gtag('event', 'page_view');
+49 (0) 6221-3125-0 (Mo.-Mi. 8 - 17 Uhr, Do.-Fr. 8 - 16 Uhr)

Glossar

PA 11 - Polyamid 11

chem-Formel-PA11-1568e6bb3a5983Polyamid 11

andere Bezeichnungen:  Poly-Undecanolactam, Nylon 11

Kurzzeichen:  PA11

CAS-Nr.: 25035-04-5

 

Wichtige Handelsnamen und Markeneigner

RILSAN® PA11 - Arkema Group

 

Geschichtliches

In den 1960er Jahren begann in den Vereinigten Staaten, wohl unter dem Eindruck des Vietnamkrieges, ein breit angelegtes Forschungsprogramm mit dem Ziel, Rohstoffe aus Importen möglichst durch einheimische Rohstoffe zu ersetzen. Im Zuge dieses Programms wurde auch das sog. Castor-Oil (im deutschen Sprachraum Rizinusöl) untersucht, das aus dem Samen des ursprünglich aus Äthiopien oder Indien stammenden, bis zu 13 m hohen Wunderbaums (Ricinus communis) gewonnen wird. Als Strauch ist das Wolfsmilchgewächs auch in den Südstaaten der USA heimisch.

Obwohl Rizinusöl erhebliche Mengen an Trigyceriden langkettiger Carbonsäuren (Fette) und Proteine enthält, ist es wegen seines Gehaltes an Rizin, einem hochtoxischen Lectin, für Speisezwecke ungeeignet. Es wurde jedoch schon seit dem Altertum als vielseitiges Heilmittel in der Volksmedizin verwendet und später auch für technische Zwecke, als Brennöl und Farbstoffbindemittel sowie zur Herstellung von Schmierstoffen, Seifen und Kosmetika. Seine Bedeutung dafür hat Rizinusöl inzwischen verloren. Heute ist es ein wichtiger, nachwachsender Rohstoff für die Kunststoffindustrie zur Herstellung von Polyamid 11. 

 

Allgemeine Beschreibung

Polyamid 11 ist ein sehr leichter, teilkristalliner und linear aufgebauter thermoplastischer Kunststoff. Er gehört zu den Homopolymeren, die nur aus einer Monomerkomponente bestehen. Solchen Polyamiden liegen aliphatische ω-Aminosäuren oder ihre Lactame, die durch Wasserabspaltung sich bildenden intramolekularen Säureamide, zugrunde.

Die eindeutige Unterscheidung der Vielzahl aller möglichen Polyamide erfolgt durch eine technische Nomenklatur. Sie gibt im Verbund mit dem Kürzel PA für Polyamid (DIN EN ISO 1043-1) die Zahl der Kohlenstoffatome der jeweils zugrunde liegenden ω-Aminosäure an.

Polyamid 11, dem die ω-Amino-Undecylsäure H2N-[CH2]10-COOH mit insgesamt 11 Kohlenstoffatomen im Molekül zugrunde liegt, ist daher mit PA 11 eindeutig ausgewiesen.

 

Verarbeitung

Polyamid 11 (PA 11) ist als Granulat verfügbar, das nach Aufschmelzen zu Halbzeugen weiterverarbeitet wird.

 

Verwendung

PA 11 ist physiologisch unbedenklich und gewebefreundlich. Es ist bei +121 °C autoklavierbar. Ferner kann PA 11 mit Ethylenoxid chemisch und mittels Gamma-Strahlung strahlensterilisiert werden. Dieser besonderen Eigenschaften halber ist ein wichtiges Anwendungsgebiet des Kunststoffs der Medizinbereich.

Schlagfeste Schlauch- und Rohrmaterialien aus Polyamid 11 sind für hydraulische Bremssysteme zugelassen (DIN 73378/74324); wegen ihrer insgesamt hervorragenden mechanischen Stabilität und chemischen Widerstandsfähigkeit werden sie auch für die Tiefsee-Ölförderung eingesetzt.

 

Chemische Eigenschaften

Grundbaustein aller Polyamide ist die sog. Peptidbindung:

chem-Formel-PA11-2-Peptidbindung568e6bb412ffb

Sie bildet sich bei der Reaktion einer Aminogruppe mit einer Carboxylgrppe unter Wasseraustritt (Kondensationsreaktion)

chem-Formel-PA11-3-Aminogruppe-Carboxylgruppe568e6bb469339

Die Peptidbindung ist auch Grundbaustein aller natürlichen Eiweißkörper. Eiweiße werden deshalb auch als Peptide bezeichnet. Aminosäuren mit endständigen Aminogruppen H2N-(CH2)x-COOH, ω-Aminosäuren, reagieren miteinander unter Ausbildung der Peptidbindung, zu Homopolymeren.

Ausgangsstoff für PA 11 ist Rizinusöl, das aus den bohnenähnlichen Früchten des Wunderbaums gepresst wird. Es enthält neben anderen Stoffen hauptsächlich das Triglycerid der 12-Hydroxy-9-octadecensäure (Rizinolsäure)  H3C(CH2)5-CH(OH)-CH2-CH=CH-(CH2)7-COOH. Diese Omega-9-Hydroxyfettsäure ist über die Doppelbindung und die Hydroylgruppe in der Position 12 chemisch leicht angreifbar, so dass über einen mehrstufigen, chemischen Prozess, der zum Schutz der Carboxylgruppe über den Methylester der Rizinolsäure führt, zu 11-Amino-n-UndecansäureH2N-[CH2]10-COOH (ω-Amino-Undecylsäure) umgesetzt werden kann. Die ω-Amino-Undecylsäure polymerisiert, analog anderer ω-Amino-Carbonsäuren, zu seinem Homopolymeren, dem Polyamid 11 (PA 11).

 

Handelsformen

PA 11 wird vorwiegend als knick- und stoßfestes Schlauch- und Rohrmaterial angeboten.

 

Technische Daten  
allgemeine Eigenschaften  
Dichte 1,04 g / cm3  (ISO 1183)
Farbe opak, einfärbbar
Wasseraufnahme  
+23 °C, 50 % rel. Luftfeuchte 0,9 % (ISO 62)
Sättigung 1,9 % (ISO 62)
Sauerstoffindex (LOI)  22 % (ISO 4589-1/2)
Brandklasse V-2
   
thermische Eigenschaften  
Wärmeleitfähigkeit 0,33W / K · m (DIN 52 612)
Schmelztemperatur +178 bis +184 °C (ISO 11 253)
Zersetzungstemperatur +350 °C
Wärmeformstabilität  
(0,45 MPa) +150 °C (ISO 75 HDT/B)
(1,8  MPa)  +55 °C  (ISO 75 HDT/A)
lin. Wärmeausdehungskoeffizient 7,2 · 10-5 / K (ISO 11 359)
max. Einsatztemperatur  
ständig +100 °C
kurzzeitig +150 °C
min. Einsatztemperatur -55 °C
   
elektrische Eigenschaften  
Dielektrizitätskonstante (100 Hz) 4,0 (IEC 60 250)
Dielektrizitätskonstante (1 MHz)  3,0 (IEC 60 250)
Durchschlagfestigkeit (1mm) 10 - 40 KV / mm (IEC 60 243-1)
spezifischer Durchgangswiderstand 1012  Ω · m (IEC 60 093)
Oberflächenwiderstand 1014 Ω (IEC 60093)
Kriechstromfestigkeit CTI 600 (IEC 60112)
   
mechanische Eigenschaften  
Shore-Härte D 72 - 75 (ISO 868)
IZOD Kerbschlagfestigkeit 96  J / m
Streckspannung 44 MPa (ISO  527)
Reißdehnung 320%  (DIN 53455)
Zug-Elastizitätsmodul 1,5 GPa (ISO 527)
Gleitreibungskoeffizient
(p=0,05N/mm2; v= 0,6 m/s) gegen Stahl, gehärtet und geschliffen 
0,32 - 0,39
Gleitreibungsverschleiß
(p=0,05N/mm2; v= 0,6 m/s) gegen Stahl, gehärtet und geschliffen
0,8 μm / km
   
chemische Beständigkeit  
Schmierstoffe, Benzin  beständig
Fette und Öle beständig
aliphatische Kohlenwasserstoffe beständig
Alkohole, Ketone beständig
cyclische und aromatische Kohlenwasserstoffe beständig
halogenierte Lösungsmittel  beständig
organische Säuren unbeständig
Mineralsäuren unbeständig
Amine, Ammoniak bedingt beständig
Alkalilaugen unbeständig
Halogene unbeständig
Wasserstoffperoxid  beständig
Heißdampf bedingt beständig
UV-Strahlung bedingt beständig

 

Weiterführende Literatur

(1)  K. Klare, Geschichte der Chemiefaserforschung, Akademie-Verlag, Berlin-O [1985]

(2) A. W. Birley, B. Haworth, T. Batchelor, Physics of Plastics, Carl Hanser Verlag, München [1992], ISBN 3-446-16274-7

(3)  L. Bottenbruch, R. Binsack, (Hrsg.), Polyamide, Kunststoffhandbuch Bd. 3/4, Technische Plaste, Carl Hanser Verlag, München [1998], ISBN 3-446-16486-3

(4) J. A. Brydson, Plastic Materials, 7th. Ed., Butterworth-Heinemann Ltd. Oxford [1999], ISBN 0-7506-4132-0

(5) H.-G. Elias, Makromoleküle, 6. Aufl., Verlag Whiley VCH Weinheim [2002], ISBN/EAN 978- 3-527-29959-9

(6) O. Schwarz, F. W. Ebeling (Hrsg.), Kunststoffkunde: Aufbau, Eigenschaften, Verarbeitung, Anwendung der Thermoplaste, Durolaste und Elastomere, 9. Aufl., Vogel Verlag, München [2007], ISBN 3-834-33105-8