell von russischem Erdgas zu reduzieren, ist der Import aus anderen Ländern in Form von Liquefied Natural Gas (LNG). Das Flüssigerdgas wird auf -162 °C abgekühlt, was zuvor nicht wirtschaftlich war. LNG kann in einem Tank mit geringem Überdruck per Schiff transportiert werden, was Lieferungen aus Übersee erlaubt.

Produktion von Biogas

Ein anderer Weg, das Erdgas zu ersetzen, ist die in der Natur ablaufenden Prozesse bei deren Entstehung für sich nutzbar zu machen: die Produktion von Biogas.

Biogas entsteht ebenfalls bei der Zersetzung von organischem Material unter Sauerstoffabschluss. Auch hier ist die größte Fraktion das Methan mit 50 bis 75 %, daneben enthalten sind Kohlendioxid und andere Gase. Als Biogas-Substrat werden Rohstoffe wie Mais- und Gras-Silage, aber auch Mist und biologische Abfälle verwendet.

Der biologische Fußabdruck dieser Materialien kann sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Rohstoffe, wie die Zellulose (etwa aus Stroh), erfordern eine bestimmte Anpassung der mikrobiellen Kultur. Andere wiederum, wie das im Holz enthaltene Lignin, werden nur schwer, beispielsweise von bestimmten Pilzen, aufgeschlossen und eignen sich bisher nur schlecht zur Biogas-Erzeugung.

Moderne Anlage zur Erzeugung von Biogas
Moderne Anlage zur Erzeugung von Biogas

Je nach Stufe der Entfernung unerwünschter Gase und Flüssigkeiten, insbesondere von giftigen und korrosiven Gasen wie Ammoniak, kann Biogas als Austauschgas das Erdgas vollständig ersetzen und ins Transportnetz eingespeist werden. Bisher beträgt die Biogasproduktion in Deutschland etwa 10 % der Menge des aus Russland importierten Gases. Unter bestimmten Bedingungen könnten bis zu 50 % ersetzt werden.

Erdöl und Erdgas zur Herstellung von Grundchemikalien

Erdgas und Erdöl werden nicht nur verwendet, um Wärme und Elektrizität zu produzieren. Beide fossile Energien liefern auch essenzielle Bausteine für die chemische Industrie, beispielsweise durch Bereitstellen von Wasserstoff, der als Reduktionsmittel bedeutsam für die verschiedensten chemischen Prozesse ist.

Wasserstoff wird in großtechnischem Maßstab per Dampfreformierung durch Umsetzung von Methan mit Sauerstoff erzeugt. Dabei entsteht als Nebenprodukt Kohlenmonoxid, das in einer folgenden Wassergas-Shift-Reaktion zu Kohlendioxid und weiterem Wasserstoff umgesetzt werden kann. Wesentliche Beispiele für die Weiterverarbeitung von Gas sind die Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren in der Düngemittelproduktion und die Funktion als Reduktionspartner, um Metalle aus Erzen zu gewinnen.

Da bisher die meisten Grundchemikalien aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden, und diese außerdem Hitze und Druck für chemische Reaktionen liefern, kann eine Dekarbonisierung zumindest der Wärmeproduktion Abhängigkeiten von Erdgas und Erdöl verringern und die Klimabelastung reduzieren. Ein Beispiel ist die Dampfreformierung, um Wasserstoff aus Methan und Wasserdampf herzustellen. Dieser Prozess findet bisher zumeist in einem mit fossilen Brennstoffen geheizten Reaktor statt. Die Gruppe von Sebastian Wismann und Ib Chorkendorff von der Technischen Universität Dänemark hat einen Reaktor konstruiert, in dem das eiserne Reaktionsrohrs, in dem die Dampfreformierung stattfindet, elektrisch auf +800 °C erhitzt wird.

Eine noch weitergehende Dekarbonisierung kann erreicht werden, wenn bei industriellen Prozessen angefallenes CO2 als Rohstoff genutzt wird. Eine Mischung aus den reichlich vorhandenen Ausgangsstoffen CO2 und Wasser kann zur Produktion von verschiedenen Industriechemikalien wie Kohlenmonoxid (CO) und Ethen durch Elektrosynthese verwendet werden, was durch hohe Stromkosten bisher noch nicht wirtschaftlich ist. Allerdings würde die Elektrosynthese von Chemikalien wie CO, H2, Ethanol und Ethylen bei einem Strompreis unterhalb von etwa 4 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bei einem Wirkungsgrad der Elektrolyse von mindestens 60 % wettbewerbsfähig. Dies kann mit modernen Elektrolysemethoden wie die Protonenaustauschmembran-Elektrolyse (PEM) bereits erreicht werden.

Gerade-Schlauchtülle aus PP oder PVDF T-Rohrverbinder mit Außengewinde aus PA oder PVDF

Bei der PEM befindet sich eine Polymermembran zwischen zwei Elektroden. Wassermoleküle werden einer katalysatorbeschichteten Anode in O2, Wasserstoffionen und Elektronen gespalten. Die Wasserstoffionen permeieren die Membran zur anderen katalysatorbeschichteten Elektrode, der Kathode, wo sie Elektronen treffen, um zu Wasserstoff reduziert zu werden. Auch zur Erzeugung von Kohlenmonoxid und Sauerstoff aus Kohlendioxid lässt sich die PEM verwenden.

Da die Effizienz bei jedem Schritt einer Synthese erneut ins Spiel kommt, schlägt eine elektrobasierte Chemie um so mehr zu Buche, je langkettiger die Kohlenstoffverbindungen und je komplizierter die Synthese-Schritte sind. Ein Beispiel ist die bisher vergleichbar wenig effiziente Produktion von E-Fuels.

Daher ist es eine besondere Herausforderung, neuartige chemische Reaktoren und neue Wege der Katalyse zu entwickeln, um nicht nur die Zuführung von Reaktionsenergie, sondern auch die Kohlenstoff-Quellen für die Synthese chemischer Erzeugnisse unabhängiger von Erdgas und Erdöl zu machen. Grundsätzlich stellt der Auf- und Umbau einer neuen Energie- und Rohstoff-Infrastruktur alle Beteiligte vor neue Herausforderungen, um die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und damit von deren globalen Lieferanten zu reduzieren.

Bild-Quellen:
Beitragsbild | © Ramon Cliff – stock.adobe.com
Karte: Pipelines, die Erdgas aus Russland in die EU transportieren | Samuel Bailey (sam.bailus@gmail.com), CC BY 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/3.0>, via Wikimedia Commons  
Erdgaspreise in Europa und den USA (2018 bis Juli 2022) | © Wikideas1, CC0, via Wikimedia Commons
Anlage zur Erzeugung von Biogas | © fineart-collection – stock.adobe.com

Über Reichelt Chemietechnik

Im Sortiment der RCT Reichelt Chemietechnik finden sich über 80.000 verschiedene Produkte, die unter anderem Einsatz im Maschinenbau, in der Chemietechnik, der Verfahrenstechnik sowie der Medizintechnik finden. Das Motto des Unternehmens aus Heidelberg ist der „Vertrieb der kleinen Quantität“ – das bedeutet, dass alle Produkte in kleinen Stückzahlen bzw. Längeneinheiten bestellt werden können. Das umfasst auch Nischenprodukte, wie spezielle Schlauchverbinder oder Schläuche mit unüblichen Dimensionen, die normalerweise nicht in kleinen Losgrößen am Markt erhältlich sind