Konservierungsmittel in wässrigen Farben und Lacken

In unserem Alltag kommen in zahlreichen Produkten biozide Wirkstoffe, Konservierungsmittel, zum Einsatz, um das Wachstum von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen oder Algen zu hemmen oder sie abzutöten. Finden kann man sie zum Beispiel in antibakteriellen Haushaltsreinigern, Hygieneartikeln, Holz­schutz­mitteln, Schädlings­bekämpfungs­mitteln, Beschichtungsstoffen oder auch in Textilien zur Vermeidung von Geruchsbildung. Dort unterbinden sie die bakterielle Zersetzung von Schweiß.

Was sind biozide Wirkstoffe?

Als Konservierungsmittel werden antimikrobielle Biozide bezeichnet, die die Tötung oder Wachstumshemmung von Mikroorganismen zur Aufgabe haben. Sie kommen als Lebensmittelzusatzstoffe, in Farben, Lacken und Holzschutzmitteln sowie für Kosmetika und Pharmazeutika zum Einsatz. Unverderbliche und chemisch inerte Kunststoffe, wie Schläuche zum Medientransfer und Kunststofffolien als Umverpackungen, enthalten in der Regel keine Konservierungsmittel.

PTFE-Folie (virginal) Silikon-Chemieschlauch - Standard

Da biozide Wirkstoffe eine Gefahr für Menschen, Tiere und die Umwelt darstellen können, reguliert die seit September 2013 rechtskräftige EU-Verordnung Nr. 528/2012 das europaweite Inverkehrbringen und die Verwendung von Konservierungsmitteln.

Die EU-Verordnung Nr. 528/2012 definiert ein Biozidprodukt als Stoff oder Stoffgemisch zur Bekämpfung von Mikro­organismen auf nicht mechanische oder physikalische Weise (Art. 3, Abs. 1) und umfasst gleichwohl Stoffe, die solche in situ generieren.

Um alle Anwendungen rechtlich abzudecken, erfolgt zudem eine Kategorisierung in vier Hauptgruppen (Desinfektions-, Materialschutz-, Schädlingsbekämpfungsmittel, Antifouling-Produkte und Ein­bal­sa­mierungs­mittel) und 22 Produktarten.

Rechtliche Sachlage bei der Zulassung von Konservierungsmitteln

Bei der Zulassung wird nicht nur die Sicherheit für Menschen, Tiere und die Umwelt, sondern u.a. auch die notwendige Wirksamkeit, Reinheit und Kontrollierbarkeit von Nebenwirkungen überprüft. Dabei handelt es sich um einen zweistufigen Prozess, bei dem der Wirkstoffhersteller zuerst die Genehmigung in einem für alle EU-Mitgliedstaaten einheitlichen Verfahren bei der europäischen Kommission beantragen muss. Die in Deutschland hierfür zuständigen Behörden sind die Bundes­anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), sowie in speziellen Fällen die Bundesstelle für Chemikalien (BfC). Sind alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, wird der Wirkstoff in eine unionsweite Positivliste für genehmigte Wirkstoffe aufgenommen.

Diese Registrierung gilt allerdings nur für die vorab im Antrag proklamierte Produktart und muss für jeden weiteren gewünschten Anwendungs­bereich gesondert beantragt werden. Substanzen, die kanzerogen, mutagen oder reproduktionstoxisch sind, auch als CMR-Stoffe bezeichnet, sowie solche, die toxisch sind oder bekanntermaßen stark sensibilisierend wirken, sind von vornherein ausgeschlossen. In Einzelfällen kann es jedoch zu Ausnahmen kommen.

Unzureichender Holzschutz: Durch Pilzbefall teilweise zersetzter Telegrafenmast
Unzureichender Holzschutz: Durch Pilzbefall teilweise zersetzter Telegrafenmast

Im zweiten Schritt prüft eine entsprechende nationale Zulassungsbehörde das auf diesem Wirkstoff basierende Biozidprodukt ebenfalls auf seine Wirkung und Unbedenklichkeit. In der dabei stattfindenden Risiko- und Gefahrenbewertung können sich Antragsteller in Deutschland zum Beispiel durch das Umweltbundesamt unterstützen lassen. Ist die Erstzulassung durch einen EU-Mitgliedstaat erfolgt, so müssen die anderen Mit­glied­­staaten diese ebenfalls anerkennen. Wie man sich vorstellen kann, ist das Zulassungsverfahren für neue Biozidprodukte ein langwieriger und kostspieliger Prozess und nicht immer von Erfolg gekrönt. Unter anderem deshalb sehen immer mehr Wirkstoffhersteller davon ab, neue Produkte zu entwickeln.

Für Biozidprodukte, die keine bedenklichen Stoffe oder Nanomaterialien beinhalten, im Anhang 1 der EU-Verordnung Nr. 528/2012 aufgeführt sind und für die keine spezielle Schutzkleidung erforderlich ist, gibt es ein vereinfachtes Zulassungsverfahren. Zu diesen zählen beispielsweise Essigsäure, Pfefferminzöl oder Pheromone der Kleidermotte.

Einen weiteren Sonderfall stellen Produkte dar, denen zwar Biozidprodukte zugesetzt wurden, die jedoch keine primäre Biozidfunktion besitzen. Man spricht dabei von behandelter Ware und ihr Inverkehrbringen wird in Artikel 58 Absatz 3 geregelt. So wäre eine Farbe, die ein Holzschutz­mittel zur Bekämpfung von Schädlingen enthält, ein Biozidprodukt, ein Zaun, der damit angestrichen wurde, jedoch eine behandelte Ware. Hierunter fallen auch Topf­kon­ser­vierungs­mittel für wässrige Farben und Lacke. Diese müssen deshalb nicht als Biozidprodukt zugelassen werden, wenn vom Inverkehrbringer keine biozide Eigenschaft ausgelobt wird und keiner der eingesetzten Wirkstoffe ausdrücklich nach einer Genehmigung verlangt. Sofern erforderlich, müssen solche Produkte lediglich nach Artikel 58 Absatz 4 zum Schutz von Menschen, Tieren und der Umwelt mit einer Gebrauchsanweisung inklusive den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen versehen werden.

Konservierungsmittel ist nicht gleich Konservierungsmittel

Konservierungsmittel lassen sich anhand ihrer bioziden Wirkungsmechanismen in drei Stoffklassen einteilen. Während elektrophile Verbindungen wie Isothiazolinone, Oxazolinone oder Glutaraldehyd durch die Wechselwirkung mit Amino- und Nukleinsäuren von Mikroorganismen deren Cytoplasma zerstören, bewirken quartäre Ammonium- und Phosphoniumverbindungen sowie amphiphile Tenside oder Ethanol dahingegen die Zytolyse, also die Auflösung der Zellmembran. Zur dritten Wirk­stoff­klasse gehören oxidierende Substanzen wie Natriumhypochlorit, Peroxyessigsäure oder Chlordioxid, die den Zelltod durch die Freisetzung freier Radikale einleiten. Da die unterschiedlichen Wirkstoffe nicht gegen alle Mikroorganismen gleich wirksam sind, werden in der Praxis für gewöhnlich zur Erzielung einer breiten Schutzwirkung mehrere Wirkstoffklassen miteinander kombiniert.

Schutz von Beschichtungsstoffen und Oberflächen

Durch die erhöhte Nachfrage nach VOC-freien Beschichtungsstoffen (VOC, engl.: Volatile Organic Compounds, dt.: Flüchtige organische Verbindungen) kommen immer mehr wässrige Systeme auf den Markt, die angesichts des niedrigen Lösungsmittelgehalts durch den Einsatz von Konservierungsmitteln vor mikrobiologischem Abbau während der Lagerung geschützt werden müssen. Das Topfkonservierungsmittel verhindert zum Beispiel eine Verfärbung oder Änderung der Viskosität. Dabei erlaubt die Vergabegrundlage für emissionsarme Wandfarben die Verwendung von u.a. folgenden Stoffen und Stoffgemischen inklusive der maximal zu verwendenden Konzentration:

Wirkstoff / -Kombination Gehalt
Titandioxid / Silberchlorid ≤ 100 ppm bezogen auf Silberchlorid
MIT / BIT im Verhältnis 1:1 ≤ 200 ppm
CIT / MIT im Verhältnis 3:1 ≤ 15 ppm
IPBC ≤ 80 ppm
BIT ≤ 200 ppm
BNPD ≤ 200 ppm
ZNP + BIT ≤ 100 ppm + ≤ 100 ppm

BIT = 1,2-Benzisothiazol-3(2H)-on, BNPD = 2-Brom-2-nitropropan-1,3-diol, CIT = 5-Chlor-2-methyl-4-Isothiazolin-3-on, IPBC = 3-Jod-2-propinylbutylcarbamat, MIT = 2-Methyl-2(H)-isothiazol-3-on, ZNP = Zink-Pyrithion

Untersuchungen während der Lagerung ergaben übrigens, dass der ursprüngliche Wirkstoffgehalt von BIT und MIT über einen Zeitraum von 9 Monaten nahezu konstant blieb, während der Gehalt von zum Beispiel CIT deutlich abnahm. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Mindestmenge an Konservierungsmittel ziehen, die man für eine ausreichend lange Lagerstabilität benötigt.

Darüber hinaus können ausgehärtete Oberflächenbe­schich­tung­en durch den Einsatz von Bioziden ihre Substrate vor dem Befall durch Bakterien, Algen und Pilze bewahren. Besonders hervorzuheben sind dabei das Zink-Pyrithion und die Gruppe der Isothiazolinone, wobei letztere dafür bekannt sind sensibilisierend gegenüber der Haut zu wirken. Meist werden solche Stoffe verkapselt, um den Prozess des Auswaschens zu verlangsam. Weitere bekannte Vertreter sind zum Beispiel Silber-Ionen oder quartäre Ammonium- oder Phosphoniumsalze sowie kationische Polymere.

Der Einsatz von Bioziden – Fluch oder Segen?

Die Verlängerung der Haltbarkeit im Topf oder der erhöhte Schutz von Oberflächen dient der Nachhaltig­keit und steigert die Lebenszeit von Produkten. Zwar lassen sich dadurch Ressourcen und Geld sparen, dennoch sollten Biozide zur Schonung der Umwelt lediglich nach gründlicher Überlegung und nur in einem vernünftigen Maße ein­ge­setzt werden. Denn zur Aufnahme durch Mikroorganismen und der Entfaltung ihrer bioziden Wirkung müssen Konservierungs­mittel nämlich eine gewisse Wasserlöslichkeit aufweisen. Aus diesem Grund können diese Stoffe allerdings auch durch Regen- oder Tauwasser aus verwitterten Beschichtungen ausgewaschen werden und ins Erdreich oder Grundwasser gelangen, wo sie enormen Schaden für Tiere und Pflanzen anrichten können. Zudem entstehen unter Sonneneinstrahlung durch photochemische Prozesse Abbauprodukte, deren physiologische Wirkung auf das Ökosystem bisher kaum erforscht ist.

Das Umweltbundesamt (UBA) fand bei seinen Gewässer-Untersuchungen alle für den Einsatz in Farben und Lacken bedeutsamen Biozide, selbst die seit über 20 Jahren nicht mehr verwendeten Herbizide Terbutryn und Diuron. So dramatisch wie sich das nun alles anhört, sei allerdings bemerkt, dass die gemessenen Belastungen deutlich unterhalb der Grenzwerte für Trinkwasser liegen.

Einsatz von Bioziden in Maßen, aber nicht in Massen

Ökonomische sowie ökologische Gründe haben dafür gesorgt, dass in den letzten 20 Jahren die Anzahl an bioziden Wirkstoffen, die am Markt erhältlich sind, sich von rund 1100 auf nur noch 300 drastisch reduziert hat. Darüber hinaus hört man in der Branche immer wieder Stimmen laut werden, die monieren, dass die Wirkstoffbewertung vielmehr anhand der möglichen Gefahren als an der Betrachtung der tatsächlichen Risiken erfolgt. Ferner wird eine ganzheitlichere Betrachtung gewünscht, da man die Gefahr sieht, dass die immer stärker eingeschränkte Auswahl an Wirkstoffen bald dazu führen könnte, dass ein angemessener Schutz von wässrigen Produkten gegenüber Mikroorganismen nicht mehr möglich sein wird.

PTFE-Chemieschlauch - standard NBR-Trinkwasserschlauch - KTW/DVGW

Mithilfe der geschickten Kombination von Wirkstoffen versuchen die Farben- und Lackhersteller allen umweltrechtlichen und gesundheitlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Des Weiteren rücken weitere innovative Lösungen, wie die bereits beschriebene Verkapselung von Wirkstoffen für eine verlangsamte Auswaschung, immer mehr in den Fokus aller Beteiligten. Die Bewertung des Auswaschverhaltens wird durch die DIN EN 16105 beschrieben. Zudem stellt das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite Informationen zum sicheren Umgang mit Bioziden und Vorschläge für biozidfreie Maßnahmen zur Verfügung. Möglichkeiten hierfür wären der Schutz vor Witterung, der Einsatz von schnell trocknenden Materialien, wasserabweisenden Oberflächen, wie man sie bei PTFE-Schläuchen findet, oder ein kontrolliertes Auffangen der ausgewaschenen Wirkstoffe. Für Fassaden gibt es außerdem alkalische Anstriche auf Silikatbasis, die aufgrund ihres hohen pH-Werts das Wachstum von Mikroorganismen hemmen. Ebenfalls gerne macht man sich die photokatalytische Wirkung von Titandioxid zur Selbstreinigung von Oberflächen zu Nutzen. Angelehnt an dem Handel mit Emissions-Zertifikaten wäre auch denkbar, dass Wirkstoff­hersteller für ihren Eingriff in die Umwelt einen Ausgleich schaffen.

Bildquellen:
Beitragsbild | © refresh(PIX) - stock.adobe.com
Unzureichender Holzschutz | © Ralf Roletschek (Diskussion), GFDL 1.2 <http://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html>, via Wikimedia Commons