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Der Einsatz von Polycarbonat

Was haben das Glasdach des Kölner Hauptbahnhofs und eine CD gemeinsam? Beide bestehen aus Polycarbonat (PC), das 1953 in den nicht weit von Köln entfernten Krefelder Laboratorien der Bayer AG entwickelt wurde. Doch worum handelt es sich bei dem Werkstoff genau? Und welche Eigenschaften weist er auf?

Vom Spezialkunststoff zum Massenprodukt

Am 16. Oktober 1953 wurde das von dem deutschen Chemiker Hermann Schnell (1916 – 1999) entdeckte Polycarbonat zum Patent angemeldet. Der Chemiker hatte durch die Umsetzung von 2,2-Bis(4-hydroxyphenylpropan), besser bekannt als Bisphenol A, mit Phosgen einen neuen Kunststofftyp geschaffen. Dabei spielte nicht, wie so oft bei wissenschaftlichen Entdeckungen, der Zufall eine Rolle. Hermann Schnell gelangte durch eine systematische Analyse der bereits vorhandenen Laborberichte und Ergebnisse zu seinen Erkenntnissen.

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Halle des Kölner Hauptbahnhofs mit Bedachung aus Polycarbonat | © Martin Falbisoner – de.wikipedia.org

Fünf Jahre später begann die großtechnische Produktion dieses neuartigen Kunststoffes durch die Bayer AG, der seitdem unter dem Namen Makrolon® vermarktet wird. Unabhängig davon hatte wenig später der US-amerikanische Chemiker Daniel Wayne Fox (1927 – 1989) bei General Electric (GE) ebenfalls diesen neuartigen Kunststoff entwickelt, der unter dem Markennamen Lexan® auf den Markt kam und heute, nach Ausgliederung der Kunststoffsparte bei GE, von dem Saudischen Chemiekonzern SABIC vertrieben wird. Polycarbonate sind polykondensierte Ester von aromatischen Diolen (HO-R-OH) mit Kohlensäure O=C=(OH)2.

Da Kohlensäure praktisch nur in wässriger Lösung existent ist, werden für die Synthese von Polycarbonaten entweder Phosgen, das Dichlorid der Kohlensäure O=C=(Cl)2, oder Diester der Kohlensäure O=C=(O-R)2, eingesetzt.

Diol-Komponenten für die Polycarbonat-Synthese sind Bis-Phenole. Je nach eingesetzter Diol-Komponente werden unterschiedliche Polycarbonat-Typen produziert, deren Eigenschaften die des ursprünglichen auf der Basis von Bisphenol A noch übertreffen, etwa hinsichtlich Transparenz oder Wärmeformbeständigkeit.

Ein Werkstoff für spezielle Anwendungen

Allgemeine Eigenschaften

Das „klassische“ Polycarbonat (PC) aus Bisphenol A ist ein thermoplastischer Kunststoff mit einer hohen Wärmeformbeständigkeit. Er kann kurzfristig auf bis zu 135 °C erhitzt werden und ist langfristig bei Temperaturen von bis zu 110 °C einsetzbar. Vor allem aber handelt es sich um ein lichtdurchlässiges Material, das sich für den Ersatz von Glas prädestiniert. Gleichzeitig ist PC fest und hart, schlagzäh und bruchsicher. Außerdem zeichnet sich der Werkstoff durch eine hohe Steifigkeit sowie eine ausgeprägte Wärmebeständigkeit aus.

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Einsatzbereiche

Die Einsatzbereiche für Polycarbonate sind vielfältig: für großflächige Abdeckungen und Sicherheitsverglasungen, hierbei oft in Verbindung mit Lackbeschichtungen zur Verbesserung der Witterungsbeständigkeit, für unzerbrechliche Brillengläser oder für Autoscheinwerfer werden sie verwendet. Auch hitzebeständige Visiere von Schutzanzügen der Feuerwehr und Gießereien sowie von Raumanzügen werden aus Polycarbonaten gefertigt.

Wegen ihrer Lichtdurchlässigkeit sind Polycarbonate für Lichtleiter hervorragend geeignet, die auch im Kommunikationswesen künftige eine Rolle spielen könnten.

Der Siegeszug beginnt in den 90ern

Polycarbonat ist trotzdem immer noch ein Nischenprodukt. Die Produktionskosten sind im Vergleich zu Massenkunststoffen, wie Polyvinylchlorid (PVC) oder Polyethylen (PE), sehr hoch. Der Einsatz dieses Kunststoffs lohnt sich deswegen nur für Spezialanwendungen. Im Vergleich zur gesamten, weltweiten Kunststoffproduktion ist der Anteil von Polycarbonaten mit 1,5% daher immer noch sehr gering. Mit der Entwicklung der optischen Speichermedien als Tonträger, der sogenannten Compact Disc (CD) im Jahr 1982, später der Digital Versatile Disc (DVD) und schließlich den Blu-Ray-Discs stieg der Verbrauch an PC seit 1990 jährlich durchschnittlich um 8%.

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Im Jahr 2012 wurden bereits 3,67 Millionen Tonnen dafür verwendet, zwanzig Jahre zuvor waren es „nur“ 660.000 Tonnen. Eigenschaften, wie die hohe Wärmeformbeständigkeit, aber auch die Schlagfestigkeit und eine geringe Verzugsneigung, sind die entscheidenden Vorteile, die für den Einsatz dieses thermoplastischen Kunststoffs sprechen. Heutzutage ist die Produktion der optischen Speichermedien eine der wichtigsten Anwendungen. Da die Produktionskosten hoch sind, kommt dem Recycling, vor allem dem CD-Recycling, eine hohe Bedeutung zu.

Ein Werkstoff der auf vielfältige Weise verarbeitet werden kann

PC gehört zur Klasse der Thermoplaste und kann durch die üblichen Formgebungsverfahren verarbeitet werden. Dazu gehört das Spritzgießen, Blasformen oder Extrudieren genauso, wie das sogenannte Kalandrieren, bei dem die Rohmasse über mehrere Walzen geführt und zu Folien verarbeitet wird.

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In allen Verfahren muss bei relativ hohen Temperaturen zwischen 240 °C und maximal 320 °C gearbeitet werden und, vor allem beim Spritzguss, sind hohe Drücke notwendig. Die daraus hergestellten Halbzeuge sind andererseits mit allen gängigen Verfahren sehr gut zu bearbeiten. Man kann sie sägen, bohren, fräsen und schleifen oder mit den gängigen Fügetechniken verbinden.

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Das Schweißen, eine beliebte Fügetechnik für Thermoplaste, wird auch bei PC-Kunststoffen eingesetzt, vor allem da die Nahtqualitäten stabil und somit im täglichen Einsatz verlässlich belastbar sind. Neben dem Verschrauben und Nieten ist das Verkleben mit Klebstoffen auf Epoxid- oder Cyanacrylatbasis eine weitere Möglichkeit zum Verbinden von Teilen aus Polycarbonaten.

Polycarbonat in der Diskussion?

Amerikanischen und japanischen Studien zufolge können beim Erwärmen von Polycarbonaten Spuren der aromatischen Diol-Komponente freigesetzt werden. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission bereits im Jahre 2011 die Verwendung von Polycarbonat auf der Basis von Bisphenol A, das als „hormoneller Schadstoff“ gilt, aus „Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes“ (so die offizielle Erklärung des Bundesinstituts für Risikobewertung, kurz BfR) für die Herstellung von Babyflaschen verboten. Wenngleich Trinkflaschen, Mikrowellengeschirr oder Wasserspender heute immer noch aus dem Kunststoff hergestellt und in Umlauf gebracht werden, ist die Verwendung dieses Materials im Lebensmittelbereich aber insgesamt rückläufig.

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Als thermoplastischer Kunststoff entfalten Polycarbonate ihre Stärken vor allem dort, wo andere Kunststoffe nicht oder nur schlecht mithalten können: für großflächige, transparente Abdeckungen anstelle von Glas und für optische Anwendungen. Der Hauptanwendungsbereich von Polycarbonaten ist heute jedoch der für Tonträger, für CDs, DVDs und Blu-Ray-Discs.

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.