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Glossar

IIR - Butylkautschuk

chem-Formel_IIR-1Butylkautschuk

andere Bezeichnungen: Isobuten-Isopren-Kautschuk; Isobuten-Isopren-Rubber; Butyl-Rubber; Isobuten-Isopren-Co-Polymer; Poly(Isobuten-Co-Isopren) 

Kurzzeichen: IIR, gelegentlich auch PIBI

CAS-Nr.: 9010-85-9

 

Wichtige Handelsnamen und Markeneigner

ESSO BUTYL® - Exxon Mobil
POLYSAR Butyl® - Lanxess
X_Butyl® - Lanxess

 

Geschichtliches

Im Jahre 1825 entdeckte der englische Naturwissenschaftler Michael Faraday (1791-1867) bei der Erdöldestillation in den leichtflüchtigen Fraktionen ein brennbares Gas, das mit Luft explosive Gasgemische bildete und eine narkotisierende Wirkung hatte. Wenngleich Faraday vor allem durch seine Entdeckungen auf dem Gebiet Elektrizität und des Magnetismus bekannt geworden war, leistete er auch wesentliche Beiträge zur Chemie im 19. Jahrhundert. Faraday hatte erkannt, dass sich aus dem farblosen Gas bei längerer Aufbewahrung eine ölige Substanz abscheidet, die sich allmählich zu einer festen Masse wandelt. Das von ihm abgetrennte und beschriebene Gas war ein Gemisch von vier isomeren, ungesättigten Kohlenwasserstoffen, den Butenen (C4H8). Neben n-Buten enthält es cis- und trans-2-Buten sowie Isobuten. Wegen ihrer C=C-Bindungen sind die zur Stoffklasse der Alkene gehörenden Butene chemisch sehr reaktiv und neigen zur Polymerisation. Diese Deutung seiner Beobachtungen war Faraday freilich nicht möglich, noch viel weniger vermochte er die künftige wirtschaftliche Bedeutung seiner Entdeckung für die Gewinnung von synthetischem Kautschuk voraussehen. 
Faradays Erkenntnisse waren auch in späterer Zeit kaum beachtet worden. So beruhte denn auch die erste, gezielte Synthese eines synthetischen Kautschuks, des Methylkautschuks, durch den deutschen Chemiker Friedrich (Fritz) Hofmann (1866-1956) auf der Polymerisation von Methylisopren und nicht auf der von Buten. Jener 1909 patentierte künstliche Kautschuk wurde ab 1912 von den seinerzeitigen Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co., Elberfeld, in Kleintonnagen produziert. Wegen der geringen Elastizität des Hartgummis, wie Methylkautschuk auch genannt wurde, blieben jedoch seine Einsatzmöglichkeiten sehr begrenzt, so dass die technisch aufwendige, unrentable Produktion unmittelbar nach Kriegsende wieder eingestellt wurde. Als Deutschland in der Folge des Ersten Weltkriegs von Naturkautschuk-Importen abgeschnitten war, wurden die Entwicklungsarbeiten für synthetische Alternativen mit Nachdruck vorangetrieben. 
Erst in den 1920er Jahren setzte die Badische Anilin-und Sodafabrik (BASF) in Oppau seine Forschungen bei den bereits von Faraday beschriebenen Butenen an. Das Ergebnis der Arbeiten war 1931 die Präsentation von Poly-Isobuten, des ersten industriell verwertbaren, großtechnisch gewonnenen Elastomers auf der Basis eines Poly-Kohlenwasserstoffs. Es erhielt das technische Kürzel PIB und nach seinem Entstehungsort den Markennamen Oppanol®. Da sich seine Elastizität auch bei tieferen Temperaturen nicht verliert, wird Oppanol® noch heute in Formulierungen für hochwertige Beschichtungs-, Dicht- und Klebstoffe eingesetzt. 
Etwa zeitgleich fanden die beiden, bei Standard Oil New Jersy tätigen US-Chemiker, William J. Sparks (1905-1976) und Robert M. Thomas (1908 - ?) heraus, dass die Co-Polymerisation von Isobuten mit Isopren einen gegenüber Poly-Isobuten verbesserten Synthesekautschuk liefert. Isopren war schon 1860 von dem englischen Chemiker Charles Hanson Greville Williams (1829-1910) als Grundbaustein des Naturkautschuks entdeckt worden und stand inzwischen als synthetisch gewonnenes, chemisches Grundprodukt zur Verfügung. 1937 stellte das Unternehmen den Isobuten-Isopren-Kautschuk vor, der unter dem griffigen Trivialnamen Butylrubber, im deutschen Sprachgebrauch Butylkautschuk, schnell bekannt wurde. Sein technisches Kürzel IIR leitet sich von Isobutene-Isoprene-Rubber her. 
Ab 1943 wurde Butylkautschuk auch in Deutschland hergestellt. Dieser, dem Naturkautschuk sehr ähnliche Synthesekautschuk, ist seither zu einem unverzichtbaren Elastomer mit vielen bedeutenden Anwendungsfeldern geworden. Sein gegenwärtiger Hauptproduzent ist das 2005 gegründete Chemieunternehmen Lanxcess, das aus dem Bayer-Konzern hervorging und mittlerweile weltweit an 52 Standorten in 29 Ländern tätig ist.

 

Verwendung

Hauptabnehmer für Butylkautschuk ist seit jeher die Auto-Industrie, die den Synthesekautschuk zur Produktion von Fahrzeug-Bereifungen und für Schwingungs-Dämpfungselemente verwendet. Wegen seiner geringen Gaspermeabilität ist Butylkautschuk auch der ideale Werkstoff für Schläuche zur Förderung von Gasen aller Art in Labor und Technikum und für Dichtungen. Darüber hinaus wird Butylkautschuk als Grundkomponente für dauerelastische Korrosions-Schutzlacke und Klebstoffe eingesetzt, für Textilbeschichtungen, in bedeutenden Mengen auch für Kabelisolierungen und für chemikalienfeste Schutzbekleidung und Schutzhandschuhe. Nicht unerheblich dürften schließlich auch die Mengen hochgereinigten Butylkautschuks sein, die von der Süßwarenindustrie für die Kaugummi-Produktion benötigt werden.

 

Chemische Eigenschaften

Butylkautschuk ist ein Co-Polymerisat. Es ist damit im Gegensatz zu Polymer-Blends oder -Legierungen, wie PP/EPDM (z.B. Santopren®), kein Polymeren-Gemisch, sondern eine aus den zwei chemisch verschiedenen, monomeren Komponenten Isobuten (2-Methy-1-propen) und Isopren (2-Methylbuta-1,3-dien) zu einem Makromolekül verknüpfte chemische Verbindung. Derartige Polymere werden auch als permanent vernetzte Elastomere bezeichnet. Das folgende Schema, bei dem die Isomerien unberücksichtigt sind, soll dieses verdeutlichen:

chem-Formel_IIR-2

Die Indizes k und m stehen für die molaren Anteile der beiden Komponenten in der Grundeinheit des Makromoleküls, die sich n-fach fortsetzen kann. Dabei ist in der Praxis k >> m, weil die Witterungs- und Alterungsbeständigkeit mit zunehmendem Isopren-Anteil sinkt. Der optimale Isoprenanteil liegt in den technisch üblichen, gegenüber vielen Chemikalien beständigen Butylkautschuk-Qualitäten bei maximal 5 Mol-%. 
Die Butylkautschuk-Synthese läuft als sauer katalysierte Kettenpolymerisations-Reaktion bei Temperaturen zwischen -40 °C und -100 °C in Lösung ab, aus der das Rohprodukt gefällt wird. Dabei ist die Reaktionstemperatur für die Kettenlänge n und damit für den Polymerisationsgrad entscheidend, der die technische Qualität des Endproduktes wesentlich mitbestimmt. 
Butylkautschuk ist frei von Weichmacherchemikalien, er ist gummielastisch und thermisch belastbar. Als Komponente für Blends mit Naturkautschuk oder anderen synthetischen Kautschukarten ist er allerdings völlig ungeeignet. Hingegen verfügt er über eine bemerkenswerte Witterungs-, Alterungs- und Ozonstabilität. Seine Permeabilität für Wasserdampf und Gase ist im Vergleich mit Naturkautschuk für Luft um den Faktor 10 kleiner. Gegenüber Polyurethan (PU) ist sie bis zum 40-fachen niedriger und gegenüber Silikonkautschuk sogar bis zum 200-fachen. Schließlich zeichnet sich Butylkautschuk durch gute Beständigkeit gegenüber Säuren und Laugen sowie gegenüber Heißwasser und Wasserdampf aus. Lediglich Treibstoffe, Mineralöle, Kohlenwasserstoffe und halogenhaltige Lösungsmittel greifen den Synthesekautschuk an und führen zur Quellung.

 

Handelsformen

Butylkautschuk fällt aus der Synthese als äußerlich strukturlose, schwach gelblich gefärbte Masse an, die als Ballenware der Weiterverarbeitung, vornehmlich in der Reifenindustrie, zugeführt wird.

 

Technische Daten  
allgemeine Eigenschaften  
Farbe gelblich-weiß, eingefärbt meist weiß oder schwarz
Dichte 1,11 g / cm3
   
thermische Eigenschaften  
Einsatztemperaturbereich  
dauerhaft -30 °C bis +100 °C
kurzzeitig bis +140 °C
Wärmeleitfähigkeit 0,1 bis 0,3 W / m ∙ K
Sauerstoffindex (LOI) ≤ 22 %
Entzündungstemperatur ~ +440 °C
   
mechanische Eigenschaften  
Shore-Härte A 60° ± 5°
Reiß-/Bruchdehnung 600 %
Reißfestigkeit 13 MPa
Zugfestigkeit > 3 N / mm2
Druckfestigkeit < 0,8 N / cm2 
Druckverformungsrest 35 % bei +100 °C / 22 h
   
elektrische Eigenschaften  
spez. Durchgangswiderstand > 1012 Ω ∙ cm
   
chemische Beständigkeit  
Acetonitril beständig
Aceton beständig
aliphatische Kohlenwasserstoffe unbeständig
Benzol, Toluol unbeständig
Essigester bedingt beständig
halogenierte Losungsmittel unbeständig
Ethanol, Methanol beständig
konzentrierte Säuren beständig
konzentrierte Laugen beständig
Treibstoffe und Mineralöle unbeständig
Heißwasser und Wasserdampf beständig
Ozon und Witterung beständig

 

Weiterführende Literatur

1.) Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co., Elberfeld, Verfahren zur Herstellung einer dem Kautschuk nahestehenden Substanz, Kaiserliches Patent Nr. 250 335 [1909]

2.) Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co., Elberfeld, Verfahren zur Herstellung von künstlichen Kautschuk, Kaiserliches Patent Nr. 250 690 [1909]

3.) G. A. Olah, A. Molnár, Hydrocarbon Chemistry, John Wiley NY [2003], ISBN 978-0-471-41782-8.

4.) M. D. Lechner, K. Gehrke, E. Nordmeier, Makromolekulare Chemie: ein Lehrbuch für Chemiker, Physiker, Materialwissenschaftler und Verfahrenstechniker, 4. Aufl., Birkhäuser, Basel [2010], ISBN 978-3-7643-8890-4

5.) H. Domminghaus†, herausgegeben von P. P. Elsner, P. Eyerer, T. Hirth, Kunststoff, Eigenschaften und Anwendung, 8. Aufl. Springer [2012], ISBN 978-3-642-1672-8

6.) K. Ritter, In: IVD-Merkblatt Nr. 5, Abdichtungen mit Butylbändern, HS Public Relationsverlag und Werbung GmbH [2014]

7.) zur Problematik der chemischen Nomenklatur: http://goldbook.iupac.org 
hierzu siehe auch: A. D. McNaught, A. Wilkinson, updated by A. Jenkins, Compendium of Chemical Terminology, Blackwell Science [2006], ISBN 978-0-865-42684-9