Kohlenstoff ist eines der wichtigsten Elemente, die das Periodensystem zu bieten hat. Die gesamte Fachrichtung der organischen Chemie befasst sich fast ausschließlich mit den chemischen Verbindungen des Kohlenstoffs, von denen heute bereits über 40 Millionen verschiedene bekannt sind. Und außerhalb des Labors?
Kohlenstoff ist im wahrsten Sinne überlebenswichtig, denn alles Leben auf der Erde, von der Mikrobe über die Sonnenblume bis zum Menschen, basiert auf Kohlenstoff und im Klima und den natürlichen Kreisläufen spielt er ebenfalls eine herausragende Rolle. Und auch kohlenstoffbasierte Werkstoffe und deren Einsatzmöglichkeiten werden seit 30 Jahren intensiv erforscht.
Mehr als nur Schmuck
Auch wenn er danach benannt ist, wurde niemals Blei für unsere Bleistifte verwendet. Den Namen hat er trotzdem, weil man einst das Graphit für die Mine mit dem „Galenit“, einem Bleierz, verwechselt hatte. Neben Diamant dürfte Graphit die bekannteste Modifikation des Kohlenstoffs sein und beide finden unterschiedlichste Anwendungen.
Diamant wird als Schmuckstein und aufgrund seiner Härte auch als Schleifmittel genutzt. Bei letzterer Anwendung werden entweder verunreinigte und daher für Schmuckzwecke ungeeignete oder synthetische Diamanten eingesetzt. Graphit nutzen wir nicht nur zum Schreiben mit dem Bleistift, sondern auch als Elektroden in Lithium-Ionen- oder Zink-Kohle-Batterien. Vor allem aber werden Graphitelektroden industriell genutzt, etwa bei der Elektrostahl- und Aluminiumgewinnung. Für Stromabnehmer und Schleifleisten elektrisch betriebener Schienenfahrzeuge ist Graphit wegen seiner ausgezeichneten Stromleitfähigkeit der Werkstoff der Wahl.
Auch als Schmierstoff, der nicht verharzt, oder als Auskleidungen für Industrieöfen zum Tempern von Glas und Keramiken wird Graphit oft eingesetzt. In hochgereinigter Form wird Graphit schließlich als Moderator in Kernreaktoren verwendet, um die entstehenden, schnellen Neutronen für den Fortgang der Kernspaltung abzubremsen, sie zu „moderieren“. Allgemeine Sicherheitsbedenken und vor allem der Tschernobyl-Unfall 1986 führten dazu, auf den Bau neuer, graphitmoderierter Reaktoren zunehmend zu verzichten.
Doch Kohlenstoff ist mehr als nur Graphit und Diamant. Auf der Suche nach neuen maßgeschneiderten Materialien ist das Element aus der modernen Forschung nicht wegzudenken. Dabei ist diese Forschung noch relativ jung und begann mit der mehr zufälligen als gewollten Herstellung der ersten Kohlenstoffnanoröhrchen (englisch: „carbon nanotube“, deswegen auch CNT abgekürzt) im Jahr 1991.
Wer nun genau der Schöpfer der ersten CNTs ist, ist eine bis heute heiß umstrittene Frage – der Sieger darf sehr wahrscheinlich mit einem Nobelpreis rechnen. Denn diese Entdeckung führte zu einem regelrechten Boom und rückte den Kohlenstoff in den Fokus der Materialwissenschaftler. Heute gibt es neben Graphit und Diamant eine Vielzahl neuer synthetischer Materialien auf Kohlenstoffbasis, die in vielen Gebieten Anwendung finden.
Fussbälle und Fasern auf Kohlenstoffbasis
So ziemlich jeder dürfte den klassichen Fussball noch kennen: Schwarze Fünfecke, umgeben von weißen Sechsecken. Diesen Fussball gibt es auch aus Kohlenstoff, als hohle, in sich geschlossene Kohlenstoffmoleküle. Sie werden nach dem US-amerikanischen Architekten und Konstrukteur Richard Buckminster Fuller (1895 – 1983), einem Vertreter der „biomorphen“ Kuppel-Architektur, „Fullerene“ genannt. Das bisher am besten untersuchte und daher bekannteste Fulleren ist das C60, welches aus 60 Kohlenstoffatomen besteht.
Da es die gleiche Struktur wie ein Fussball hat, wird es auch „Fußballmolekül“ genannt. Verglichen mit einem echten Fussball, der einen Umfang von 70 cm hat, ist es mit seinen 700 Pikometern (pm) jedoch eine Milliarde mal kleiner als ein Fussball auf dem Spielfeld.
Graphit ist hingegen aus Schichten aufgebaut, die sich gegeneinander verschieben lassen. Deswegen wird es in unseren Bleistiften oder auch als nicht verharzendes Schmiermittel genutzt.
Die einzelnen Schichten werden Graphen (hier liegt die Betonung hier auf dem „e“) genannt. Doch wie trennt man die einzelnen Schichten voneinander ab? Heute separiert man sie auf chemischen Wege, doch für die Entdeckung hat Klebeband ausgereicht. Aus Blödelei entstand die Idee, mit Klebeband einfach Schicht für Schicht des Graphits abzutragen, bis nur noch eine übrigbleibt.
Genau das wurde versucht und führte, überraschenderweise, zum Nachweis einer einzelnen Graphen-Schicht. Diese Schichten bilden die Grundlage für die sogenannten „carbon nano tubes“, die CNTs. Rollt man nämlich eine Schicht auf, entsteht eine Röhre, stülpt man diese ineinander, erhält man CNTs mit mehreren Wänden. Heute lassen sich CNTs mit einer oder mehreren Wänden gezielt herstellen. Auch lassen sich Fullerene an diese anhängen, sodass die Eigenschaften beider Materialien kombiniert werden können. Diese Konstrukte werden als „carbon nanobuds“ (CNB) bezeichnet.
Wichtig für viele Anwendungen sind Kohlenstofffasern. Dafür werden organische Verbindungen, z.B. Polyacrylnitril (PAN), zu Fasern gesponnen und anschließend pyrolisiert, wobei nur das Kohlenstoffgerüst übrig bleibt. Diese Fasern können anschließend verwoben oder zu kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK, engl.: CFRP, carbon fiber reinforced polymer) und reinem Kohlenstoff (CFRC, engl.: carbon fiber reinforced carbon) verarbeitet werden. Diese beiden Werkstoffe auf Kohlenstoffbasis sind leicht und dennoch sehr stabil. Die Fasern haben einen Durchmesser von etwa 6 µm und sind damit deutlich feiner als ein menschliches Haar (50 µm). Dennoch sind sie sehr stabil und reißfest, was sie so interessant für verschiedene Anwendungen macht.
Aktivkohle, oft nur als A-Kohle bezeichnet, ist ein hochporöses Material und besitzt eine große innere Oberfläche. Sie wirkt daher wie ein Schwamm. Dadurch ist A-Kohle ein nahezu ideales, inertes Filtermaterial für Gase oder Flüssigkeiten. Sie wird beispielsweise in Zigarettenfiltern und Atemschutzmasken eingesetzt. In sehr viel größeren Mengen kommt A-Kohle jedoch in Industriefiltern zum Einsatz, die beispielsweise bei der Trinkwasseraufbereitung und zur Klarfiltration von Bier und Fruchtsaftgetränken genutzt werden.
Das Allroundtalent
Kohlenstoff ist ein wahres Multitalent. Es gibt ihn in den unterschiedlichsten Modifikationen und Formen und lässt sich sehr variabel bearbeiten, weshalb er eine breite Anwendung findet. Wenn es um die Leichtbauweise von Fahrzeugen geht, hört man oft die Schlagwörter „Carbon“ oder „Kohlefaser“. Dahinter verstecken sich CFKs, Kohlenenstofffasern, die in eine Epoxidharz-Matrix eingearbeitet sind. So entsteht ein leichter und sehr stabiler Werkstoff, was sich in Karosserieteilen, Fahrrädern, Angelruten und vielem anderen wiederfindet.
Statt Epoxidharz können auch Phenolharze als Matrix genutzt werden. Durch eine anschließende Pyrolyse werden dann CFRCs erhalten, die als Bremsbeläge und als Ersatzstoff für Asbest genutzt werden.
Für die Forschung von heute spielt der Kohlenstoff in elementarer Form eine tragende Rolle. Durch die vielen Modifikationsmöglichkeiten bieten sich viele Möglichkeiten, das Material für spezielle Anwendungen maßzuscheidern. Neben der Gewinnung neuer Materialien ist Kohlenstoff für die Entwicklung neuartiger Elektroden für Batterien und Brennstoffzellen unverzichtbar.
Durch geeignete Modifikation, indem z.B. andere Elemente, wie Stickstoff oder Bor, in das Kohlenstoffgerüst eingebaut werden, können Elektrokatalysatoren entwickelt werden, durch die auf teure Elemente, wie Platin, verzichtet werden kann. Für die Entwicklung und den Ausbau der erneuerbaren Energien spielt dies eine große Rolle.
Technologien für heute und für morgen
Bereits heute sind Werkstoffe auf Kohlenstoffbasis keine Seltenheit mehr: Sei es die Aktivkohle im Zigarettenfilter, das Fahrrad mit Leichtbaurahmen aus CFK oder der einfache Bleistift mit einer Graphitmine – sie sind überall zu finden. Doch bietet dieses Element noch unzählige weitere Möglichkeiten der Entwicklung und Anwendung. Elektroden und Elektrokatalysatoren aus Kohlenstoff könnten ein wichtiger Baustein für die „grüne Energie“ werden. Auch für die Mikroelektronik sind insbesondere CNTs ein spannendes Entwicklungsfeld für neue Technologien. Eins ist sicher: Die Möglichkeiten, die der Kohlenstoff bietet, sind noch lange nicht ausgeschöpft.