Verdreht und zugeschraubt

« Schrauben, Muttern und Gewinde – eine kurze Übersicht »

Was haben die Zahnpastatube, das Marmeladenglas, die Wasserflasche und die Glühlampe gemeinsam? Eine Schraubverbindung. Das Grundprinzip, welches einer Schraubverbindung zu Grunde liegt, sind ineinander greifende Gewinde. Was ein Gewinde ist, wie es gefertigt wird, welche Gewindearten es gibt und wie diese unterschieden werden, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Mit Schrauben und ihrem Gegenstück, den Muttern, assoziiert man schnell den Baumarkt und das Montieren von Möbelstücken oder anderen Gegenständen. Schraubverbindungen und ihre Gewinde sind jedoch nicht immer aus Metall geschaffen und begegnen uns auch im Alltag an vielerlei Orten.

Aber was ist ein Gewinde und wie funktioniert es?

Um ein Gewinde zu fertigen, werden in den Umfang eines zylindrischen Werkstückes spiralförmige Vertiefungen eingeschnitten. Die dabei entstehenden Rillen bilden das Gewinde. Sie können sowohl außen an einem Bolzen wie innen in eine Mutter eingearbeitet werden.

sechskantmutter-din-934-aus-pc senkkopfschraube-din-963-aus-pp-mit-schlitz

Greift ein in Größe und Form übereinstimmendes Außengewinde in ein Innengewinde, erhält man eine Schraubverbindung. Mit dieser lassen sich Teile fest, aber wieder lösbar verbinden. Um die Funktion und die Austauschbarkeit von Außen- und Innengewinde zu gewährleisten, wird deren Form und Größe in Normen festgelegt.

Gewindeherstellung

Im Regelfall werden die schraubenlinienförmigen Vertiefungen des Gewindes unabhängig von der Gewindeart mit einem spanabhebenden Verfahren eingeschnitten. Höhere Stückzahlen werden aus Kostengründen maschinell hergestellt. Dafür wurden Maschinen-Gewindebohrer und Gewinde-Schneidköpfe entwickelt. Im Maschinenbau setzt man auch Techniken wie Drehen, Fräsen, Schleifen und Gewindewirbeln ein, um größere Mengen zu produzieren.

Werkzeug zum Schneiden von Innen- und Aussengewinden gewinde-und-gewindearten
Werkzeug zum Schneiden von Innen- und Außengewinden

Gewinde gleich Gewinde?

Wie sich bereits an den Beispielen aus dem Alltag erahnen lässt, gibt es unzählige Einsatzgebiete für Gewinde. Jedoch muss ein Marmeladenglas andere Anforderungen erfüllen als ein Wasser- oder Gasrohr. Dementsprechend gibt es je nach Anforderung und Verwendung unterschiedliche Gewindearten. Diese lassen sich anhand der folgenden grundlegenden Merkmale unterscheiden:

  • Verwendung: Befestigungs- und Bewegungsgewinde
  • Lage: Außen- und Innengewinde
  • Drehsinn: Rechts- und Linksgewinde
  • Gangzahl: Eingängige und mehrgängige Gewinde
  • Gewindeprofile: Flankenwinkel

Die gebräuchlichsten Gewindearten werden im Folgenden vorgestellt.

Metrisches ISO-Gewinde (M)

Das Metrische ISO-Gewinde hat einen Flankenwinkel von 60°. Der Flankenwinkel gibt Auskunft über die Neigung der Gewindeflanken und bestimmt damit die Form des Gewindeprofils. Das metrische Gewinde gibt es in zwei Ausführungen, als Regel- oder Normalgewinde und als Feingewinde. Das Regelgewinde ist das am häufigsten verwendete Gewinde, man findet es bei Verschraubungen jeglicher Art.

Das Feingewinde unterscheidet sich vom Regelgewinde durch eine kleinere Steigung. Die Steigung ist der Weg, den ein Bolzen mit Gewinde bei einer vollen Drehung zurücklegt.

Durch die kleinere Steigung besitzt das Feingewinde einen größeren Kerndurchmesser. Als Kerndurchmesser wird der unverletzte Teil des Gewindes bezeichnet, der senkrecht zur Achse messbare Abstand zwischen den tiefsten Stellen eines Gewindes. Durch den größeren unverletzten Teil beim Feingewinde wird dieses stabiler, bei Befestigungsgewinden sicherer und bei Bewegungsgewinden feinfühliger. Es wird wie das Regelgewinde generell bei Verschraubungen eingesetzt und darüber hinaus auch noch bei Messschrauben und Foto-Wechselobjektiven.

doppelnippel-aus-pp-pvdf-oder-pfa-loesbar mini-schlauchtuelle-mit-aussengewinde-npt-1-8-quot

Metrisches ISO-Trapezgewinde (Tr)

Entsprechend seinem Namen hat das metrische ISO-Trapezgewinde einen trapezförmigen Profilquerschnitt und einen Flankenwinkel von 30°. Es wird für Bewegungsventile mit großer Belastung in zwei axiale Richtungen, wie zum Beispiel bei Kegelrad-Ventilen, eingesetzt.

Rundgewinde (Rd)

Beim Rundgewinde gleicht der Profilquerschnitt einer Welle, da die Gewindespitze sowie die Übergänge abgerundet sind. Wie beim metrischen ISO-Trapezgewinde hat auch das Rundgewinde einen Flankenwinkel von 30°. Rundgewinde sind unempfindlicher gegenüber Verschmutzungen, Erwärmung und stoßartiger Belastung. Sie finden deshalb Verwendung bei Lasthaken und Kupplungen von Schienenfahrzeugen sowie als Schraubfassungen für Glühlampen.

Schraubgewinde einer Gluehlampe gewinde-und-gewindearten
Schraubgewinde einer Glühlampe

Auch bei Glasgewinden wird das Rundgewinde verwendet, es wird mit GL gekennzeichnet. Allerdings unterscheidet sich der Flankenwinkel des Bolzengewindes vom normalen Rundgewinde, da er statt 30° hier 60° beträgt.

Whitworth-Rohrgewinde (W)

Das Rohrgewinde, erfunden von dem britischen Ingenieur Sir Joseph Whitworth (1803 – 1887) und nach ihm benannt, wurde 1841 eingeführt. Damit ist es das erste genormte Gewinde der Welt. Beim Whitworth-Rohrgewinde sind Mutter- und Bolzengewinde unterschiedlich geformt, dennoch ist der Flankenwinkel bei beiden 55°. Das Bolzengewinde weist im Querschnitt eine konische Form auf, das Muttergewinde hingegen eine zylindrische Form. Diese Geometrie der ineinander greifenden Gewinde ermöglicht eine druckdichte Verbindung von Rohren bei Wasser- und Gasrohren und den zugehörigen Armaturen. Entsprechend seiner Herkunft wird das Whitworth-Gewinde nicht in Millimetern, sondern in Zoll angegeben und deshalb auch Zollgewinde genannt.

Sir Joseph Whitworth
Der britische Ingenieur Sir Joseph Whitworth (Stich nach einer Fotografie um 1882)

Gemeinsam mit dem metrischen ISO-Gewinde wird das Whitworth-Rohrgewinde auch mit dem Überbegriff „Spitzgewinde“ bezeichnet. Beide Gewinde haben einen dreiecksförmigen Profilquerschnitt mit abgeflachten oder abgerundeten Übergängen.

Sägengewinde (S)

Wie der Name es schon beschreibt, ähnelt das Mutter- und das Bolzengewinde hier im Profilquerschnitt den Zacken eines Sägeblatts. Diese Geometrie mit einem Flankenwinkel von 30° ermöglicht einem Bewegungsgewinde die Aufnahme größerer Kräfte in einer axialen Richtung. Das Sägegewinde findet man bei Hub- und Druckspindeln bei Pressen.

Rechts- und Linksgewinde

Gewinde, die im Uhrzeigersinn, also nach rechts verschraubt werden, bezeichnet man als Rechtsgewinde. Entsprechend werden die Linksgewinde nach links verschraubt. Die Drehrichtung ist bei Befestigungsgewinden von Bedeutung, wenn eine drehende Beanspruchung zum Lösen der Schraubverbindung führt. Auch hier lässt sich ein Beispiel aus dem Alltag finden und zwar die Pedale am Fahrrad.

Hier kommen Gewinde mit unterschiedlichem Drehsinn zum Einsatz, da man anderenfalls seine Pedale beim Fahrradfahren schnell verlieren könnte. Des Weiteren wird mittels unterschiedlicher Drehrichtungen der Gewinde bei Gasschweißanlagen dafür gesorgt, dass Gas- und Sauerstoffanschluss nicht miteinander verwechselt werden können. Der Gasanschluss hat immer ein Links- und der Sauerstoffanschluss immer ein Rechtsgewinde.

gerader-verbinder-mit-aussengewinde-aus-pp-oder-pvdf-kurz-gewinde-und-gewindearten gewindeadapter-aus-pp-pvdf-oder-pfa-lose-gl-ueberwurfmutter-gewinde-und-gewindearten

Dreht sich jetzt alles? – Norm schafft Ordnung!

Um die Gewinde voneinander unterscheiden zu können, sind nicht nur Größe und Form, sondern auch die Gewindebezeichnung in Europa vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) festgelegt. Die Bezeichnungen enthalten mindestens je ein Kurzzeichen für das Profil und die Gewindegröße. Unter der Gewindegröße versteht man den Außendurchmesser des Gewindes, der auch Nenndurchmesser genannt wird. Ein Beispiel: M12 ist ein metrisches ISO-Gewinde mit einem Nenndurchmesser von 12 mm. Falls notwendig, können noch weitere Eigenschaften wie die Steigung des Gewindes in die Kurzbezeichnung aufgenommen werden. So ist Tr50 x 24 ein metrisches ISO-Trapezgewinde mit einem Nenndurchmesser von 50 mm und einer Steigung von 24 mm.

Die Bezeichnung von Feingewinden stellt eine Ausnahme dar, da hier die Angabe der Steigung vorgeschrieben ist.

bolzenschutzkappe-aus-tpg gewindeschutzstopfen-aus-ldpe

Andere Länder, andere Gewinde

Komplizierter wird es wieder, wenn wir die Gewindebezeichnungen aus anderen Ländern betrachten. In Amerika werden die Gewinde beispielsweise in einer anderen Reihenfolge bezeichnet. An erster Stelle ist hier der Nenndurchmesser in Zoll (Inch) zu finden, dann die Steigung in Gewindegängen pro Inch und zuletzt die Gewindeart. So handelt es sich bei einem NPT 1/16“ – 27 um ein Rohrgewinde für selbstdichtende Verbindungen mit einem Außendurchmesser von 1/16 Zoll, umgerechnet 7,895 mm, und einer Steigung von 27 Gewindegängen pro Zoll. Neben dem NPT (National Pipe Taper) – Gewinde gehört auch das UNF (Unified National Fine Thread Series) zu den wichtigsten amerikanischen Gewindearten. Es ist ein Feingewinde und besitzt wie das NPT-Gewinde einen Flankenwinkel von 60°.

Wie das europäische metrische ISO-Gewinde, wird auch das UNF-Gewinde für handelsübliche Schraubverbindungen verwendet.

Die Gewindearten auf einen Blick

Kurzbezeichnung  Flankenwinkel  Beschreibung 
G  55°  Zylindrisches Rohrgewinde für nicht im Gewinde dichtende Verbindungen 
GL  30°  Zylindrisches Rundgewinde für Glasgewinde 
M  60°  Metrisches ISO-Gewinde (ein- und mehrgängig) 
NPT  60°  Amerikanisch: National Pipe Taper – Rohrgewinde für selbstdichtende Verbindungen 
Pg  80°  Stahlpanzerrohrgewinde 
R  55°  Kegeliges Rohrgewinde für im Gewinde dichtende Verbindungen 
Rd  30°  Zylindrisches Rundgewinde (ein- und mehrgängig) 
S  30°  Metrisches Sägengewinde (ein- und mehrgängig) 
SQ    Flachgewinde 
Tr  30°  Metrisches ISO-Trapezgewinde (ein- und mehrgängig) 
UNF  60°  Amerikanisch: Unified National Fine Thread Series 
W  55°  Kegeliges und zylindrisches Whitworth-Gewinde 

Bildquellen:
Beitragsbild | © M. Schuppich – stock.adobe.com
Werkzeug zum Schneiden von Innen- und Außengewinden | © Arthur Palmer – stock.adobe.com
Schraubgewinde einer Glühlampe | © Radiojon – de.wiktionary.org

Über Dr. Karl-Heinz Heise

Dr. Karl-Heinz Heise studierte an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg Chemie und der vormaligen Technischen Hochschule Dresden Radiochemie und Chemische Kerntechnik. Danach war er bis zur politischen Wende 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung Rossendorf (ZfK) der Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Bereichen der Isotopenproduktion und Markierungschemie tätig. 1990 wurde er im neu gegründeten Leibnitz-Forschungszentrum Dresden - Rossendorf, dem heutigen Helmholtz-Zentrum, mit der Leitung der Abteilung für Organische Tracerchemie des Instituts für Radiochemie betraut, die sich mit umweltchemischen Prozessen in den Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der DDR befasste. Dr. Heise ist begeisterter Hobby-Numismatiker und beschäftigt sich dabei vornehmlich mit der höfischen Medaillenkunst des 19. Jahrhunderts in Sachsen.