Die Nanotechnologie ist eine der Schlüsseltechnologien des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Dieser Oberbegriff umfasst heutzutage verschiedene Einzelgebiete, die sich in den Jahren herauskristallisiert haben, wozu die Nano-Elektronik, Nano-Optik oder auch die Nanobiotechnologie gehören. Letztere verbindet Arbeitsweisen aus der Nanotechnologie mit Erkenntnissen und Methoden der Biologie und Biotechnologie. Vor allem die moderne Medizin sieht ein großes Potenzial in der Symbiose dieser beiden Fachbereiche, aber auch die Life Sciences oder die Umwelttechnologie zeigen Interesse. Und manche Entwicklung hat bereits Einzug in unseren Alltag gehalten.
Kleiner als klein…
In der Nanotechnologie spielt sich alles in einem Bereich von einem bis 100 nm ab. Wie kann man sich eine solch kleine Größe von 10-9 Metern vorstellen? Vergleicht man einen Faden von der Dicke eines Nanometers mit einem unserer Haare, so beträgt dessen Durchmesser weniger als ein Tausendstel eines Haares. Im Verhältnis zur Größe des Menschen, ist ein Nanometer gerade mal so groß wie eine Murmel im Vergleich zur Erde. Aber nicht nur die Größe bestimmt die Nanotechnologie, auch viele physikalische und chemische Eigenschaften ändern sich in diesen submolekularen Bereichen. Kupfer wird durchsichtig, Siliciumatome werden leitend und die chemische Reaktivität ändert sich. Sie ist, aufgrund der großen Oberfläche im Verhältnis zum Volumen, viel größer als in der makroskopischen Welt.
Nanobiotechnologie ist mehr als Biotechnologie auf kleinstem Raum
Die Nanobiotechnologie verknüpft, wie der Name bereits sagt, Biologie und Biotechnologie mit der Nanotechnologie. Als Bindeglied macht sie Erkenntnisse und Arbeitsweisen sowohl aus der Biologie als auch der Biotechnologie für die Nanotechnologie nutzbar und umgekehrt. Dabei steht „bio2nano“ für Verfahren, die biologische Materialien oder Baupläne als Vorbild nutzen, um daraus funktionale Nanotechnik herzustellen, während unter „nano2bio“ die Nutzung der Nanotechnologie für Analyse und Herstellung biologischer Nanosysteme verstanden wird.
Sowohl für „bio2nano“ als auch für „nano2bio“ gibt es bereits eine Vielzahl an Beispielen und Anwendungen.
Die Medizin setzt große Hoffnungen auf die Nanobiotechnologie
Nanopartikel für den gezielten Medikamententransport
Eines der Gebiete, auf denen am intensivsten geforscht und auf dem bereits große Fortschritte erzielt wurden, ist der gezielte Transport und die Freigabe von Medikamenten im menschlichen Körper. Gerade in der Krebstherapie, bei der Wirkstoffe nur zu den befallenen Zellen transportiert werden sollen, kann die Nanobiotechnologie zielgenau eingesetzt werden. Wie funktioniert das? Der gewünschte Wirkstoff wird in biokompatible Nanopartikel, sogenannte Vesikel, eingeschlossen. Diese bestehen beispielsweise aus modifizierten Liposomen oder biokompatiblen Polymeren, wie Polycaprolacton, Polyimiden oder Polyvinylalkohol. In den Vesikeln ist der Wirkstoff vor dem vorzeitigen Abbau geschützt und kann im Körper zu seinem Bestimmungsort gebracht werden.
Um diesen gezielt zu erreichen, werden die Vesikeloberflächen modifiziert und spezielle Proteine, sogenannte Antigene, in die Hülle eingebaut. Diese erkennen sehr spezifisch bestimmte Oberflächenproteine, die nur auf Krebszellen vorhanden sind und docken daher auch nur an diese an. Nun fehlt noch die gezielte Wirkstofffreigabe. Diese sollte nicht schon während des Transports, sondern erst am Zielort erfolgen und hier häufig auch zeitverzögert.
Dafür eignen sich biokompatible Vesikel, die im Körper nach und nach abgebaut werden. Die Dauer bis zur Wirkstofffreigabe kann durch die Dicke ihrer Hülle manipuliert werden. Bei einer dünneren Hülle wird der eingeschlossene Wirkstoff schneller, bei einer dickeren entsprechend langsamer freigesetzt. Erste Krebspräparate, die Nanopartikel gezielt einsetzen, sind bereits auf dem Markt.
Diagnosemöglichkeiten und planbarer Gentransfer
Die Oberflächen der eingesetzten Nanopartikel können mit sehr unterschiedlichen Molekülen modifiziert werden, was sich die moderne medizinische Diagnostik zunutze macht. Nicht nur Antigene gegen Oberflächenproteine erkennen spezifisch bestimmte Krebszellen, auch Nanopartikel, die mit bestimmten RNA-Sequenzen bestückt sind, wurden bereits erfolgreich als Krebsmarker eingesetzt.
Durch den Einbau von Fluoreszenzmarkern in die Nanopartikel ist es zudem möglich, deren Ort über spezielle Imagingtechnologien sichtbar zu machen. Damit steht Medizinern ein sehr spezifisches und vor allem nichtinvasives, diagnostisches Verfahren zur Verfügung. Schließlich setzt auch die Gentherapie große Hoffnungen auf diesen Bereich der Nanobiotechnologie. Denn diese Vesikel können auch als „Genfähren“ eingesetzt und damit bestimmte Gensequenzen sehr genau an ihren Zielort bringen. Damit wäre es beispielsweise möglich, defekte Genabschnitte, die für genetische Krankheiten verantwortlich sind, durch gesunde zu ersetzen.
Diese Idee wurde bislang durch den Einsatz bestimmter viraler Vektoren für den Gentransfer verfolgt, aber aufgrund der Nebenwirkungen war der Einsatz begrenzt. Die nun entwickelten Vesikel scheinen wesentlich besser verträglich zu sein, wodurch die medizinische Forschung auf diesem Gebiet neue Hoffnung schöpft.
Tissue engineering
Die Nanobiotechnologie ist auch für andere Bereiche der Medizin interessant. So arbeiten Forscher daran, Oberflächen zu entwickeln, die das Wachstum von Zellen befördern. Das Ziel des sogenannten „Tissue Engineering“ ist die Unterstützung des natürlichen Zellwachstums. So könnten nach Verbrennungen die Wundheilung und das Wachstum der Hautzellen angeregt werden, ohne dass es zu Vernarbungen kommt.
Auch hier kommen, je nach Gewebe, biokompatible Materialien zum Einsatz, die als Nanofilamente oder Nanotubes den Zellen als Gerüst zum Aufbau eines „künstlichen Gewebes“ helfen. In anderen Fällen ist das Zellwachstum auf Oberflächen unerwünscht, wie auf Stents, die Patienten mit verengten Blutgefäßen eingesetzt werden, um sie offen zu halten. Diese Materialien sind so modifiziert, dass darauf auf keinen Fall Zellen haften bleiben.
Wie man sich die Biologie in der Nanotechnik nutzbar macht
Eines der bekanntesten Beispiele für „bio2nano“ ist der Lotus-Effekt. Dieses Prinzip aus der Natur wurde nachgebaut und sorgt dafür, dass unsere Funktionsjacken nicht nass und Gebäudefassaden getrost dem Regen ausgesetzt werden können. Auch in anderen Bereichen hat die Nanobiotechnologie bereits Einzug in den Alltag gehalten. So wird das bakterielle Protein „Rhodopsin“ eingesetzt, um Fälschungen vom Original unterscheiden zu können. Bei Bestrahlung mit einer intensiven Lichtquelle ändert dieses Protein seine Farbe von violett nach gelb, die im Dunklen reversibel ist. Es genügt daher, ein entsprechend präpariertes Dokument, welches unter normalen Lichtbedingungen nicht vom Original zu unterscheiden ist, unter eine starke Lichtquelle zu halten. Ändert sich die Farbe, ist es das Original, andernfalls ist es eine Fälschung.
Andere Ideen nutzen die Strukturen biologischer Systeme und möchten sie als Biosensoren oder die Nanoprozesstechnik nutzbar machen. Dafür werden beispielsweise Viren eingesetzt, die aus relativ einfach aufgebauten Strukturen bestehen. So enthält das pflanzliche Tabakmosaikvirus einen röhrenförmigen, relativ steifen Teil aus sich wiederholenden Proteineinheiten. Diese Struktur kann als Grundgerüst für weitere Modifikationen dienen. So können innerhalb einer solchen Nanoröhre einzelne Metallatome abgeschieden und als „molekulare Kabel“ zur Leitung winzigster, elektrischer Ströme eingesetzt werden. Damit ist eine Anwendung in der Nanotechnik oder als Biosensor denkbar.
Das Potenzial der Nanobiotechnologie ist noch lange nicht ausgeschöpft
Viele Ideen zur Verknüpfung von Nanotechnologie, Biologie und Biotechnologie befinden sich noch im Forschungsstadium, andere wurden bereits verwirklicht. Nicht allein die Entwicklung neuer praktischer Anwendungen, auch die Weiterentwicklung von Analysetechniken in der Biologie und den Life Sciences gehört zur Nanobiotechnologie. Die Betrachtung von Abläufen in der Zelle auf molekularer Ebene oder die Entwicklung immer kleinerer und besserer DNA-Chips sind nur zwei Beispiele dafür. Dadurch verstehen wir immer besser, was in unseren Zellen abläuft und können uns diese Ergebnisse wiederum nutzbar machen, sei es für maßgeschneiderte Therapieansätze in der Medizin, für die Entwicklung von Biosensoren oder etwas utopische Ideen, wie „Nanokabel“ für den Einsatz in der Kommunikationstechnologie.