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Laborwaagen im Einsatz

« Worauf es beim Wägen ankommt »

Um Ergebnisse von Analysen im chemischen Labor vergleichen zu können, müssen sie auf standardisierte Bezugsgrößen zurückzuführen sein. Als Bezugsgröße eignet sich zum Beispiel das Volumen, die zuverlässigere Bezugsgröße ist jedoch die Masse. Denn sie hängt im Gegensatz zum Volumen nicht von der Temperatur ab und lässt sich sehr einfach und genau durch Wiegen bestimmen. Somit steht am Anfang der allermeisten Laboranalysen zunächst die Waage, die Einwaage einer Probe oder der Chemikalien für das Ansetzen von Standard- und Maßlösungen. Als wichtiges Mess- und Prüfmittel werden Laborwaagen zudem auch für die Überprüfung von Dosiergeräten im Labor, zum Beispiel von Pipetten, verwendet.

Alle Laborwaagen führen den Vergleich einer unbekannten Probenmasse mit einer bekannten Prüfmasse durch. Dieses grundlegende Prinzip der Wägetechnik ist in einfacher Weise bei der klassischen Balkenwaage umgesetzt. Diese ist im Gleichgewicht, wenn auf beiden Waagschalen die gleiche Masse aufliegt. Abweichungen hiervon können als Differenzgewicht auf einer kalibrierten Skala abgelesen werden.

Klassische Balkenwaage mit Waagschalen fuer die Analyse
Klassische Balkenwaage mit Waagschalen für die Analyse

Was ist Masse?

Masse ist eine Grundeigenschaft aller Stoffe und beschreibt als „Quantitas Materiae“ die Menge der in einem Körper enthaltenen Materie. Den zugrundeliegenden physikalischen Massebegriff prägten im 17. Jahrhundert Johannes Kepler (1571 – 1630), Isaac Newton (1642 – 1727) und andere Wissenschaftler der Zeit durch die Beobachtung bewegter Körper.

Körper, die eine Masse besitzen, ziehen sich durch ihre Gravitationskraft gegenseitig an. Deshalb fallen Gegenstände senkrecht zu Boden und die Planeten bewegen sich nur deswegen auf festen Bahnen um die Sonne, weil die Gravitation durch die Zentrifugalkraft kompensiert wird. Dank der aus der Gravitation herrührenden Gewichtskraft eines Körpers kann dessen Masse mit einer Waage bestimmt werden.

Die Massedefinition

In der Wägetechnik dient das Kilogramm (kg) als Bezugsmasse, aus der sich alle praktisch verwendeten Masseeinheiten wie das Gramm (g), das Milligramm (mg) oder auch die Tonne (t) einfach ableiten lassen. Sein Gewicht wurde mit Hilfe des Ur-Kilogramms, einem seit 1872 in Paris aufbewahren Platin-Iridium-Zylinder, festgelegt.

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Seit 2019 hat allerdings das Ur-Kilogramm als Masse-Standard endgültig ausgedient, wie auch schon 1983 das Ur-Meter. Die Masse wird nunmehr sehr viel genauer und von jeglichen Umwelteinflüssen unabhängig über die Planck-Konstante, das „Planck’sche Wirkungsquantum“ hν = 6,62607015 ∙ 10-34 Joulesekunden (Js) definiert, eine unvorstellbar kleine Einheit, die jedoch eine der fundamentalen Naturkonstanten unseres Weltsystems darstellt. Sie beschreibt das Verhältnis des Energiegehalts eines Lichtteilchens zur Frequenz der zugehörigen Lichtwelle.

Welche Laborwaage ist die Richtige?

Im Labor werden unterschiedliche elektromechanische oder elektronische Waagen eingesetzt. Welche die richtige Waage ist, bestimmen die erforderliche Masseauflösung und damit die Genauigkeit des Wägeergebnisses sowie die abzuwiegenden Stoffmengen.

Für qualitative Analysen oder die Einwaage von Hilfsstoffen genügen häufig einfache Präzisions- oder Oberschalenwaagen der Genauigkeitsklasse II. Diese sind auch als Apothekerwaagen bekannt und wiegen Stoffmengen auf 0,1 g ab. Für genauere Wägungen werden Fein- oder Analysenwaagen der Genauigkeitsklasse I mit einer Auflösung unter 0,1 mg eingesetzt.

Moderne eingehauste Analysenwaage
Moderne eingehauste Analysenwaage

Mikrowaagen, wie sie beispielsweise bei der Pipettenkalibrierung kleiner Nennvolumina im µl-Bereich benötigt werden, wiegen Mengen bis hinab in den Mikrogrammbereich. Die gegenüber klassischen Analysenwaagen sehr viel höhere Auflösung wird mit einem deutlich kleineren Wägebereich erkauft.

Der richtige Waagenstandort

Damit Laborwaagen exakte Ergebnisse liefern und langfristig einwandfrei funktionieren, müssen sie an einem staubarmen Standort mit stabilen Umgebungsbedingungen aufgestellt werden. Am besten eignet sich ein fensterloser und klimatisierter Wägeraum mit einem aus einer schweren Steinplatte bestehenden Wägetisch, der auch die unvermeidbaren Vibrationen aus der Umgebung dämpft. Abweichungen von der horizontalen Ausrichtung werden mit Hilfe von Stellrädern an den Waagenfüßen nivelliert. Danach wird die standortabhängige Kalibrierung der Waage überprüft und gegebenenfalls korrigiert.

Auf die richtige Bedienung kommt es an!

Laborwaagen müssen sachgerecht und sorgfältig behandelt werden, um Bedienungsfehler auszuschließen, die sich auf die Analysenergebnisse negativ auswirken können.

Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Waagenfunktion und der Messgenauigkeit erfolgt mit Hilfe von Prüfgewichten. Prüfgewichte sind kalibrierte Massestücke, die bestimmten Genauigkeitsanforderungen entsprechen, die in der Richtlinie 111/2004 der 1955 gegründeten und in Paris ansässigen „Organisation Internationale de Metrologie Legale“ (OIML) verankert sind. Sie umfassen insgesamt sieben Genauigkeitsklassen für die Analysenwaagen, Präzisionswaagen und Industriewaagen. Durch vorgegebene Einheits-Messbedingungen für Temperatur und damit auch der Dichte der umgebenden Luft sowie der Werkstoffdichte des Prüfgewichts wird dem Auftrieb, den es in der Luft erfährt, Rechnung getragen.

Eichgewicht zum Kalibrieren einer Analysenwaage
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Für eine einfache statistische Prozesskontrolle (SPC, engl.: statistical process control) reicht es hierbei aus, die Waage täglich mit einer Masse aus dem oberen Drittel des Messbereichs zu prüfen. Die Messdaten werden in eine grafische Kontrollkarte übertragen, um Abweichungen und Signaldriften erkennen zu können.

Welche Fehlerquellen gibt es?

Viele Störeinflüsse werden bei modernen Waagen elektronisch kompensiert, was jedoch zu Lasten der Messempfindlichkeit geht.

Laborwaagen reagieren zum Teil sehr empfindlich auf Luftbewegungen sowie Temperatur- und Feuchteänderungen. So können Zugluft oder Abzüge in der Nähe von Waagen zu erheblichen Wägefehlern führen. Analysen- und Mikrowaagen sind deshalb eingehaust, verfügen über von außen bedienbare, mechanische Gewichtsauflagen und haben verschließbare Bedienfenster für das Ein- und Ausführen des Wägegutes.

Einen sehr großen Einfluss auf das Messergebnis haben auch die Temperatur des Wägegutes und anhaftende Feuchtigkeit am Wägegut. Deshalb sollte es vor der Wägung zunächst bei konstanter Raumtemperatur in der Nähe der Waage gelagert werden. Wasserziehende hygroskopische Stoffe werden bis zur Wägung in einem Exsikkator aufbewahrt.

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Ebenso hat die Sauberkeit beim Umgang mit Waagen einen großen Einfluss auf deren zuverlässige Funktion. Deshalb müssen Waagen nach der Benutzung sorgfältig auf Verunreinigungen überprüft und gegebenenfalls sofort gereinigt werden.

Um Einflüsse durch Magnetfelder und elektrostatische Aufladungen zu vermeiden, sollten in der Nähe von empfindlichen Waagen keine Magnetrührer verwendet werden. Zum Schutz vor elektrischen Aufladungen des Wägegutes können beim Einwiegen statt der üblichen Wäge-Schiffchen aus LDPE, die ein sicheres Handhaben des Wägegutes erleichtern, Metallgefäße hilfreich sein.

Wie genau misst meine Waage?

Die Hersteller moderner Analysenwaagen geben die Messgenauigkeit mit Hilfe der Anzeigeauflösung an. Hierbei entspricht die spezifizierte Genauigkeit häufig der letzten angezeigten Ziffer, zum Beispiel 4,0005 g +/-0,0001 g. Diese ideale Richtigkeit wird aber unter realen Messbedingungen selten erreicht. Sie hängt, wie bereits erwähnt, vom Waagenstandort und den individuellen Umgebungsbedingungen ab. Waagen müssen daher regelmäßig gewartet und mit Prüfgewichten überprüft werden, um Ungenauigkeiten und systematische Messfehler erkennen zu können.

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Im Gegensatz zur Richtigkeit beschreibt die Präzision einer Waage die zufällige Ergebnisstreuung bei wiederholten Messungen unter vergleichbaren Bedingungen. Zur Bewertung der Messgenauigkeit im Rahmen einer SPC (engl.: statistical process control) werden die Abweichungen (R) von beispielsweise 20 aufeinanderfolgenden Kontrollmessungen zu einem langfristigen Mittelwert (X) herangezogen. Hieraus lassen sich dann eine obere und eine untere Eingriffsgrenze (OEG bzw. UEG) berechnen:

Eingriffsgrenze = X + (2,66 ∙ R)

Werden diese Eingriffsgrenzen bei einer Waage überschritten, ist deren Messunsicherheit zu groß und sie muss mit Hilfe von Kalibriergewichten neu justiert werden. Aus den gemessenen Abweichungen lässt sich auch die Minimaleinwaage berechnen, bei der eine festgelegte Messpräzision eingehalten wird. Die Werte für Messtoleranzen und die Minimaleinwaage müssen neu bestimmt werden, wenn die Waage an einen neuen Standort versetzt wird.

Wofür werden Laborwaagen geeicht?

In vielen Bereichen müssen Waagen oder zugehörige Prüfgewichte nicht nur kalibriert, sondern entsprechend dem Gesetz über das Eich- und Messwesen, dem Eichgesetz, amtlich geeicht sein. Dieses betrifft insbesondere öffentliche und geschäftlich genutzte Waagen, aber auch solche, die für die Prüfung von Arzneimitteln im Labor oder für die Umweltanalytik eingesetzt werden.

Frau mit Schwefelsaeure und Skala im Labor
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Eine geeichte Waage muss entsprechend der europäischen Waagen-Richtlinie 2014/31/EU bauartbedingt zugelassen sein. Die Eichung beinhaltet die Prüfung funktionaler und messtechnischer Eigenschaften einer Waage, wie die von ihrem Eichwert abhängigen Mindest- und Höchstlasten sowie die Eichfehlergrenzen.

Der jeweilige Eichwert und die zulässigen Lasten sind auf dem Typenschild der Waage angegeben.

Die Eichung einer Waage wird herstellerseitig durchgeführt und ist immer zeitlich begrenzt. Daher muss eine Eichung alle zwei Jahre durch die zuständige Eichbehörde erneuert und auf der Waage mit einer farbigen Eichmarke beurkundet werden.

Die „richtige“ Waage

Es gibt viele Dinge, die zu beachten sind, um Stoffe zuverlässig und genau auswiegen zu können. Es beginnt damit, festzustellen, was, wieviel, wie genau und wie häufig gewogen werden soll. Hieraus ergeben sich der Waagentyp und die erforderliche Genauigkeitsklasse. Letztendlich sollte die „richtige Waage“ einen Wägebereich haben, bei dem die Gesamteinwaage das obere Drittel des Wägebereichs nicht überschreitet.