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Biogas – eine Energiequelle mit Zukunft?

Nach der Abkehr von Kernenergie und Kohle treten erneuerbare Energien, wie Sonnen-, Wind- und Wasserkraft immer stärker als Strom- und Energiequellen in den Vordergrund, durch deren Nutzung sich das Klima effektiv schützen lässt. Auch Biogas gehört dazu, das in einigen Biogasanlagen bereits industriemäßig gewonnen wird. Ist es aber eine Energiequelle mit Zukunft?

Was ist Biogas?

Biogas ist ein Gasgemisch, das bei der anaeroben Fermentation von Biomasse, dem mikrobiellen Abbau unter Ausschluss von Sauerstoff, in Biogasanlagen (engl.: biogas plants) erzeugt wird. Wesentlicher Bestandteil des Gases ist Methan (CH4), das ein effizienter Energieträger ist.

… und was ist Biomasse?

Biomasse ist im weitesten Sinne die Gesamtheit der auf der Erde vorhandenen belebten, „organischen“ Natur, nämlich Menschen, Tiere und Pflanzen, und ihre natürlichen, organischen Hinterlassenschaften. Im Hinblick auf die Biogasgewinnung muss die Definition hierfür jedoch sehr viel enger gefasst werden. Hiernach zählen zur Biomasse die von Nutztieren herrührenden Hinterlassenschaften sowie Pflanzen und Pflanzenrückstände.

Die Natur macht es vor – aber nicht umweltfreundlich

Biogas mit seinem Hauptbestanteil Methan (CH4) entsteht in der freien Natur überall dort, wo abgestorbenes organisches Material unter anaeroben Bedingungen von Mikroorganismen abgebaut wird. Das erfolgt hauptsächlich auf den Nassreisfeldern in Asien, Amerika und Südeuropa, wo sich in den unter Wasser stehenden Böden Biomasse aus Pflanzenrückständen anaerob zersetzt, aber auch in Sümpfen, Mooren und veralgten Seen, wo es als „Sumpfgas“ oder „Faulgas“ an die Oberfläche gelangt, sowie in Hausmülldeponien, in denen es aus organischen Haushaltabfällen als „Deponiegas“ freigesetzt wird. Und nicht zu vergessen: die Wiederkäuer, die Rinder- und Schafsherden auf der Weide. Sie produzieren bei der Verdauung ihrer pflanzlichen Nahrung beachtliche Mengen eines Gemisches aus Methan und Kohlenstoffdioxid, was nichts anderes ist als Biogas.

Biomassehaufen-Biogasanlage
Angehäufte Biomasse einer Biogasanlage bei Hannover

Alle diese natürlichen Methanquellen belasten die Umwelt erheblich, denn das als Treibhausgas gegenüber Kohlenstoffdioxid 25 mal wirksamere Methan wird mit seiner Entstehung unmittelbar in die Atmosphäre entlassen.

Ausgangsstoffe für die Biogaserzeugung

Die natürlichen, biochemischen Umwandlungsprozesse von Biomasse unterschiedlicher Provenienzen zu Gas werden heute in geschlossenen Biogas-Erzeugungsanlagen nachempfunden und so wirtschaftlich dienstbar gemacht.

Als Substrate für die Biogasgewinnung in diesen Anlagen, als sogenannte „Futterstoffe“, stehen Gülle und Stallmist mit an vorderer Stelle, die in großen Mengen als Abprodukte aus der Intensiv-Viehhaltung anfallen. Ihre Nutzung für die Biogasgewinnung ist daher geradezu angezeigt, denn die unmittelbare Verwertung als Wirtschaftsdünger wird durch die Düngeverordnung (DüVund andere gesetzliche Anordnungen stark reglementiert, um Überdüngungen von Ackerflächen, Einträge in das Grundwasser und die Eutrophierung von nahen Gewässern zu vermeiden. Aber auch Stroh, Grünschnitt und naturbelassene Holzabfälle aus land– und forstwirtschaftlichem Aufkommen wie auch das, was alltäglich in der „Bio-Tonne“ landet, Lebensmittelabfälle aus Haushalten, Supermärkten und Gaststätten, sind für die Biogaserzeugung in einer solchen Anlage geeignet.

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Biogas aus Klärschlämmen zu gewinnen, die bei der Abwasserbehandlung in Klärwerken anfallen und erhebliche Mengen an vergärbaren organischen Stoffen enthalten, ist hingegen umstritten, weil diese Schlämme auch noch eine große Anzahl flüchtiger Schadstoffe enthalten können. Ihre Verwertung wird durch die Klärschlammverordnung (AbfKlärV) geregelt.

Die energieträchtigsten und daher wichtigsten Ausgangsstoffe für die Biogasgewinnung sind jedoch die eigens dafür großflächig angebauten „Energiepflanzen“, vorzugsweise Mais und andere Getreidearten, Zuckerrüben und Sonnenblumen. Mit dieser vorgegebenen Zweckbestimmung stehen solche Nutzpflanzen mit in der Reihe der „nachwachsenden Bio-Rohstoffe“, weil sie nicht der Nahrungs- oder Futtermittelproduktion dienen.

Wie entsteht Biogas?

Hauptakteure bei der Biogaserzeugung, der Vergärung von Biomasse, sind methanogene Mikroorganismen, die nur unter Sauerstoffausschluss dazu befähigt sind, Methan zu bilden. Damit unterscheidet sich dieser Prozess grundsätzlich von dem der Kompostierung, bei der Biomasse in Gegenwart von Sauerstoff und Bodenorganismen, hauptsächlich Bodenbakterien, Hefen und Würmern, unter Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und Wärme zu Humusstoffen verrottet.

Luftaufnahme ueber Biogasanlagen
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Die Vergärung von Biomasse zu Gas erfolgt in abgeschlossenen Reaktoren, den Fermentern, wobei zwischen „Nassfermentation“ und „Trockenfermentation“ unterschieden wird. Während erstere für stark wasserhaltige Materialien, wie Gülle, infrage kommt, ist die Trockenfermentation, bei der mehr oder minder kompaktes Substrat nur nass gehalten wird, vor allem für die Verwertung von festen Abfällen geeignet.

Die Biogasbildung ist ein enzymatisch gesteuerter Mehrstufenprozess. Ihm wird meist ein „Hygienisierungsschritt“ voran gestellt, der absichert, dass im Substrat vorhandene, prozessschädigende ubiquitäre und pathogene Keime vorher abgetötet werden. Dies erfolgt durch Wärmebehandlung der Substrate bei Temperaturen >70 °C.

In ihrer einfachsten technischen Auslegung erfolgt die Biogasgewinnung als sogenannte „Eintopfreaktion“ (engl.: one-pot reaction). Sie startet mit der Hydrolyse des organischen Materials durch thermophile Bakterien zu Fett- und Aminosäuren, Zuckern sowie Alkoholen. Bei dem als „Versauerung“ bezeichneten Folgeschritt werden diese zu niederen Fettsäuren, hauptsächlich Propion-, Butter- und Milchsäure, abgebaut. Beide Prozesse laufen bei einem pH-Wert <6,5 und Temperaturen zwischen 50 und 55 °C ab. Die nachfolgende „Acetogenese“ setzt die Säuren mit Hilfe mesophiler Bakterien, Bakterien die optimal zwischen 20 °C bis 40 °C arbeiten, zu Essigsäure (CH3COOH) und Wasserstoff (H2) um. Es folgt abschließend die „Methanogenese„, bei der in einer zweistufigen Reaktion methanbildende Mikroorganismen (Methanobacteriaceae) Essigsäure und Wasserstoff bei Temperaturen zwischen 40 °C und 45 °C zu Methan umsetzten:

CH3COOH → CH4 + CO2

CO2 + 4 H2 CH4 + 2 H2O

Dabei kommt dem Kohlenstoffdioxid als Zwischenprodukt eine wichtige Rolle für den Reaktionsablauf zu: Je unvollständiger die Methanogenese abläuft, umso höher ist der CO2-Anteil im gewonnenen Gas.

Die Gärungsrückstände aus der Biogasgewinnung sind wertvolle organische Stickstoff-Dünger, die außerdem eine Reihe von Spurenelementen sowie Phosphor, Kalium und Schwefel aufgeschlossener Form enthalten, die von Pflanzen leicht aufgenommen werden können.

Mehrstufige Biogasanlagen

Eine erheblich bessere Rohstoffausnutzung und damit höhere Methanausbeute wird in mehrstufigen Erzeugungsanlagen erreicht, in denen die einzelnen Reaktionsstufen getrennt voneinander und dadurch unter jeweils optimalen Bedingungen ablaufen können. Sie ermöglichen es zu dem auch, ZellulosenHemizellulosen und Lignine biochemisch aufzuspalten, was besonders der Verarbeitung von Stroh, Stallmist und Holzabfällen entgegen kommt.

Aufbereitung von Rohbiogas

Der Methangehalt des anfallenden Rohbiogases ist stark von der Qualität der eingesetzten Biomasse und von der Prozessführung abhängig. Üblicherweise werden Gehalte zwischen 45 Vol.-% und 70 Vol.-% Methan erreicht. Der Rest besteht hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserdampf sowie geringen Anteilen aus Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Schwefelwasserstoff (H2S). Das Rohbiogas wird deshalb vor seinem Einsatz durch Abreicherung des Kohlenstoffdioxid-Anteils und Entschwefelung aufbereitet.

Kohlenstoffdioxid-Abreicherung

Je höher der Gehalt an Kohlenstoffdioxid im Gas ist, umso geringer ist sein Energiewert. Während ein Kubikmeter Biogas mit einem Methangehalt von 50% einer Energiemenge von etwa KWh entspricht, liefert ein Kubikmeter reines Methangas nahezu das Doppelte. Deshalb ist die CO2-Abreicherung ein wirtschaftlich gebotener Schritt, sofern der Energieaufwand dafür den erzielbaren Gewinn von Energie nicht übersteigt.

Rohre-Kennzeichnungen-Biogas-Anlage
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Verbreitet für die CO2-Abreicherung sind Gas-Waschverfahren (engl.: gas scrubbings), bei dem Kohlenstoffdioxid unter Druck zunächst adsorbiert und bei anschließender Druckentspannung wieder desorbiert und dabei abgeführt wird. Für die als „Druckwechsel-Adsorption“ oder auch „PSA-Verfahren“ (engl.: pressure swing adsorptionbezeichneten Verfahren kommen sowohl Lösungsmittel, wie Methanol, als auch feste Adsorbentien, wie Aktivkohle und Zeolithe, zum Einsatz. Ebenso ist die Gaswäsche mittels höherer Amine und Aminoalkohole möglich. Bei der „Aminwäsche“ werden nicht nur CO2, sondern auch andere saure Gase, wie H2S, chemisch gebunden. Moderne Anlagen erreichen dadurch Methangehalte von bis zu 98 Vol.-%.

Entschwefelung

Während Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff als Gasbeimengungen unproblematisch sind und Biogas auch mit höherem CO2-Anteil immer noch ein Energieträger bleibt, muss Schwefelwasserstoff, der bei Einsatz von stark eiweißhaltigen Biomassen bis zu 2 Vol.-% erreichen kann, allein schon wegen seines intensiven, üblen Geruchs, der auch in Spuren vernehmbar ist, aber auch wegen seiner Toxizität aus dem Bio-Rohgas entfernt werden.

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Ein weiterer Grund dafür ist, dass sich bei der Verbrennung von H2S-haltigem Biogas Schwefeldioxid (SO2) und unter Umständen sogar Schwefeltrioxid (SO3) bilden würden, die sich mit Wasser spontan zu schwefliger Säure (H2SO3) und Schwefelsäure (H2SO4) umsetzen. Beide Säuren sind giftig, stark ätzend und korrosionsfördernd. Die H2S-Abtrennung ist daher unabdingbar und erfolgt vorwiegend durch die Bindung an Eisensalzen zu festem und chemisch stabilem Eisensulfid (FeS).

Wie wird Biogas verwertet?

Aufbereitetes Biogas ist mit seinen Leistungsparametern denen von Erdgas ohne Einschränkung vergleichbar und daher auch geeignet, in das öffentliche Gasversorgungsnetz eingespeist zu werden. Allerdings ist die Netzeinspeisung dieses Gases nur für industriell betriebene Großanlagen rentabel, die über ausreichende Grundlagen für die kontinuierliche Bereitstellung von energiereichen Futterstoffen verfügen. Auch die technischen Voraussetzungen für die sichere Übergabe des Gases an das Versorgungsnetz müssen zur Verfügung stehen.

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Die meisten der über 7000 Biogasanlagen in Deutschland sind deshalb nur lokale Anlagen, die vor allem Abprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft vor Ort verwerten und deren gewonnenes Gas hauptsächlich in Blockheizkraftwerken (BHKW) zur örtlichen Strom- und Wärmegewinnung genutzt wird. Dennoch realisieren sie derzeit gut 4% des Stromverbrauchs in Deutschland. Hinzu kommt die Wärmeproduktion, die dazu ausreicht, mehr als eine Million Haushalte zu versorgen. Gleichzeitig werden damit CO2-Emmissionen aus fossilen Quellen in einer Größenordnung von 13 Millionen Tonnen/Jahr vermieden; ein beachtlicher Gewinn für die Umwelt, denn die Biogasverbrennung ist CO2-neutral.

Biogas – eine Energiequelle mit Zukunftspotential?

Kann die Biogasproduktion für den begonnenen ökologischen Umbau der Energieerzeugung in Deutschland einen nennenswerten Beitrag leisten? Diese Frage wird kontrovers diskutiert, auch von der Fachwelt.

Entwicklung und Leistung deutscher Biogasanlagen
Entwicklung und Leistung deutscher Biogasanlagen (Stand: 11/2010, Quelle: Fachverband Biogas e.V.)

Zweifelsfrei ist Biogas ein umweltfreundlicher Energieträger. Es kann sowohl aus nachwachsenden Rohstoffen als auch aus Abprodukten der Land- und Forstwirtschaft gewonnen werden, deren Entsorgung problematisch sein kann. In aufgereinigter Qualität ist das Ökogas sogar geeignet, in das öffentliche Gasnetz eingespeist zu werden. Um jedoch einen höheren Beitrag am Energieaufkommen in Deutschland zu leisten, als es jetzt bereits möglich ist, müsste ein Netz größerer Biogasanlagen errichtet werden.

Dem anfänglichen Trend zu Großanalgen für die industrielle Biogasproduktion sind allerdings seit 2014 mit dem „Erneuerbare Energien-Gesetz“ (EEG) Grenzen gesetzt worden, um die Nahrungs- und Futtermittelproduktion nicht zu gefährden. Denn Deutschland ist eng besiedelt und die verfügbaren Ackerflächen für den Anbau von „Energiepflanzen“ sind begrenzt.

Daher wird die Biogaserzeugung hierzulande auf lokale Kleinanlagen beschränkt bleiben und auch kaum noch steigerungsfähig sein. Sie wird eher noch zurück gehen, wenn zunehmend von der Intensiv-Viehhaltung Abstand genommen wird und dadurch weniger Abprodukte aus der Landwirtschaft anfallen. Insofern dürfte der Biogasanteil im deutschen Energiemix wohl dauerhaft nur ein Nischenprodukt bleiben.