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PVC – ein vielseitiger Kunststoff

PVC ist ein wichtiger thermoplastischer Werkstoff, der in zahlreichen industriellen Bereichen eingesetzt wird. Viele Branchen nutzen ihn für professionelle Anwendungen, aber auch in privaten Bereichen erfüllt er hervorragende Dienste.

Alltägliches Material mit hohem Nutzen

PVC (Polyvinylchlorid) ist ein Kunststoff, dem wir täglich begegnen – sei es der Fußbodenbelag auf dem wir gehen, Kabel, die wir in der Hand halten oder ob es um den alltäglichen Laborbedarf geht.

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Nach Polypropylen und Polyethylen handelt es sich dabei, gemessen am weltweiten Produktionsvolumen, um den drittwichtigsten Kunststoff, von dem allein im Jahr 2016 weltweit 42 Millionen Tonnen produziert wurden. Wichtigster Abnehmer ist mit circa 60-70% die Baubranche. Aber auch andere Industriesparten, wie die Verpackungs-, Elektro- und Autoindustrie nutzen viele Produkte aus diesem Material.

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Vor allem PVC-Schläuche kommen weitreichend zur Anwendung. Langlebigkeit, Korrosions- und chemische Beständigkeit gegen eine Vielzahl von Stoffen gehören zu den Eigenschaften, die Polyvinylchlorid für die Industrie so attraktiv machen. Andererseits gestaltet sich die Entsorgung des Materials als schwierig, ein Problem, das der generellen Lösung noch harrt.

Von der Entdeckung zur großtechnischen Herstellung

Polyvinylchlorid wurde bereits 1835 von dem französischen Chemiker Henri Victor Regnault (1810 – 1878) erstmalig dargestellt. Er ließ ein Reagenzglas mit Vinylchlorid, das er zuvor entdeckt hatte, im Sonnenlicht stehen, worauf sich ein weißes Pulver bildete: das Polyvinylchlorid. Allerdings arbeitete der Franzose daran nicht weiter.

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Henri Victor Regnault (1810 – 1878)

Erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigte sich der Chemiker Fritz Klatte (1880 – 1934) erneut damit. Er baute auf den Arbeiten von Regnault auf und meldete die Synthese von PVC zum Patent an. Für das über die Addition von Chlorwasserstoff an Acetylen (Ethin) und anschließende Polymerisation gewonnene Hart-PVC fand man aber noch keine sinnvolle Verwendung. Erst mit der sogenannten Plastifizierung von Hart-PVC gelang es der BASF um 1935, ein technisch verwertbares Kunststoffprodukt herzustellen.

Die industrielle Herstellung der ersten Produkte, von Rohren, Folien und Schläuchen, konnte beginnen. Nach Kriegsende stieg die Produktion stetig an. Polyvinylchlorid war schließlich unter allen Kunststoffen einer der meistproduzierten der Welt.

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Drei verschiedene Herstellungsverfahren

Emulsionspolymerisation

Die Emulsionspolymerisation in wässriger Lösung ist ein sehr schonendes Verfahren. Dabei wird das wasserunlösliche Vinylchlorid durch zugesetzte Emulgatoren in Lösung gehalten. Die Polymerisationsreaktion wird durch die Zugabe von Initiatoren gestartet. Die nach diesem Verfahren hergestellten PVC-Polymere werden vor allem für Pasten und Klebemittel eingesetzt.

Fällungspolymerisation

Die Fällungspolymerisation verläuft in der unverdünnten Vinylchloridlösung, der ein Radikalstarter zugesetzt wird. Das Polymer fällt als pulverförmiger Feststoff aus. Kunststoffe, die nach diesem Verfahren hergestellt werden, haben eine sehr hohe Reinheit.

Suspensionspolymerisation

Die Suspensionspolymerisation ist das am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Herstellung von PVC. Es findet in wässriger Lösung in Autoklaven unter hohen Drücken bei Temperaturen von 50 °C bis 70 °C statt. Die Vinylmonomere werden durch Rühren zu einer Suspension verteilt. Dabei verhindert die Zugabe von sogenannten Schutzkolloiden die Agglomeration der Teilchen. Ist die Polymerisationsreaktion zu circa 80% abgelaufen, wird sie abgebrochen und das Rohprodukt isoliert. Das im Rohprodukt verbliebene, nicht umgesetzte Vinylchlorid wird in nachfolgenden Reinigungsschritten entfernt und wieder eingesetzt.

Eigenschaften von PVC

In seinem ursprünglichen Zustand ist Polyvinylchlorid amorph, spröde und schlecht zu verarbeiten, da es sich bereits unterhalb seiner Schmelztemperatur zersetzt. Um die Zersetzung bei der Verarbeitung zu verhindern, werden dem Rohprodukt Stabilisatoren zugesetzt. Zunächst waren dies hauptsächlich Blei-, Barium- oder Cadmium-Salze von langkettigen Carbonsäuren.

Heute werden dafür unbedenkliche Verbindungen, wie Calcium- und Zinkcarbonate, Epoxyverbindungen, Polyole oder Harnstoffderivate eingesetzt.

Um den Verarbeitungsprozess zu erleichtern und die Fließfähigkeit zu verbessern, wird Hart-PVC mit langkettigen Alkoholen oder Wachsen versetzt, die als Gleitmittel dienen. Füllstoffe, wie Ruß, Sand, Quarz oder Metallpulver werden dem Kunststoff zugesetzt, um bestimmte Eigenschaften wie Schlagzähigkeit, Wärme – und elektrische Leitfähigkeit oder Druckfestigkeit zu erreichen. Sind farbige Produkte gewünscht, wurden früher Blei- oder Cadmium-Verbindungen zugegeben. Heute sind es schwermetallfreie oder organische Farbstoffe.

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Weichmacher verbessern die Eigenschaften des Werkstoffes

Im Polyvinylchlorid sind die Polymerketten untereinander nicht oder nur sehr wenig durch echte atomare Bindungen vernetzt. Zwischenmolekulare Wechselwirkungen, insbesondere die Dipol-Dipol-Wechselwirkungen, bewirken jedoch, dass die Polymerketten trotzdem eng beieinander liegen, was mit zur Härte des Materials beiträgt. Zudem sind die an die Polymerkette gebundenen Chloratome relativ groß und stören dadurch das Aneinandergleiten der Polymerketten. Dies erklärt die Sprödigkeit des Rohprodukts. Um die Eigenschaften des PVC zu verbessern, werden Weichmacher zugesetzt. Dafür werden Chlorparaffine, Phosphor- und Adipinsäureester verwendet. Diese relativ großen Moleküle schieben sich zwischen die Polymerketten und vergrößern den Abstand zwischen ihnen. Die zwischenmolekularen Kräfte werden dabei verringert, sodass die Ketten gegeneinander beweglicher werden – makroskopisch wird das Produkt weicher.

Lange Zeit hatten sich Phtalsäureester als die idealen Weichmacher zur Herstellung von sogenanntem Weich-PVC durchgesetzt, aber aufgrund ihrer hormonähnlichen Wirkung sind sie längst verboten.

Denn da die Weichmacher nicht chemisch gebunden sind, gasen sie mit der Zeit aus und gelangen in die Umwelt. Neben den vorgenannten, unbedenklichen Weichmachern kann die Synthese auch so gesteuert werden, dass durch Quervernetzung ein Kunststoff entsteht, der Weichmacher überflüssig macht.

Beispiele dafür sind die weichmacherfreien PVC-Qualitäten von Saint-Gobain, die, neben mehreren anderen, meist FDA-konformen Kunststoffformulierungen, unter dem Markennamen TYGON® zusammengefasst und gehandelt werden.

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Die Einsatzbereiche sind vielfältig

Polyvinylchlorid ist als Thermoplast bei Temperaturen um 160 °C gut formbar und behält nach dem Abkühlen seine Form.

Produkte aus Hart-PVC, zum Beispiel Rohre, Profile und Formteile, Fenster- oder Türrahmen, werden vor allem in der Baubranche eingesetzt, denn sie sind langlebig, korrosions-, witterungs- und UV-beständig sowie schwer entflammbar. Die Beständigkeit gegenüber Säuren, Laugen, Schmiermittel oder aliphatischen Kohlenwasserstoffen macht diesen Kunststoff auch für den Laborbedarf, beispielsweise für Schläuche, interessant. Die Geruchs- und Geschmacksfreiheit von weichmacherfreien PVC-Qualitäten spielt besonders für den Einsatz im Medizin-, Pharma- und Lebensmittelbereich eine wichtige Rolle. Da Polyvinylchlorid ein guter elektrischer Isolator ist, wird das Material bei vielen elektrischen Anwendungen, beispielsweise für Gehäuse, Schaltkästen und Kabelisolierungen, gebraucht.

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Wiedergewinnung durch Recycling

Bis in die 90er Jahre wurden die meisten Kunststoffe deponiert, was aufgrund der enthaltenen Zusatzstoffe in PVC-Produkten problematisch war und immer noch ist. So sind viele Sickerwässer aus Deponien mit Schwermetallsalzen, die aus Farben oder Stabilisatoren stammen, und mit organischen Stoffen, die hauptsächlich aus der Auslaugung von Weichmachern herrühren, belastet. Heutzutage werden PVC-Abfälle werkstofflich, rohstofflich oder thermisch recycelt. Sortenreine Kunststoffabfälle können dem werkstofflichen Recycling zugeführt werden, bei dem die Abfälle zunächst mechanisch zerkleinert werden und anschließend wieder aufgeschmolzen und zu neuen Produkten geformt werden. Jedoch haben die daraus hergestellten  Produkte eine schlechtere Qualität als die Ausgangsprodukte, weshalb Kritiker oft von einem Down- statt echtem Recycling sprechen.

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Eine vielversprechende Variante ist ein Verfahren, bei dem gemischt anfallende Kunststoffe in einem Lösungsmittel gelöst werden, in dem sich nur das Polyvinylchlorid löst und feste Beimengungen abgetrennt werden können. Das gelöste PVC wird isoliert und steht für die Herstellung neuer Produkte wieder zur Verfügung. Beim thermischen Recycling werden die Werkstoffe in Chlorwasserstoff und Kohlenwasserstoffe gespalten, die als Rohstoffe für andere Synthesen wieder verwendbar sind.