« Wie Hydroxid- und Hydroniumionen für Sauberkeit im Bad sorgen»
Mehr denn je spielt die Hygiene in der momentanen Situation eine große Rolle. Regelmäßiges Händewaschen, soziale Distanz, Atemhygiene und Finger weg von Auge, Nase, Mund, das sind die wichtigsten, von der WHO angeratenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des neuen Coronavirus, der inzwischen den offiziellen Namen SARS-CoV-2 trägt. Ebenso wichtig ist es im Alltag auch, in den eigenen vier Wänden für Sauberkeit und Hygiene zu sorgen. Doch wer behält bei den vielen Haushaltsreinigern schon den Überblick? Sie sind meist flüssig, riechen frisch und scheinen harmlos zu sein, aber auf vielen Handlungsempfehlungen heißt es: „Nicht mit anderen Reinigern mischen„. Doch was genau bedeutet das? Und wieso darf man sie nicht mischen? Welcher Reiniger kann was? Und warum? Der folgende Artikel gibt einen Überblick in das Thema Säuren und Basen im Alltag und auch Handlungsempfehlungen für den sicheren Umgang mit Haushaltsreinigern.
Die verschiedenen Verunreinigungen – Haare vs. Kalk
Wer einmal bewusst in sein Badezimmer schaut und versucht zu erkennen, welche Verunreinigungen vorliegen, welche stechen einem da als Erstes ins Auge? Im Wesentlichen dürften das Kalkbeläge auf den Fliesen, an der Duschkabinenwand oder am verchromten Wasserhahn sein, aber manchmal sind es auch die mit Haaren und schwarzem Modder eines nicht definierbaren Biofilms verunreinigten oder gar verstopften Abflüsse. Doch wie wird man die hartnäckigen Kalkrückstände ohne lästiges Schrubben wieder los? Wie bekommt man der Abfluss wieder frei, ohne gleich die gesamte Spüle abbauen zu müssen?
Saurer Reiniger gegen Kalk
Wichtig ist dabei zunächst einmal den Unterschied zwischen den verschiedenen Verunreinigungen zu erkennen, um zu entscheiden, welcher Reiniger genutzt werden sollte. Bei den Kalkbelägen, die sich im häuslichen Alltag wiederfinden, handelt es sich hauptsächlich um Calciumcarbonat (CaCO3).
Sie sind formal-chemisch mit natürlich vorkommenden Kalk-Mineralien, wie Marmor oder Calcit, gleich und bilden graue, unansehnliche Schmutzschleier oder Verkrustungen auf Fliesen und Armaturen. Allen Carbonaten gemein ist ihre Reaktion mit Säuren. Säuren geben in wässriger Lösung ein oder mehrere Protonen (H+) ab, die in wässriger Lösung direkt mit dem Wassermolekül zu dem Hydroniumion (H3O+) reagieren, welches für die Säure-Eigenschaft verantwortlich ist:
H+ (aq) + H2O (l) → H3O+ (aq)
Hierbei stehen die hinter den Summenformeln jeweils notierten Indizes für die Zustände der reagierenden Stoffe: l für flüssig (engl. liquid), aq für aquatisiert, also von Wassermolekülen umgeben, g für gasförmig (engl. gaseous) und s für fest (engl. solid). Der Einfachheit halber werden Reaktionsgleichungen gern verkürzt geschrieben, wobei nur noch das „freie Proton“, also H+, aufgeführt wird. Dessen Konzentration stellt übrigens den Gradmesser für den pH-Wert dar. Ein pH-Wert kleiner als 7 bezeichnet dabei eine saure, ein pH-Wert größer als 7 eine alkalische/basische und der pH-Wert gleich 7 eine neutrale Lösung.
Wenn ein saurer Reiniger gegen Kalkbeläge genutzt wird, löst sich das Calciumcarbonat unter Freisetzung von Kohlenstoffdioxid (CO2) auf, was als leichtes Schäumen wahrzunehmen ist, und zurück bleibt der in Wasser gelöste Kalk in Form von Calcium–Ionen (Ca2+), der nun weggespült werden kann. In der verkürzt formulierten Reaktionsgleichung bedeutet dies:
2 H+ (aq) + CaCO3 (s) → H2O (l) + CO2 (g) + Ca2+ (aq)
Für die erfolgreiche Entfernung von Kalkbelägen im Bad ist demzufolge der Gebrauch von sauren Reinigern angezeigt – wegen des entstehenden Kohlenstoffdioxids (CO2) und möglicher Säuredämpfe ist es aber wichtig, für gute Lüftung zu sorgen. Die in den Reinigern am häufigsten verwendeten Säuren sind neben Amidosulfonsäure, eine starke, anorganische Säure, die der Schwefelsäure verwandt ist, vor allem Zitronensäure und Essigsäure.
Diese wie auch andere organische Säuren, wie Wein–, Milch- oder Apfelsäure, können sogar direkt zur Entfernung von Kalkablagerungen genutzt werden. Ihr Vorteil ist, dass sie biologisch abbaubar sind. Doch so gut saure Putzmittel auch den Kalk entfernen, ihre ätzenden Eigenschaften sind nicht zu unterschätzen und erfordern einen umsichtigen Umgang damit.
Alkalischer Reiniger gegen Haare und andere organische Verschmutzungen
Was aber, wenn nicht der Kalkbelag von der Kachelwand gelöst, sondern das mit Haaren, Seifenresten und anderen Verunreinigungen verstopfte Abflussrohr wieder frei gemacht werden soll? Ein Hinweis vorweg: mit einem sauren Reiniger funktioniert das nicht. Denn im Gegensatz zu Kalk handelt es sich bei Haaren und dergleichen um organische Verschmutzungen. Diesen ist mit sauren Lösungen kaum beizukommen. Was hilft also dann? Ein basischer Reiniger!
Basen haben einen pH-Wert größer als 7. Oft werden die Begriffe Base, Lauge oder auch alkalische Lösung gleichbedeutend verwendet. Letzteres rührt von der Tatsache, dass Alkalimetalle, wie Natrium und Kalium, mit Wasser zu ihren entsprechenden Alkalilaugen oder auch Alkalihydroxiden unter der Ausbildung von Hydroxid-Ionen (OH–) und gasförmigem Wasserstoff (H2) reagieren. Das ist im Übrigen eine Eigenschaft, welche alle Basen miteinander gemein haben:
NaOH (s) → Na+ (aq) + OH– (aq)
Wie aber sorgt dieses negativ geladene OH-Ion, das Anion OH–, für ein freies Abflussrohr? Verschiedene Effekte sind dafür verantwortlich. Das Hydroxid-Ion ist aufgrund seiner negativen Ladung in der Lage, selbst an dem Schmutzteilchen haften zu bleiben und so den Abtransport durch das Wasser wesentlich zu erleichtern. Der andere Effekt ist ungleich komplexer. Organische Verschmutzungen, wie Haare, Öle und Fette, werden durch die Zugabe der zumeist chemisch sehr aggressiven, alkalischen Reiniger durch Verseifungs– und andere Reaktionen in wasserlösliche Komponenten zersetzt.
Mit einem kleinen Experiment für Zuhause kann dies eindrucksvoll veranschaulicht werden: Man gebe etwas Rohrreiniger, welcher in den meisten Fällen Natriumhydroxid (NaOH) enthält, und etwas Wasser in ein Becherglas, das sich dabei zunächst erwärmt. Dann bringe man ein kleines Büschel Haare (einfach von einer Haarbürste sammeln) in die basische Lösung und warte ein paar Tage. Die Haare lösen sich zu einer klebrig–seifigen Substanz auf, die mit Wasser weggespült werden kann. Allerdings: Dieses Experiment darf nur mit Schutzbrille und Schutzhandschuhen in sicherer Umgebung durchgeführt werden, um die ätzende Lösung nicht in die Augen oder auf die Haut kommen zu lassen!
Saure Reiniger mit alkalischen Reinigern nicht mischen! – aber warum?
Genau wie saure Reiniger sind auch alkalische Reiniger Gemische sehr verschiedener chemischer Substanzen, die nicht nur einen säubernden, sondern auch hygienischen Effekt erzielen sollen. Warum ist aber der gleichzeitige Einsatz von sauren und basischen Reinigern nicht sinnvoll und ihr Vermischen so gefährlich? Die Antwort ist einfach: Wenn saure mit basischen Lösungen vermischt werden, kommt es zu einer Neutralisationsreaktion, bei der die Hydronium–Ionen des sauren Reinigers mit den Hydroxid-Ionen des alkalischen Reinigers unter Bildung von Wasser und Freisetzung von Neutralisationswärme miteinander reagieren:
H3O+ (aq) + OH– (aq) → 2 H2O (l) + Neutralisationswärme
Die Neutralisationswärme kann dabei Temperaturen bis an die +100 °C erreichen und somit wässerige Lösungen in kürzester Zeit zum Sieden bringen. Die Gefahr dabei besteht im Wesentlichen in der Volumenausdehnung des Wassers – ein Liter Wasser ergeben bei starker Erwärmung rund 1600 (!) Liter Wasserdampf. So kann es beim Mischen von sauren und alkalischen Reinigern zu gefährlichen Verbrühungen und, durch die enthaltenen Chemikalien, zu nicht minder schwerwiegenden Verätzungen kommen.
Außerdem können auch freigesetzte Gase zur Gefahr werden. Denn das basischen Reinigern zu Desinfektionszwecken oft beigefügte Natriumhypochlorit (NaOCl), das Natriumsalz der Hypochlorigen Säure, die ältere Bezeichnung ist „Unterchlorige Säure“, reagiert in sauren Lösungen zu Chlor-Gas (Cl2), das eingeatmet zu lebensgefährlichen Schädigungen der Atemwege und Lunge führen kann.
Wer kennt die Zahl?
Es ist eine schier unübersehbare Zahl an Reinigungsmitteln für Haushalt und Bad, die der Handel heutzutage anbietet. Hier den Überblick zu wahren ist schwer, aber trotzdem notwendig, um den richtigen Reiniger stets an der richtigen Stelle zu verwenden. Denn jeder nicht sachgerechte Einsatz, jede Verwechslung, kann zur Gefahr werden, enthalten doch alle Haushaltreiniger aggressive Chemikalien in nicht geringen Konzentrationen, auch wenn sie noch so gut riechen, gefällig eingefärbt und in pfiffigen Flakons aus unzerbrechlicher Plastik abgefüllt sind.
Die sichere Verwahrung der Reiniger, vor allem geschützt vor dem Zugriff von Kindern, sollte daher oberstes Gebot sein.
Die Beachtung der Sicherheits- und Anwendungshinweise auf den Behältnissen und nicht zuletzt, so viel Chemiekenntnisse müssen noch sein, auch das Studium und Verstehen der Bestandteilliste des Haushaltreinigers tragen mit dazu bei, Chemie-Unfälle im Haushalt zu vermeiden.
Nichts desto trotz
Der Zweck heiligt die Mittel nicht. Chemische Reiniger sollten der Umwelt zu liebe immer nur als allerletzte Möglichkeit für den Hausputz in Betracht gezogen werden. Denn oft hilft schon die „Dampfente“, der kleine Haushalt-Dampfreiniger, um der Kachelwand im Bad und der verchromten Wasserarmatur ohne Mühe wieder zu altem Glanz zu verhelfen oder den Abfluss wieder gangbar zu machen. Man muss es eben nur mal probieren.