Hydroponik – Pflanzen kultivieren unabhängig von Ort und Boden

Alle, die schon mal auf der Fensterbank etwas frische Gartenkresse herangezogen haben, um sie auf Brot zu essen, haben schon mal Hydrokultur betrieben, wenn auch nur mit kurzlebigen Pflanzen im sehr kleinen Maßstab.

Hydrokultur (hydor = altgriechisch für Wasser) ist eine Form des Gartenbaus, bei der Pflanzen mit ihren Wurzeln nicht im Erdreich, sondern im Wasser oder in sehr feuchter Luft stecken und auf diese Weise ihr Wasser und ihre Mineralstoffe erhalten. Nicht nur können Pflanzen in Hydrokultur lange Zeit überleben, sondern sie können sogar höhere Erträge liefern als normale Bodenkulturen. Das liegt daran, dass in der Hydrokultur nicht nur die Bewässerung und Düngung der Pflanzen, sondern auch die Belüftung der Pflanzenwurzeln optimiert werden kann. Da die Wurzeln Sauerstoff benötigen, um Wasser und Salze aufzunehmen, kann mit verbesserter Sauerstoffzufuhr die „Wurzelatmung“ und damit auch deren Nährstoff-Aufnahme sowie das Wachstum der Pflanze erhöht werden.

Fester Halt für gesunde Pflanzen – Substrate in der Hydroponik

Trotzdem brauchen die meisten Pflanzen, je nach ihrer Größe und Kulturform, noch einen festen Halt für ihre Wurzeln, daher werden oft feste Substrate als Ersatz für den Boden eingesetzt. Diese Substrate bestehen aus porösen Materialien, an denen die Pflanze anhaften kann, und durch die Wasser und Luft an die Wurzeln kommen. Für Zimmerpflanzen mit geringerem Wasserbedarf werden dafür beispielsweise Kugeln aus Blähton verwendet, Substrate mit größerer Wasserspeicherfähigkeit sind Kokosfasern, Steinwolle oder poröse vulkanische Gesteine wie Bimsstein und Perlit.

Wuerfel aus Steinwolle, die in der Hydroponik als Substrat dienen
Würfel aus Steinwolle, die in der Hydroponik als Substrat dienen

Die Pflanzen ziehen ihre Nährstoffe aus einer Lösung anorganischer Salze, die zusätzlich zu herkömmlichen Düngemitteln auch Puffersubstanzen enthält. Diese Puffersubstanzen halten den pH-Wert stabil im gewünschten Bereich. Die Konzentration der im Wasser gelösten Stoffe kann durch elektrische Leitfähigkeitsmessungen fortlaufend kontrolliert werden.

Wie funktioniert die Hydroponik?

Unter Hydroponik (ponos = altgriechisch für Arbeit) versteht man meistens die landwirtschaftliche Anwendung der verschiedenen Formen der Hydrokultur. Es gibt aktive und passive hydroponische Bewässerungssysteme.

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Bei den passiven Systemen transportiert die Pflanze die Nährlösung selbst zu sich hin. Die Pflanze steht dazu meist auf einem Substrat und reicht mit ihren Wurzeln in das darunter stehende Reservoir mit Nährlösung hinein, und saugt diese durch Kapillarkräfte ein. Ein Beispiel für ein passives System ist etwa die häufig bei Zimmerpflanzen eingesetzte Hydrokultur auf Blähton-Kugeln.

Wenn es um größere oder mehrere Pflanzen geht, wie in der landwirtschaftlichen Hydroponik, werden zumeist aktive Systeme verwendet. Hierbei transportieren Pumpen und Schlauchsysteme das Wasser aktiv und unter Energieverbrauch zu den Pflanzen. Die meistverwendeten Formen sind die Tröpfchenbewässerung und die Nährstoff-Film-Technik (NFT).

Die Tröpfchenbewässerung

Zum Gemüseanbau wird häufig die Tröpfchenbewässerung eingesetzt – ein ähnliches System wird auch im erdbasierten Anbau in trockenen Gebieten verwendet. Hierfür transportiert ein Pumpenschlauch die Nährlösung aus einem Wasserreservoir in ein Schlauchsystem, das jede einzelne Pflanze durch einen eigenen Wasserauslass tropfenweise mit Wasser versorgt. Durch die Tropfvorrichtung kann die Bewässerung jeder Pflanze individuell abgestimmt werden. Dieses Bewässerungssystem ist gut skalier- und adaptierbar, und durch Schlauchverbinder können auch verzweigte Systeme konstruiert werden.

Troepfchenbewaesserung in der Landwirtschaft
Tröpfchenbewässerung in der Landwirtschaft

Das Tropfsystem ist gut für größere Pflanzen geeignet, etwa beim Anbau von Tomaten, Paprika oder Gurken. Für den Halt der Pflanzen sind in der Regel Substrate nötig, wofür oft Steinwolle eingesetzt wird. Für Tomatenpflanzen, die auf Staunässe empfindlich reagieren, ist das Tropfsystem besonders vorteilhaft und wird daher schon häufig bei der Kultur insbesondere von Strauchtomaten benutzt, deren Nährstoffgehalt sich nicht von anderen Kulturformen unterscheidet[1].

Die Nährstoff-Film-Technik (NFT)

In der Nährstoff-Film-Technik wachsen die Pflanzen in Netztöpfen, deren unteres Ende in leicht geneigt aufgehängten Rohren steckt. In das höher liegende Rohrende wird die Nährlösung gepumpt und fließt durch das Rohr nach unten ab, wobei sie in Kontakt mit den aus den Töpfen nach unten reichenden Wurzeln kommt. Dabei hängt der obere Teil der Wurzeln an der Luft und nimmt den Sauerstoff auf, während der untere Wurzelteil im Nährstoff-Film hängt, um Wasser und Mineralstoffe aufzunehmen. Das nicht von den Pflanzen aufgenommene Sickerwasser wird, wie bei den meisten anderen hydroponischen Verfahren, wiederverwendet.

Salatanbau in NFT-Kanaelen Hydroponik
Salatanbau in NFT-Kanälen

Für das NFT-Verfahren wird nur wenig Substrat benötigt – manche Kulturen kommen auch ganz ohne aus – und auch der Platz-, Wasser- und Düngerverbrauch ist geringer als bei den anderen Hydrokultur-Formen, da all dies eigentlich nur an dem Ort verbraucht wird, wo es direkt der Pflanze dient, nämlich an den Wurzeln.

Auf der anderen Seite ist der Bau der Anlage aufwändiger. Das System hat einen höheren Energieaufwand und eine stets funktionierende Pumpe ist für die Pflanzen überlebenswichtig. Die NFT-Technik wird meist für kleinere und schnell wachsende Pflanzen wie Kräuter und Salate verwendet, oft in Treibhäusern.

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Neben Reservoirs, Netztöpfen, Rohren und Pumpen werden für das NFT-System auch Schlauchtüllen – in gerader, T- und Kreuz-Ausführung – sowie flexible Bewässerungsschläuche benötigt.

Deep Water Culture

Die älteste Form der Hydroponik ist die Deep Water Culture, bei der die Pflanzen sozusagen auf ihrer Nährlösung schwimmen, etwa mit Styroporplatten als Schwimmhilfe, und ihre Wurzeln vollständig im Wasser hängen. Die Nährlösung muss hierbei regelmäßig belüftet werden, um ausreichend Sauerstoff für die Wurzelatmung bieten zu können.

Vorläufer dieser Technik werden schon seit Jahrhunderten in verschiedenen Gegenden der Welt eingesetzt, in denen Ackerland knapp ist oder häufig überflutet wird.

Solche schwimmenden Gärten werden auf Matten aus verflochtenen Wasserhyazinthen angelegt und werden in Seen, wie etwa im Inle-See in Myanmar, oder in zeitweise überflutetem Land, wie oft in Bangladesh, zur Aufzucht von Gemüse und Stecklingen genutzt[2]. So erlaubt die Hydroponik Nahrungsanbau also nicht nur dort, wo Wasser knapp ist, sondern auch dort, wo es zu viel davon gibt.

Das Ebbe-Flut-System

Das Ebbe-Flut- oder flood-and-drain-System ist eine verwandte Technik. Die Pflanzen stehen in einer Wanne, in die die Nährlösung gepumpt und dann nach einer bestimmten Zeit wieder abgepumpt wird – der Gasaustausch und die Wasseraufnahme wechseln sich also in zeitlich definierten Intervallen ab. Diese Methode ist auch mit einfachsten Mitteln zu realisieren, etwa indem das Nährlösungs-Reservoir mit einem flexiblen Schlauch mit der Pflanzenwanne verbunden ist und, je nachdem ob dieses angehoben oder gesenkt wird, läuft die Flüssigkeit in die oder aus der Wanne.

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Für spezielle Anwendungen gibt es weitere Sonderformen: In der Aquakultur werden Pflanzen gemeinsam mit Wassertieren wie etwa Fischen kultiviert und erhalten ihre Nährstoffe auch durch deren Ausscheidungen.

Die Aeroponik

In der Aeroponik (aer = altgriechisch für Luft) wird die Nährlösung nicht aufgesaugt, sondern mit Hilfe eines Zerstäubers auf die Wurzeln aufgebracht. Da hierbei die Wurzeln besonders schnell wachsen, ist diese Methode besonders für Stecklinge und Kartoffeln geeignet und ist auch für vertikalen Anbau, etwa in Form von Pflanzenregalen, gut geeignet. Je feiner das Wasser vernebelt werden kann, desto weniger Wasser wird benötigt. Diese als Fogponik bezeichnete Methode ist sogar in der Schwerelosigkeit einsetzbar und wird daher auch von NASA-Wissenschaftlern weiterentwickelt.

Da die Hydroponik in einem geschlossenen System arbeitet, werden weniger Ressourcen wie Wasser verbraucht: So kann der Wasserverbrauch im Tomatenanbau in trockenen Gebieten auf ein Dreißigstel reduziert werden[3]. Parallel dazu werden auch weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel verbraucht, und deren Überschuss weniger in die Umwelt freigesetzt.

Wurzelwachstum in einem aeroponischen System
Wurzelwachstum in einem aeroponischen System

Auf der anderen Seite muss die Kontamination der hydroponischen Bewässerungsanlage durch Pilze oder Bakterien verhindert werden. Beim Reisanbau kann mit hydroponischen Anbaumethoden auch die Freisetzung des im nassen Boden entstehenden Treibhausgases Methan in die Atmosphäre vermindert werden[4]. Ein Nachteil des hydroponischen Anbaus ist der höhere Energieverbrauch, daher hat die Kombination mit erneuerbaren Energien noch ein großes Entwicklungspotential, ebenso wie die Entwicklung des hydroponischen Bio-Anbaus. So ermöglicht die Hydrokultur zuvor ungeeignete Gebiete zum Nahrungsanbau zu erschließen und kann uns in der urbanen Landwirtschaft die Nahrung jahreszeitlich ebenso wie räumlich näherbringen.

Quellen:
[1] https://www.researchgate.net/publication/329376691_Yield_and_quality_of_tomato_grown_in_a_hydroponic_system_with_different_planting_densities_and_number_of_bunches_per_plan
[2] https://www.bbc.com/future/article/20200910-the-remarkable-floating-gardens-of-bangladesh
[3] https://www.researchgate.net/publication/307967772_TOMATO_PRODUCTION_THROUGH_UTILIZATION_OF_HYDROPONIC_TECHNOLOGY
[4] https://mint-magazin.net/artikel/landwirtschaft-der-zukunft-201418/

Bildquellen:
Beitragsbild | © Ruslan Gilmanshin – stock.adobe.com
Würfel aus Steinwolle | © D-Kuru – de.wikipedia.org
Tröpfchenbewässerung | © orestligetka – stock.adobe.com
Salatanbau in NFT-Kanälen | © Ryan Somma – en.wikipedia.org
Wurzelwachstum | © neznamov1984 – stock.adobe.com