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Sterilisationsverfahren und steriles Arbeiten

Im Jahr 2011 erkrankten und starben sogar Menschen infolge einer EHEC-Epidemie, einer Darminfektion durch das enterohämorrhagische Escherichia coli Bakterium. Grund dafür waren mit diesen Erregern verunreinigte Bockshornklee-Sprossen, die als vitaminreiche Rohkost verzehrt wurden. Dieser Extremfall zeigt, wie wichtig die Keimfreiheit von Lebensmitteln ist. In noch sensibleren Bereichen, wie in Krankenhäusern, ist Sterilität unabdingbar, um Krankenhausinfektionen von Patienten durch Keimverschleppung zu vermeiden.

Was heißt steril?

Die Sterilisation zielt auf die Abtötung praktisch aller vorhandenen Mikroorganismen und Keime in einer Lösung, auf festen Oberflächen oder auch in der umgebenden Luft ab. Dazu zählen Bakterien, Viren und Sporen, ferner infektiöse Proteine, wie Prionen, sowie Plasmide und andere pathogene DNA-Fragmente.

Eine 100%ige Abtötung aller Mikroorganismen und Keime lässt sich in der Praxis allerdings nicht verwirklichen. Deswegen ist der Sterilisationserfolg, der durch ein bestimmtes Verfahren erzielt wird, stets nur als Wahrscheinlichkeit für die Verringerung der Zahl an lebenden Mikroorganismen und Keimen unterhalb eines Grenzwertes definierbar. Das Maß dafür ist die nach der Sterilisation noch nachweisbare Anzahl „koloniebildender Einheiten“ (KBE, engl.: CFU = colony forming units), die übrig gebliebene Anzahl fertiler Mikroorganismen und Keime.

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Die Menge eines Gutes, das nach einem bestimmten Sterilisationsverfahren behandelt wurde, wird praktisch als „steril“ bezeichnet, wenn eine Reduktion der Keimzahl mindestens um den Faktor 106 erreicht worden ist. Für die Praxis heißt das: Von einer Million gleich behandelter, identischer Einheiten dürfen nur noch in einer Einheit koloniebildende Einheiten (KBE), d.h. vermehrungsfähige Keime, nachweisbar sein.

Steriles Arbeiten in Medizin und Forschung

Bei der Produktion von Medikamenten oder Injektionslösungen muss die Sterilität über den gesamten Prozess gewährleistet sein. Genauso muss in einem Krankenhaus dafür gesorgt sein, dass nicht nur Medikamente, sondern auch medizinische Geräte und Instrumente, die mit Patienten in Kontakt kommen, steril sind, um Keimverschleppungen zu vermeiden.

Geraet zur sterilen Reinigung von medizinischen Instrumenten
Gerät zur sterilen Reinigung von medizinischen Instrumenten | © EdNurg – stock.adobe.com

Auch in der medizinischen, biologischen und pharmazeutischen Forschung ist in vielen Bereichen ständige Sterilität Voraussetzung für sicheres, fehlerfreies Arbeiten und damit auch richtig interpretierbare Ergebnisse. Denn wenn beispielsweise eine Bakterienkultur fremdkontaminiert ist, sind Fehlinterpretationen der Ergebnisse unvermeidlich.

Um steriles Arbeiten unter verschiedenen Bedingungen zu gewährleisten, stehen unterschiedliche, für das jeweils zu sterilisierende Material geeignete Sterilisationsverfahren zur Verfügung.

So muss ein hitzeempfindliches Kulturmedium, wie es für Anreicherungskulturen zum Nachweis von Mikroorganismen benötigt wird, anders behandelt werden als ein chirurgisches Instrument aus rostfreiem Stahl, Titan oder Tantal.

Verschiedene Sterilisationsverfahren für die Praxis

Grundsätzlich werden Sterilisationsverfahren nach ihrem grundlegenden Wirkprinzip in physikalische und chemische Verfahren eingeteilt. Zu den physikalischen Verfahren zählen die thermische Sterilisation, die Sterilfiltration und die Bestrahlung durch UV- oder Gammastrahlen. Zu den chemischen Verfahren gehört die Begasung mit Ethylenoxid oder Formaldehyd.

Thermische Sterilisationsverfahren

Bei den thermischen Sterilisationsverfahren unterscheidet man zwischen der Heißluftsterilisation und der Dampfsterilisation, die auch als Autoklavieren bezeichnet wird. Bei beiden Methoden wird die keimtötende Wirkung durch Erhitzen genutzt.

Heißluftsterilisation

Die Heißluftsterilisation wird in Sterilisationsschränken bei trockener Hitze durchgeführt. Dabei wird das Sterilgut üblicherweise für zwei Stunden einer Temperatur von +180 °C ausgesetzt. Diese Methode ist vor allem für Glas-, Metall- oder Porzellangeräte geeignet, die dieser hohen Temperatur problemlos widerstehen.

Moderner Autoklav fuer den Laborbereich
Moderner Autoklav für den Laborbereich | © HelenaW – commons.wikimedia.org

Autoklavieren

Für Nährlösungen zur Kultivierung von Mikroorganismen und für Materialien aus Plastik, wie Pipetten, Spritzen oder Laborflaschen, ist die Dampfsterilisation in einem Autoklaven die Methode der Wahl.

Die Funktionsweise derartiger Sterilisatoren ist mit der eines Schnellkochtopfs vergleichbar: In einem mit Überdruckventil ausgerüsteten, verschlossenen Gefäß wird Wasser auf +121 °C erhitzt, wobei sich ein Wasserdampfdruck von etwa 2 bar einstellt und der Wasserdampf die Luft über das Ventil verdrängt. Das Sterilgut wird unter diesen Bedingungen für eine bestimmte Zeit, im Regelfall für 20 Minuten, „autoklaviert“. Dabei denaturieren Proteine und Nukleinsäuren, was zum Absterben der Mikroorganismen und damit zur Sterilisation führt.

Das Autoklavieren ist besonders für das Abtöten von Sporen, insbesondere der Endosporen von Bakterien, geeignet, weil durch die feuchte Luft die widerstandsfähigen Zellwände der Sporen quellen und damit sich ihre Thermoresistenz verringert. Gegen trockene Hitze sind Sporen dagegen weit weniger empfindlich.

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Tyndallisation

Die Tyndallisation ist eine „fraktionierte“ Sterilisation, bei der das Sterilgut mehrmals auf +100 °C erhitzt und danach längere Zeit bei etwa +30 °C inkubiert wird. Sinn dieser Prozedur ist es, die Dauerformen von Mikroorganismen, die Sporen, zwischen den Hitzeschritten auskeimen zu lassen. In diesem Stadium verlieren sie ihre Hitzeresistenz und werden bei der darauffolgenden, neuerlichen Erwärmung abgetötet.

Ein wesentlicher Nachteil dieses substanzschonenden Verfahrens, das auf den irischen Universalgelehrten John Tyndall (1820 – 1893) zurückgeht, ist der hohe Zeitaufwand. Es hat daher für das Labor keine Bedeutung mehr, wohl aber noch für die Lebensmittelindustrie.

John Tyndall
Der irische Physiker John Tyndall (1820 – 1893) | © Tucker Collection – commons.wikimedia.org

UV- und Gamma-Bestrahlung

Mikroorganismen und Keime werden durch Bestrahlung mit UV- oder Gammastrahlen abgetötet, wofür strahlenchemische Wirkmechanismen verantwortlich sind. UV-Licht im Wellenlängenbereich zwischen 200 und 300 nm wird insbesondere für den Betrieb von mikrobiologischen Sicherheitswerkbänken eingesetzt. Diese auch als Laminarboxen bezeichneten Arbeitsplätze sind eingehauste Arbeitstische, ausgestattet mit einem speziellen Belüftungssystem, das einerseits den Arbeitsbereich fortwährend steril belüftet und andererseits das Eindringen von Partikeln und damit auch von Keimen aus der Umgebungsluft in den Arbeitsbereich ausschließt.

Die antibakterielle Wirksamkeit von UV-Strahlung auf Mikroorganismen und Keime beruht auf der Energieabsorption der DNS und RNS. Die Strahlung führt zu irreversiblen chemischen Veränderungen der großen Biomoleküle, die die Mikroorganismen und Keime schädigen und in der Folge absterben lassen.

UV-Sterilisator mit chirurgischen Instrumenten
UV-Sterilisator mit chirurgischen Instrumenten | © New Africa – stock.adobe.com

Auch bei der Gammabestrahlung werden vergleichbare strahlenchemische Mechanismen wirksam, die die Funktionalität von Mikroorganismen, Viren und Keimen zum Erliegen bringen. Zur Anwendung kommen dafür sowohl Bestrahlungseinrichtungen auf der Basis von Radionukliden, wie Kobalt-60 oder Cäsium-137, als auch elektronische Strahlenquellen, zu denen die Röntgenröhre zählt. Letztere bieten eine höhere Strahlensicherheit für das Bedienpersonal als die dauerstrahlenden Radionuklidquellen, da sie abschaltbar sind.

Die Röntgen- und Gammabestrahlung bieten gegenüber der UV-Bestrahlung den Vorteil, dass sie Materie durchdringen und deshalb auch in umhülltem Material wirksam werden. Sie werden vor allem deshalb für die industrielle Sterilisation von endverpackten und palettierten in-vitro-Diagnostika (IVD) und anderen Medizinprodukten, wie Spritzen, chirurgisches Hilfsmaterial oder Verbandsstoffe, eingesetzt, das bereits unmittelbar nach der Bestrahlung verwendbar ist.

Eine „Verstrahlung“ des behandelten Gutes ist mit Röntgen- und Gammastrahlen völlig ausgeschlossen, weil es hierbei lediglich einer höheren energetischen, elektromagnetischen Strahlung ausgesetzt wird, die keine Veränderungen an den Atomkernen und damit auch keine radioaktive Aktivierung bewirken kann.

Sterilfiltration

Manche Lösungen, wie Impfstoffe und flüssige Kulturmedien, sind hitzeempfindlich und können nicht durch die gängigen Hitzesterilisationsverfahren sterilisiert werden. Hierfür eignet sich die Sterilfiltration, die das Material thermisch nicht belastet. Die Lösung wird durch sterile Filter, meist Membranfilter mit einer Porengröße von 0,2 µm, filtriert, die von Mikroorganismen, wie Bakterien, nicht passiert werden können. Sterilfilter werden auch für die Entkeimung von Gasen eingesetzt, etwa zur Begasung von sterilen Lösungen oder Kulturen.

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Chemische Sterilisationsverfahren

Neben den thermischen werden in der Praxis auch chemische Sterilisationsverfahren eingesetzt, die hauptsächlich für die Dekontaminationsaufgaben in Krankenhäusern in Frage kommen. Für Oberflächen, beispielsweise von Krankenhausmobiliar oder von Geräten, kommen neben Alkoholen, wie Isopropanol, vor allem Lösungen von Formaldehyd, Peressigsäure und Phenolen, wie m-Kresol, in Frage, deren Benetzungsfähigkeit durch Zusätze von Detergenzien erhöht wird. Keimmindernd wirken auch Lösungen quarternärer Ammoniumbasen, die hauptsächlich für die häusliche Hygiene Verwendung finden. Als mikrobizide Gase zur Textildesinfektion, wie die Behandlung von Krankenhauswäsche, werden vor allem Ethylenoxid und Formaldehyd-Gas, seltener Chlorgas, in angepassten Verdünnungen eingesetzt.

Sterilisationsverfahren im Laboralltag

Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin, eine zentrale Einrichtung des Bundes, dessen vorrangige Aufgaben in der „wissenschaftlichen Untersuchung, der epidemiologischen und medizinischen Analyse und Bewertung von Krankheiten mit hoher Gefährlichkeit, hohem Verbreitungsgrad oder hoher öffentlicher oder gesundheitspolitischer Bedeutung“ liegen, legte in seinen Bekanntmachungen vom Oktober 2017 (Bundesgesundheitsblatt 2017.60:1774-1297) eine aktualisierte „Liste der geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und Verfahren“ vor. Sie bieten die Gewähr, bei sach- und fachgerechtem Einsatz optimale Ergebnisse zu erreichen.