Ein gutes Qualitätsmanagement ist in jedem Unternehmen von hoher Wichtigkeit. In sensiblen Bereichen, wie der Herstellung von pharmazeutischen Produkten, ist es jedoch essentiell, da die Gesundheit und Genesung der Patienten, die die Arzneimittel erhalten, von deren gleichbleibend hoher Qualität abhängen. Die Richtlinien des „Good Manufacturing Practice“ (GMP, deutsch: gute Herstellungspraxis) sind deshalb für die Qualitätssicherung in der Pharmaindustrie unverzichtbar. In die Entwicklung der GMP-Richtlinien und was sie beinhalten möchten wird deshalb hier eine Einführung geben.
Wie entstand das GMP?
Die Anfänge der „Good Manufacturing Practice“ sind in den USA im Jahr 1937 im Federal Food, Drug and Cosmetic Act (FD&C) zu finden. Es war die Reaktion auf eine medizinische Tragödie, die als „Sulfanilamid-Katastrophe“ bekannt wurde. Durch die Verwendung von giftigem Diethylenglykol als Lösungsmittel in dem antibiotisch wirkendem Hustenmittel „Elixir Sulfanilamide“ kam es zum Tod von 107 Menschen. Im FD&C wurde daraufhin festgeschrieben, dass Unternehmen die Nachweispflicht haben, dass die von ihnen hergestellten Medikamente ohne Gefahr für die Gesundheit eingenommen werden können.
Eine weitere medizinische Katastrophe, der „Contergan-Skandal“ Anfang der 1960er Jahre, initiierte weitere Entwicklungen zur Einführung einheitlicher Standards in der Qualitätssicherung von Arzneimitteln. In Deutschland waren sehr viele Menschen von Schädigungen durch Contergan betroffen. Deshalb wurden in der Folgezeit Forderungen nach einer Verschärfung des kurz zuvor veröffentlichten Arzneimittelgesetzes (AMG) laut. Nach einigen kleineren Reformen kam es 15 Jahre später, im Jahr 1976 zu einer umfassenden Reform des AMG, in dessen Zug auch erste GMP-Richtlinien eingeführt wurden.
In den USA wurden durch eine verzögerte Zulassung von Contergan nur wenige Kinder mit Missbildungen geboren. Hier wurde als Reaktion darauf ab 1962 durch die Veröffentlichung der „Kefauver-Harris Drug Amendments“ die Grundlage für die ersten GMP-Richtlinien veröffentlicht.
Ab sofort mussten Hersteller die Wirksamkeit ihrer Medikamente nachweisen und striktere Qualitätskontrollen durchführen.
Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) veröffentlichte die ersten noch nicht rechtlich bindenden „GMP-Guidelines“ im Jahr 1968.[1] Durch die Veröffentlichung der „Current Good Manufactaring Practice“ (cGMP/ CGMP-Richtlinien) im amerikanischen Federal Register (Medikamente: 21 CFR Parts 210 and 211; medizinische Geräte: 21 CFR 820) wurde 1978 das gesetzliche Fundament dafür geschaffen, dass eine Überwachung durch die „Food and Drug Administration“ (FDA) erfolgen konnte.
1985 wurde in Deutschland die „Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer“ (PharmaBetrV) zur Regelung der GMP-Vorschriften eingeführt. 2006 wurde sie durch die „Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung“ (AMWHV) abgelöst,[2] die bis heute das aktuell gültige GMP-Regelwerk in Deutschland ist. Inhaltlich entspricht sie dem EG-GMP-Leitfaden für Human- und Tierarzneimittel (Richtlinie 91/356/EWG) der Europäischen Union, der im Jahr 1989 eingeführt wurde.
Um als pharmazeutische Unternehmen eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG für Arzneimittel zu erhalten, ist die Einhaltung der GMP-Vorschriften zwingend notwendig.[3]
Heute sind die WHO GMP-Richtlinien in über 100 Ländern in nationales Recht umgesetzt worden. Dennoch bestehen meist geringe Unterschiede zwischen den Regel-Werken der einzelnen Länder. Neben der Arzneimittelherstellung wurden die GMP-Vorschriften auch auf Bereiche wie Kosmetik, Textilien und Lebensmittel übertragen.
Qualitätsmanagement gemäß der guten Herstellungspraxis
Da die Herstellung von pharmazeutischen Produkten ein sehr sensibler Bereich ist, ist eine GMP-gerechte Qualitätssicherung und ein passendes Qualitätsmanagement-Konzept heute für Arzneimittelhersteller unverzichtbar. Jeder Schritt findet standardisiert statt und wird dokumentiert, um gleichbleibende, hohe Qualität sicherzustellen. So soll verhindert werden, dass sich Katastrophen, wie der bereits erwähnte Contergan-Skandal der 1960er Jahre, in der Zukunft nicht mehr ereignen.
Deshalb beschreiben die GMP-Richtlinien den gesamten Produktionsprozess eines Arzneimittels von der Herstellung und Qualitätskontrolle über die Verpackung bis hin zur Lagerung. Dabei müssen auch die Räumlichkeiten und Anlagen zur Arzneimittelherstellung den Auflagen entsprechen und die Mitarbeiter umfassend geschult werden. Verstöße gegen die GMP-Richtlinien können empfindliche Strafen nach sich ziehen, die bis zur Betriebsschließung führen können. Es stellt eine große Herausforderung für ein pharmazeutisches Unternehmen dar, alle aktuellen Vorschriften zu kennen und sie regelkonform umzusetzen. Deshalb haben sich eine Reihe von Beratungs- und Schulungsunternehmen etabliert, die sich auf das Fachgebiet GMP-Qualitätsmanagement spezialisiert haben und Unternehmen bei der Einhaltung der Richtlinien unterstützen.
Wichtige Bestandteile eines GMP-gerechten Qualitätsmanagement-Systems (QM-System) sind das Dokumentenmanagement, die Validierung von Methoden und Prozessen, die Qualifizierung von Anlagen und Geräten sowie das Abweichungs-, Änderungs- und Risikomanagement. Zusätzlich sind Schulungen der Mitarbeiter und regelmäßige Audits erforderlich.
Nachstehend gehen wir kurz auf die einzelnen Instrumente ein.
- Dokumentenmanagement
Grundlage für alle Prozesse und Validierungen ist ein GMP-gerechtes Dokumentenmanagement. Es wird dabei in Qualitätsdokumente und Qualitätsaufzeichnungen unterschieden. Qualitätsdokumente beinhalten z.B. die Vorgaben für einen Prozess, wohingegen Qualitätsaufzeichnungen dokumentieren, inwiefern diese Vorgaben erfüllt werden. Die verschiedenen Qualitätsdokumente, wie die Standard Operating Procedures (SOPs, dt.: Standardvorgehensweise), unterliegen der regelmäßigen Überprüfung und müssen gegebenenfalls überarbeitet werden.
Allerhöchste Priorität hat stets die Gewährleistung der Datenintegrität bei Qualitätsdokumenten sowie -aufzeichnungen. Hierfür wird gern das eingängige, englische Kürzel ALCOA herangezogen (aus: attributable – nachvollziehbar; legible – lesbar; contemporaneous – zeitnah; original – Original/vollständig; accurate – exakt). Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Dokumente im Archivierungzeitraum vor Manipulationen und Schäden sowie vor Verlust geschützt sind.
- Validierung von Methoden und Prozessen und Änderungs- und Abweichungsmanagement
Validierung bedeutet, einfach gesprochen, zu beweisen, dass etwas so funktioniert, wie es soll. Es ist eines der wichtigsten GMP-Konzepte. Durch Validierung von Methoden und Prozessen soll sichergestellt werden, dass die erhaltenen Ergebnisse reproduzierbar sind und den gestellten Erwartungen und Anforderungen entsprechen. Eine Prozessvalidierung hat einen typischen Lebenszyklus, der sich aus dem Prozessdesign, der Prozessqualifizierung (Qualifizierung s. nächster Abschnitt) und kontinuierliche Prozessverfikation zusammensetzt.[4]
Durch regelmäßige Prüfungen und eventuelle Änderungen, oft als „Change Management“ bezeichnet, müssen bestimmte Schritte des Zyklus, je nach Art der Änderung wiederholt werden. Alle Prozesse müssen natürlich gemäß GMP-Richtlinien dokumentiert werden, genauso wie auch planmäßige Änderungen und unplanmäßige Abweichungen dokumentiert werden müssen. Bei geplanten Änderungen ist zunächst eine Begründung, Planung und Genehmigung erforderlich. Bei unplanmäßigen Abweichungen ist hingegen die Nachverfolgung, also die Dokumentation und Bewertung von Korrektur- und Präventivmaßen vorgeschrieben.
- Qualifizierung von Räumen, Anlagen und Geräten
Ähnlich wie bei den Methoden und Prozessen, ist es auch nötig bei den verwendeten Anlagen, Geräten und eventuell Räumen oder sogar ganzen Gebäuden zu prüfen, dass diese den Anforderungen genügen. Es muss regelmäßig dokumentiert werden, dass sie verlässlich ihren Zweck erfüllen.
Die Qualifizierung wird in vier Stufen unterteilt: Design-Qualifizierung (engl.: design qualification, DQ), Installations-Qualifizierung (engl.: installation qualification, IQ), Funktions-Qualifizierung (engl.: operational qualification, OQ) und Leistungs-Qualifizierung (engl.: performance qualification, PQ).
Die Design-Qualifizierung (DQ) steht am Anfang des Prozesses, stellt Anforderungen zusammen und befasst sich mit der Auswahl von geeigneten Geräten, Zubehör und ähnlichem. Nach der Beschaffung erfolgt die Installations-Qualifizierung (IQ) mit der Installation und Qualifizierung der einzelnen Geräteteile und Materialien. Funktions-Qualifizierung (OQ) und Leistungs-Qualifizierung (PQ) müssen bei der Einführung des Geräts durchgeführt werden, aber auch regelmäßig wiederholt werden. Die Funktions-Qualifizierung (OQ) testet mit Hilfe von vorgeschriebenen Funktionstestes die Anforderungen und die Leistungs-Qualifizierung (PQ) überprüft unter realen Bedingungen die Funktion des Geräts und gleicht sie mit weiteren Geräten ab.
- Risikomanagement und interne Audits
Das Risikomanagement ist eines der wichtigsten Themen der Guten Herstellungspraxis und integraler Bestandteil von Validierungen. Es erfordert, dass Risiken ausfindig gemacht, beurteilt und in Risikokategorien eingeordnet werden. Außerdem fallen Themen wie die Risikoabwehr, die Kompetenzen für Risikoentscheidungen und die Auswahl geeigneter Schulungen in diesen Bereich.
Insbesondere Schulungen sind ein integrales Instrument in einem GMP-gerechten Umfeld. In internen Audits werden durch speziell geschulte organisationseigene Mitarbeiter die Prozesse und Einhaltung der GMP-Richtlinien geprüft. Auch Lieferanten müssen regelmäßig durch Audits geprüft werden.
Wichtigkeit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der GMP-Richtlinien als Fazit
Die Richtlinien der GMP sind im 20. Jahrhundert entstanden, deren Entwicklung hauptsächlich durch tragische, medizinische Unfälle vorangetrieben wurde. Aber auch wenn wir inzwischen einen hohen Standard für die Qualitätssicherung und -kontrolle von Arzneimitteln erreicht haben, ist es wichtig, dass diese Richtlinien regelmäßig evaluiert und entsprechend der heutigen Anforderungen angepasst werden.
Denn Arzneimittel sollen schließlich den Patienten dabei helfen, gesund zu werden und nicht schaden.
Quellen: [1] http://www.who.int/biologicals/vaccines/good_manufacturing_practice/en/ [2] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2014/daz-30-2014/arzneimittelherstellung [3] https://www.pei.de/DE/infos/pu/zulassung-humanarzneimittel/erlaubnisse/herstellung/herstellungserlaubnis-node.html [4] https://www.gmp-navigator.com/gmp-news/who-veroeffentlicht-entwurf-zur-prozessvalidierung